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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Schur, Ernst: Die graphischen Künste: zur Geschichte ihrer Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0226

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-m*^> DIE GRAPHISCHEN KÜNSTE <Ö5^

eine ganze, immer zunehmende Anzahl von
Künstlern neue Wege, neue Möglichkeiten.
Der ökonomische Zwang, die Not erzeugte
ganz neues Streben. Neue Kräfte, die bis jetzt
nicht benutzt waren, brach gelegen hatten,
wurden nun in den Künstlern frei. Sie durften
es, weil die Entwicklung ihr Aufkommen be-
günstigte. Sie hatte den Boden bereitet, die
Samenkörner eingesenkt. Ihr Werk war es,
wenn die neuen Schößlinge kräftig sich aus-
breiteten. Die große Natürlichkeit, das Be-
gründetsein war in ihnen. Innere Umstände
(in den Künstlern) und äußerer Zwang und

!

RICHARDSCHAUPP

Bedürfnis (in der Zeit liegend) wirkten so zu-
sammen, um den Empfang gehörig vorzu-
bereiten. Dieser war würdig. Würdig sowohl
wegen der Feindschaft, wie auch durch die
Freude des Entgegenkommens. Die Zeit
brauchte solche Künstler, sie redete in ihnen.
Es war schwer zu sagen: hatte sie sich die
Künstler zweckentsprechend geschaffen, oder
war es Zufall, daß Bedürfnis und Befriedigung
so genau zusammenfiel. Die Zeit bedurfte
ihrer. Durch diese Notwendigkeit ist der innere
Zusammenhang gegeben.

Und weiterhin trug auch die Verfeinerung der
Techniken, die Mannigfaltigkeit der Verstän-
digungs- und Verdeutlichungsmöglichkeiten,
raffinierte Mischungen verschiedener Ver-

fahren dazu bei, den künstlerisch-bildneri-
schen, den schöpferischen Reiz einer solchen
Arbeit zu erhöhen. Den Künstlern ward Ge-
legenheit, ihren Stil, ihre Sprache scharf und
akzentuiert auszuprägen. Dies war hier nicht
Uebertreibung, sondern Bedingnis. Viel reicher
entwickelte sich hier die Persönlichkeit, stieg
hinab zu bis dahin ganz verschlossenen Tiefen
und öffnete Türen, an denen man furchtsam
und bequem vorbeigegangen war, weil man
nichts dahinter vermutete.

Ein solches Blatt war zu vervielfältigen.
Es bot also eine viel sicherere Art des Ver-

KÜNSTLERSÄN GER VEREIN 1897

kaufs, als ein einzelnes Bild. Diese Produktion,
wie sie die Eigenheiten des Künstlers ent-
wickelte, machte also auch selbständiger.

Umgekehrt: vielen war es nun möglich
gemacht, sich etwas Gutes, Zeitgemäßes zu
leisten. Sie konnten ihre Wände mit einer
guten Reproduktion schmücken, sie, die nie
daran hätten denken können, sich ein Bild
zu erwerben. Es stand hier also — denkt
man an die früheren Oeldrucke und verlo-
genen Gartenlaubenklischees, die bis dahin die
Wände zierten — Kunst gegen Unkunst, Ge-
schmack gegen Geschmacklosigkeit, Persön-
lichkeit gegen Geschäftsbetrieb. Und zwar
wurde hier, das ist das Eigentümliche, der
Sieg erfochten für die Kunst und, wenn man

Die Kunst für Alle XXI.

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