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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Von Wiener Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0380

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-^=ö> VON WIENER AUSSTELLUNGEN <^^~

Stil gesehen. Oft tritt leider immer noch eine wenigen, bald lila, bald grünlich-blauen oder gelb-
störende flackernde Grellheit der Farben hervor. roten Flecken sehr zart malerisch belebt. Immer
Die Natur erscheint geschminkt, und schlecht ge- soll durch eine breite, schwarze Fläche, einmal ist's
schminkt, und die Uebertreibung eines Effekts tötet ein Fels, dann wieder ein See, der tiefe Akkord
die reine Wirkung. Es ist wohl zu erwarten nach seelischer Stimmungen angeschlagen werden. Nicht
den Proben, die Graf diesmal gibt, daß immer stetiger gewöhnlich ist auch die Art des Polen Kasimir
der Virtuose vom Künstler beiseite geschoben wer- Sichulski, der bereits in der Herbstausstellung des
den wird. Hagenbundes jene grellen Visionen von ins Deko-

Wie überall jetzt, wo Kunst sich zeigt, findet rative übersetzten Rassetypen zeigte. Seine Kraft
man eine Kreuzung der Tendenzen, der Stile der ist brutal, aber das Rücksichtslose einer Energie
technischen Formeln. Jene Einheit aus der Im- strömt aus. Henryk Uziemblo, auch ein Pole, ist
pressionistenepoche, welche die Wände der Aus- nicht zu übersehen. Die Handschrift, mit welcher
stellungssäle zu Guckkasten der Natur verwandelte, der Künstler seine naiven Empfindungen nieder-
ist verschwunden. Der Künstler besinnt sich wieder schreibt, ist kalligraphisch ungewöhnlich. Er löst
auf sich selbst, und entwindet sich einer Diktatur, alle Geraden auf und ringelt die Welt. Runde
die ihm unendlich viel Kraft gegeben, aber auch Wellen und runde Schneeflecke und das Moos der
viel Kraft geraubt hatte. Ein junger böhmischer Dächer in runde Patzen aufgelöst, und Geäst und
Künstler, Jan Preissler, interessiert, weil er ver- Blattzeug und Stein und Weg Kreis in Kreis ge-
sucht, über die Naturvision hinaus einen tieferen bildet. Aber auf seine Weise hat der Maler recht,
Schauer auszulösen. In Gegenden, die Phantasie denn er erreicht eine sehr bewegte, sehr lebendige
entdecktund erträumt, bewegen sich sinnende Frauen, Wiedergabe.

horchende Jünglinge und Kinder, die der Sonne Noch einige: Irma v. Duczynska bringt unter
lächeln. Etwas Vegetatives, etwas mit dem Boden, anderem das Porträt eines Gelehrten, der als echter
auf welchem sie stehen, Verwachsenes haben diese Bücherwurm mit sehr charakteristischer Bewegung
Gestalten. Als Kolorist vereinfacht Preißler seine festgehalten ist. Uprka führt uns wieder mit ge-
Farbenskala auf weiß-schwarz, welches er mit wohntem Brio in das Land der herrlichen Kostüme,

zu den Tschecho-SIaven; Luntz
aus Karlsruhe malt wieder seine
stillen, hohen, dunkeln Hori-
zonte. Manch gutes Bild ist
gewiß sonst noch da. Dann
kommen geschickte Maler, die
irgend jemanden nachahmen,
dann kommen auch solche, die
nicht einmal nachahmen können
und deren handwerkliche Un-
zulänglichkeit, deren Unsorg-
samkeit, deren Unverständnis
gegenüber den essentiellen Er-
fordernissen bildlicher Kunst
jenen Guten, welchen sie Nach-
bar sind, nur schaden. Von
Plastik ist die Genre - Porträt-
büste, dieJosEF Heu von seiner
Mutter machte, zu erwähnen;
ein zu monumentalen Dimen-
sionen vergrößerter Nippegegen-
stand und einige zarte Frauen-
körper des Bildhauers Stundl.

b. z.

GEDANKEN UBER KUNST

Nur die Kunst, die sich vom
Gegenstand unabhängig hält,
ist bleibende Kunst. Das hin-
dert nicht, daß sie einen be-
deutenden Gegenstand behan-
delt, nur muß dann auch der
Hauptnachdruck auf der rein
künstlerischen Darstellungs-
weise ruhen. Trübner
*

Es ist ungeheuer viel Hand-
werkliches in der Kunst, viel Er-
fahrungssache dabei, viel Pro-
bieren nötig, viel mechanische

anselm feuerbach (1829—1880) des künstlers mutter Arbeit. Böcklin

Deutsche Jahrhundert-Aasstellung Berlin 1906 *

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