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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Bode, Wilhelm von: Der Verkauf der Sammlung Rudolf Kann in Paris nach Amerika
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0031

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DER VERKAUF DER SAMMLUNG RUDOLF KANN IN PARIS NACH AMERIKA

länder des 18. Jahrhunderts, schließlich hatte
er eine besondere Vorliebe für Primitive,
Italiener wie Niederländer. Nachdem ersieh
vor etwa zwölf Jahren zum Bau eines eigenen
Hauses, das vor allem zur günstigsten Auf-
stellung seiner Kunstwerke bestimmt war, ent-
schlossen hatte, sah er sich nach Ausstattungs-
stücken dafür um. Die herrlichen Gobelin-
folgen von Boucher und Coypel, die jetzt Ge-
sellschaftsräume und Eßzimmer schmücken, hat
er gleich damals (um einen Spottpreis) er-
worben, und fast gleichzeitig erstand er in
Florenz die schönen Ausstattungsstücke für
den Raum der primitiven Bilder. Im Jahre
1902 wurde der Bau von ihm bezogen;
schwere Krankheit, der er Anfang Februar
1905 erlag, hat den einsam in der Welt Stehen-
den in den wenigen Jahren, die ihm noch be-
schieden waren, die mit größtem Geschmack
aufgestellten Schätze nur halb genießen
lassen.

Was würde mit seiner Sammlung geschehen?
Dies war, seitdem er leidend war, seine täg-
liche Sorge, über die er nicht zur Entschei-
dung kommen konnte. Erst wenige Tage vor
seinem Tode entschloß er sich, seinen Willen
darüberseinemTestament hinzufügen zu lassen.
Er hat seinem Notar mit schwacher Stimme
seine Absichten mitgeteilt und dieser versprach
ihm, die Niederschrift zur Unterzeichnung
vorzulegen, wenn er sich wieder etwas er-
holt hätte. Drei Tage darauf starb Kann,
ohne daß der Notar sich wieder zu ihm be-
geben hatte, so daß ein altes Testament, das
die Geschwister zu Erben des ganzen Ver-
mögens einsetzte, auch für die Sammlungen in
Kraft trat. Was hat der Sterbende dem Notar
damals anvertraut? Diese, heute freilich mü-
ßige Frage, hätte auch der Notar nicht ver-
raten können, denn wenige Tage nach dem
Testator hat auch ihn der Tod ereilt! Das
was jetzt mit der Sammlung geschieht, war
aber gerade das, was der verstorbene Besitzer
hatte verhüten wollen: der Zug nach dem
Westen, der auch die alten Kunstwerke er-
griffen hat, war ihm ein besonderer Kummer.
Da er für niemand zu sorgen hatte und
obendrein ein sehr großes Barvermögen hinter-
ließ, war sein Plan, wie er ihn gelegentlich
Näherstehenden andeutete, seine Sammlung
der Oeffentlichkeit zugute kommen zu lassen.
Aber wem? Deutschland? Den Berliner Mu-
seen, deren Direktoren ihm besonders be-
hilflich gewesen waren? Oder Frankfurt,
seiner Heimatstadt? Oder Paris, seiner neuen
Heimat? Die Pariser Bekannten nehmen an,
daß er, ähnlich wie Lady Wallace für London,
das Haus mit der Sammlung der Stadt Paris

als Musee Rodolphe Kann vermachen wollte.
Dies ist mir aber nicht wahrscheinlich, da er
noch kurz vor seinem Tode mit mir über
einen ähnlichen Plan, den damals Alfred Beit
mit seinem Haus und Sammlungen in London
in Erwägung zog, sehr abfällig sprach: solche
Privatsammlungen verlören sich in einer
Riesenstadt, wie selbst die köstliche Sammlung
Dutuit im Petit Palais der Stadt Paris be-
weise, in deren Räumen man fast nie einen
Menschen sähe, während in dem Nachbar-
palais der großen Kunstausstellung sich Zehn-
tausende täglich drängten. Das Wahrschein-
lichste ist, daß sein letzter Wille dahinging,
daß der Louvredie Primitiven und Franzosen,
die Berliner Galerie die Holländer und meisten
Flamen und das Städelmuseum in Frankfurt
namentlich die Engländer und späteren Italiener
bekommen sollte. Doch das sind Kümmernisse,
die nur die leidtragenden Museen betreffen;
der tertius gaudens ist in diesem Falle — wie
heutzutage so oft — Amerika! Zunächst noch
nicht die öffentlichen Sammlungen, da der ge-
plante Ankauf des Ganzen durch das Metro-
politan-Museum schließlich nicht zustande
kam. Die Käufer fast aller hervorragenden
Bilder sind, wie wir hören, Pierpont Morgan
und Mr. Altman in New York, daneben Mrs.
Huntington, Mr. Widener u. a. In Amerika
ist aber der öffentliche Sinn so groß, daß der
Kunstbesitz vom Sammler häufiger an die
Museen als an die Erben übergeht!

Wie wir hören, haben die Käufer den glück-
lichen Gedanken, die Sammlung noch mehrere
Monate im Palais der Avenue d'Jena bei-
sammen zu lassen, um den Kunstfreunden
den Genuß der Besichtigung dieser so wenig
bekannten, einzigen Sammlung vor ihrer Zer-
streuung noch zu verschaffen. Hoffentlich
wird von dieser Gelegenheit auch von Deutsch-
land aus recht ausgiebiger Gebrauch gemacht.
Wir geben daher einen ganz kurzen Ueber-
blick über die Schätze, die hier jetzt noch
beisammen sind.

Ihren großen Namen verdankt die Samm-
lung vor allem der Fülle von Gemälden Rem-
brandts. Sie enthielt ihrer nicht weniger als
13, von denen das sympathische Frauenbildnis,
vielleicht die Gemahlin von Rembrandts Sohn
Titus, als Legat an den als Sammler nicht
weniger eifrigen und ähnlich glücklichen
Moritz Kann, den jüngst gleichfalls verstor-
benen älteren Bruder von Rudolf überge-
gangen ist. Alle diese Bilder, mit Ausnahme
eines ganz kleinen, sehr geistreichen Greisen-
kopfes vom Jahre 1643, gehören der späteren
Zeit des Meisters an, fast alle der zweiten
Hälfte der fünfziger Jahre, der Zeit, die jetzt

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