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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Personal- u. Atelier-Nachrichten - Neue Kunstliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0264

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-~feg> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN

von Dorfhexen, zu denen arme Weiber mit ihren
Gebrechen und Anliegen kommen, spielen hier eine
große Rolle. Die später reifere Art des Malers
Becker-Gundahl erprobt sich mit mehr Geschick
und Glück an einfachen, und weniger anekdotisch
gefärbten Wirklichkeitsschilderungen aus dem Leben
der Bauern und kleinen Leute und ist feiner und
ruhiger in Ton und Farbe. Ein unvollendetes Riesen-
bild »In der Kirche« erweckt den Wunsch, der
Künstler möge den Mut haben, es zu vollenden.
Eine große Anzahl flotter und sehr persönlich stili-
sierter Federzeichnungen für die »Fliegenden Blätter«
ist deren Lesern — und wer gehört nicht dazu? —
schon vorteilhaft bekannt. Naturstudien in Rötel,
Kreide und Pastell zeigen geradezu klassische Ein-
zelheiten und die vielen Modelle und großen Ent-
würfe zu den Mosaiken der Münchener Maximilians-
kirche beweisen, daß Becker auch als dekorativer
Künstler auf Achtung gebietender Höhe steht. —
Richard Pietzsches Kollektion von etwa fünfzig
Landschaften, die meist dem Isartal und der Um-
gegend des Ammersees entnommen und zum Teil
schon bekannt sind, bestätigen nur wieder, daß
dieser stärkste und ernsteste unserer jungen Land-
schafter zu den allergrößten Hoffnungen berechtigt.
Ein so tiefes und reines Empfinden, eine so in-
brünstige Liebe zur Natur und eine so weitgehende
Kenntnis eines speziellen Stückes Natur (des Isar-
tales!) haben nur ganz wenige aufzuweisen. Gewisse
Wünsche bleiben uns nur in Bezug auf die Aeußer-
lichkeiten der malerischen Technik, die flüssiger
und geschmeidiger sein und die Formen manchmal
fester erscheinen lassen könnte. An Größe der
Auffassung aber wird Pietzsch schwerlich noch
viel zu gewinnen haben. Als interessante Zugabe,
wenn man so sagen darf, erscheint eine Reihe von
Pastellzeichnungen mit unendlich reizvollen Archi-
tekturen aus dem alten Wisby. Auch zwei sehr
gute dekorative Bläiter fehlen nicht — Des zu früh
geschiedenen Viktor Weishaupt Kunst ist den
Münchnern so wohl vertraut, daß uns die schöne
Sammelausstellung schließlich nicht viel Neues zu
sagen hatte. Die unergründliche herbe Ehrlichkeit
dieses trefflichen Malers offenbart sich so recht durch
den Gegensatz zwischen seinem früheren, aus den
Errungenschaften der Diezschule gewonnenen Ate-
lierstil, wie ihn der berühmte »Wilde Stier« des
Münchener Kunstvereins zeigt, und den viel we-
niger blendenden, aber viel wahreren, im direkten
Verkehr mit der Natur geschaffenen späteren Werken.
Was Selbstzucht und Reinheit des Willens angeht,
darf Weishaupt allen Strebenden als leuchtendes
Vorbild gelten ! fo.

IEN. Wiener Kunstausstellungen. Programm-
mäßig regsam wickelt sich das diesjährige
Kunst-Repertoire ab. Es ist nach außen hin keine
merkliche Aenderung gegen vergangene Jahre zu
konstatieren. Zahl und Wechsel der Darbietungen
sind auf gleicher Höhe geblieben. Wohl aber
scheint das Kunstleben in unserer Stadt sich in
einem Augenblick der »Detente«, der Abspannung
zu befinden, insoferne die Intensität des Kunst-
interesses in Frage kommt. Die Reaktionären hüben,
die Modernen drüben sind in Angriff und Abwehr
weniger ungestüm, sie sind um eine Nuance ruhiger
oder sagen wir gleichgültiger geworden. Das gilt
sowohl für die Künstler, als für das Publikum.
Acht Jahre Sezession trugen das Zeichen einer
starken, herben, konzessionslosen Kunstspannung;
es gab Stürme und so mancher Donner grollte, so
mancher Blitz zündete. Eine intensive Bewegung
hatte selbst gleichgültiger Gemüter sich bemächtigt;

die Kunst begann im persönlichen Erleben des
einzelnen ein lebendiger Faktor zu werden. Nun
hat die Spaltung in der Vereinigung vorläufig dem
Ver-Sacrum, dem Weihe-Frühlingszauber ein Ende
bereitet. Die Periode der idealen Konzentration
ist gewesen. Die organische Entwicklung alles
künstlerischen Wachstums des Einzelnen ist des-
halb nicht unterbrochen, aber Kunsterziehung und
Kunstpolitik, unzweifelhaft kulturelle Machtfragen,
haben augenblicklich an Bedeutung stark eingebüßt.

So ist diesmal das Resume der Ausstellungen
rasch gemacht. Das Haus der Sezession füllt voll-
ständig die Münchener »Scholle«. Mitglieder dieser
Vereinigung haben die Raumeinteilung und den
Raumschmuck selbst besorgt. Der Wandbehang,
an welchem die Bilder sich abheben, ist marine-
blau; grüne Leisten schließen ab. Eine Charakteri-
sierung der Ausstellenden ist für die Kritik nicht
einmal eigentlich in Wien notwendig gewesen, da
die Kunststadt München von dem Gros des Wiener
Publikums stark besucht wird, und eine intime Per-
sonalkenntnis sich dadurch entwickeln konnte. Die
Scholle ist wirklich bei uns zu Hause — und ein
gerngesehener Gast.

Im Künstlerhaus Aquarell-Ausstellung, wie seit
vielen Jahren im Monat Januar. Sehr merklich
tritt immer stärker die Stiländerung, welche auch
diese Technik erfahren, hervor. Besonders das
Wiener Aquarell war auf scharf perspektivische
Wirkung, auf miniaturhafte Feinheit und Detail-
zerlegung gestimmt. Diese Kunst des spitzen
Pinsels ist durch den Einfluß der englischen Aqua-
rell- und Pastellkünstler nun zu einer mehr syn-
thetischen, die Silhouette, die Fleckwirkung suchende
Aussprache geworden. Brunner, Quittner,
Epstein, auch Geller, trotz der Kleinheit seiner
Formate, bringen viel fluktuierende Bewegung in
ihre Naturausschnitte. Wild und Ameseder packen
ihre Motive ebenfalls von der stark koloristischen
Seite. Charlemont's reizende Suite von Miniatur-
landschaften strömt von Licht-, Luft- und Raum-
weite über. Leider ist nur die landschaftliche Note
der Ausstellung freier im Empfinden und Ausdruck
geworden. Das Porträt, meist in Pastell, zeigt noch
immer die süßliche Pose der gesellschaftlichen
Konvention. Es ist eine Komplettierung der Salon-
garnitur.

Im Kunstsalon Pisko haben die »Acht Künstle-
rinnen und ihre Gäste« sich niedergelassen. Frau
Florian-Wiesinger, Marie Egner als Land-
schafterinnen, die Damen Granitsch und Münch
im Porträtfach treten hervor. Ilse Konrat hat
eine sehr kraftvolle Männerbüste gebracht.

Die Galerie Miethke, welche nun gleichzeitig zwei
Ausstellungslokale besitzt, arbeitet in Kontrasten.
In der Dorotheergasse stellt der Münchner Künstler
Habermann eine Kollektion seiner mondainen,
eleganten Atelierbilder aus. Am Graben sehen wir
Van Gogh's tumultuarische Erruptionen, diese
Naturschreie eines Temperamentes, welches die
Welt der Erscheinungen mit trunkenen Sinnen auf-
nimmt. Nichts ist bezeichnender für das Nachlassen
der künstlerischen Spannung, die ich besprochen
habe, als die Indifferenz, mii welcher das Publikum
eine so herausfordernde Individualität aufnimmt.
Die starken Gefühle werden dieses Jahr vermieden
— es lebe — das Wohlleben. b. z.

DRESLAU. Das durch den Tod von Professor
Christian Behrens verwaiste Meisteratelier
für Bildhauerei am Schlesischen Museum der bil-
denden Künste wird aufgehoben. Die Räume sollen
durch einen Umbau den Museumsräumen ange-

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