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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Heyck, Eduard: Anselm Feuerbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0586

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-*=4ö> ANSELM FEUERBACH <ö^~

da aus aber wird Feuerbach lediglich zu dem Kolorit ist das konzentrierte, potenzierte Spiegel-

Vereiniger, vor dem „Idealismus" und „Natura- bild der uns umgebenden Dinge, die in der Schöpfung

,. ° , ... . . . . . ,, . zerstreut liegen: ihr verklärter Abglanz in einer poeti-

hsmus" und überhaupt die Ismen hinfallen wie schen Seele Es basiert stets auf dem innersten Natur-
Stücke, die man aus einem Ganzen gelöst hat. gefühl. Nur Blumen, wie sie der liebe Gott geschaffen,
Die Summe ist: er erschaut, wie ich es schon lassen sich zu einem genußreichen Kranze winden.
bezeichnet habe, eine reine unverlogene Natür- ^minist ist derjenige, der alles etwa brauchbare
,. .. , , , i • i-i zusammenstellt, um eine erträgliche Verblüffung zu er-
lichkeit durch den Adel einer zugleich zarten zieien

und starken Empfindung hindurch, und so er- *
reicht er, während die Art aller „Richtungen"

etwas qualitativ wagerechtes behält, vom siehe- Der Künstler suche zuerst der menschlichen Er-

d„j„„ „•_« „ Li. j , , ._ . scheinung nach allen Seiten hin gerecht zu werden:

ren Boden einer wohltuenden und anheimeln- end[icK %ei mäßigem Schneidertflent, denke er auch

den Wahrheit her die lichten Höhen einer manchmal an eine etwaige Bekleidung.
großen erschaffenden Kunst.

Nach heutiger Begriffseinfalt wäre das der größte
Maler, der sich am meisten Zeuge anschaffen kann;
GEDANKEN VON ANSELM FEUERBACH von Ritterrüstungen und Schränken nicht zu sprechen.

Uns speziell ist Gottes Natur stets lehrreicher ge-
wesen, als die schönste Trödelbude. Die echte Historie kann nie zu einem'archäologi-

schen Zeit- oder Sittengemälde herabsteigen, sondern
sie muß in erster Linie das Sittlich-Große, Menschliche
Das wahre Kunstwerk braucht keine unberufene festhalten, gleichviel, in welchem Kostüme sie sich zu
Vermittlung zum Verständnis. bewegen hat. Ein geistvolles Porträt, z. B. eines großen

Gelehrten der Gegenwart in modernster Kleidung,
kann demnach ein Historienbild par eminence sein.
Das dekorative Element darf nie eine feinere und „
edlere Kunst überwuchern.

Um ein guter Maler zu sein, braucht es vier Dinge:
Weiches Herz, feines Auge, leichte Hand, und immer
Nicht will ich leugnen, daß es besser sei, sich im frisch gewaschene Pinsel.
Kleinen zu vervollkommnen, wenn man im Großen *
nichts zu leisten vermag, allein dann soll man be-
scheiden von Industrie und nicht immer von Kunst >Nur Erlebtes macht das wahre Kunstwerk'. So
sprechen. Lebensgroße, dekorativ arabeskenhaft kon- spricht ein deutscher Kritiker. Hat Goethe, um im
ventionelle Gestalten sind keine monumentale Kunst; ,Fischer< die Situation schildern zu können, sie zu-
die muß unmittelbar aus der Natur und großen Auf- erst erleben müssen? Hat Leonardo dem Abend-
fassung derselben hervorgehen, mahl beigewohnt? Weil noch niemand Engel und
* Kentauren gesehen'"hat, deshalb kann man sie nicht

malen ? Hat Mozart seine Melo-
dien erlebt oder hat er sie von
innen heraus geschaffen ? Hat
Erwin von Steinbach den Straß-
burger Münster erlebt? Der
wahre Künstler geht sicher stets
mit offenen Augen durchs Leben.
So veranlassen ihn manchmal
auch einzelne aufgefaßte Züge
und Erscheinungen des wirk-
lichen Lebens, sie zu benützen,
sie vermittelst seines Könnens,
seiner Phantasie zu ergänzen
und zum Kunstwerk zu erwei-
tern. Dies geht nebenher in
jedem Künstlerleben. Der un-
widerstehliche, gottbegnadete
Schöpfungsdrang aber, das ist
der Grund, der einzige Hebel
großen Schaffens. Feine Be-
obachtungsgabe ist eine sekun-
däre Anlage.

m

Das Wahreistimmerschlicht,
einfach, haarscharf; es ver-
trägt kein aufgebauschtes Ge-
wand.

Das feinste Pathos liegt in
ANSELM FEUERBACH LANDSCHAFT MIT ZIEGEN (1873) der Einfachheit.

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