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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Ruge, Clara: Moderne amerikanische Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0270

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^*=ö> MODERNE AMERIKANISCHE MALER <ö^-

Aber Mc. Neill Whistler, obgleich er in stark individuell zu verarbeiten, ist echt ameri-
Europa lebte und schaffte, ist doch ein wunder- kanisch !

barer Beweis für die Möglichkeiten ameri- Der andere große amerikanische Maler,
kanischer Künstlerschaft! John Singer Sargent, ist zwar ein grundver-

Velasquez, Rembrandt — die japanische schiedener Künstler, doch aber darf auch er,
Kunst, alle diese Einflüsse sind in Whistler trotzdem er meist in England lebt, füglich
rege und wundersam verschmolzen. Ein für die amerikanische Kunst gefordert werden,
neuer Labetrunk für Menschen, die nach Die alerte Auffassung und rasche Eindrucks-
modernen Schönheitsidealen schmachten, ist fähigkeit, welche den Amerikanern eigen sind
aus der Gärung entstanden. Der ihn kredenzte, und es ihnen möglich machen, als Volk einige
hielt ihn selbst für einen Göttertrank, denn Jahrzehnte der Entwicklung kühn zu über-
niemand war ein eifrigerer Apostel Whistlers springen, sind ihm in hohem Grade eigen,
als Whistler selbst. Darin ganz Ameri- Durchschnittsmenschen unter den Amerika-
kaner: Nichts von bescheidener Unterordnung nern haftet durch diese sprunghafte Entwick-
unter die Gottheiten, zu deren Füßen er dem lung leicht Oberflächlichkeit an, geniale Natu-
Evangelium der Kunst gelauscht hatte. Sein ren vermögen aber vermittels dieser raschen
Stil wird wenig Nachfolger zeugen, denn Aufnahmefähigkeit plötzlich die Kulturen ver-
er war der originelle Ausdruck einer über- schiedenster Epochen in sich aufzunehmen,
intensiven Künstlerindividualität und ein Be- Sargent wurde auch das Glück zuteil, sehr
weis der hochpotenzierten Aufnahmefähigkeit jung nach Europa zu gelangen. Einflüsse,
des Amerikaners, denn allerlei Einflüsse so welche den meisten Amerikanern erst später

werden, wenn ein heftiger Drang
sie zur Vervollkommnung ihres
Kunststudiums hinweg aus der hei-
mischen, übermächtig dem Prakti-
schen gewidmeten Welt zieht, hat
er in den eindrucksfähigstenjahren
in sich aufgenommen. Dazu ist er
der Abkömmling der in Amerika
die größte Kulturverfeinerung re-
präsentierenden Kreise. Er ent-
sprang der mit geistigem Fluidum
reich geschwängerten Neu-Eng-
landsphäre. Massachusetts ist sein
Heimatstaat.

Längst vor Whistler und Sar-
gent, den beiden Amerikanern, die
zuerst dem Ausland lebhaft be-
weisen, daß vollechte Künstler
dem amerikanischen Boden ent-
sprießen können, datiert übrigens
unsere Kunstgeschichte zurück.
Sie ist heute etwas über 100 Jahre
alt. Wenigen ist es bekannt, daß
Benjamin West der erste bedeu-
tende amerikanische Maler war,
der Joshua Reynolds als Präsident
der Royal Academy in London
gefolgt war, obgleich sein erster
Lehrer ein Cherokeeindianer ge-
wesen ist. Mit ihm setzte der
englische Einfluß unter Amerikas
Malern ein. Es folgte die Zeit der
Düsseldorfer Beeinflussung, aus
der heraus sich die hiesige „Hud-
sonriverschool" gebildet hatte, in
der deutsche Gefühlsweise mit
Irving r. wii.es bildnis etwas geographisch trockener Ge-

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