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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Erinnerungen von Wilhelm Trübner
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Von Ausstellungen und Sammlungen - Neue Denkmäler und Brunnen - Personal- u. Atelier-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0108

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-s-^> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN

einmal in unserem Atelier. Er liebte es, seine An-
sichten und Grundsätze im persönlichen Umgang auf
Spaziergängen und im Wirtshaus darzulegen.

Leibi, dem in jener Zeit nichts kühn und an-
strengend genug sein konnte und für den es über-
haupt keinerlei Schwierigkeiten gab bei allem, was
ihn interessierte, überraschte uns oft mit seinen un-
erwartet gefaßten Beschlüssen, die gewöhnlich weit
über unser gewohntes Tun hinausgingen. Bald wollte
er nachts 11 Uhr mit uns über den See rudern, um
auf der anderen Seite noch eine Maß zu trinken,
bald wollte er über den ganzen Starnberger See oder
quer über die reißende Isar schwimmen. Bei einem
solchen Ausflug nach Pullach bei München ereignete
es sich, daß Leibi und sein Kreis, nachdem die Isar
glücklich durchschwömmen war, die Stelle des dies-
seitigen Ufers, wo die Kleider lagen, nur wieder er-
reichen konnten, wenn sie, der starken Strömung
wegen, eine halbe Stunde flußabwärts anlandeten.
Leibi und der ganze Troß in Adamskostüm mußte
daher an all den lachenden Ausflüglern und an all
den über und über errötenden Ausflüglerinnen im
Laufschritt vorbeidefilieren, um wieder zu der so not-
wendigen Garderobe zu gelangen.

In dieser Zeit (funi 1872) lud mich Hans Thoma
ein, in seinem Atelier zu arbeiten, von welch freund-
schaftlichem Anerbieten ich gern Gebrauch machte.
Die Eindrücke, die ich in Thomas Atelier empfing,
waren maßgebend für meine spätere Tätigkeit als
Landschaftsmaler. Auf diesem Gebiete habe ich ihm
ebensoviel zu verdanken wie Canon und Leibi auf
dem des figürlichen Faches. So waren mir gleich zu
Anfang meiner Künstlerlaufbahn die vier größten
Könner des fahrhunderts: Feuerbach, Canon, Leibi
und Thoma zu Führern und Leitsternen geworden.

Beinahe unfaßbar erschien es mir, daß diese
Meister, welche damals schon auf der vollen Höhe
ihrer Leistungsfähigkeit standen und deren künst-
lerische Ueberlegenheit allen Fachleuten offenkundig
war, trotzdem der gebührenden Anerkennung ent-
behrten. Die künstlerische Ueberlegenheit wurde eben
unter den Fachleuten nur unter strengster Diskretion
bemerkt und offiziell jubelte alles den die Laien be-
geisternden Modegrößen zu. In Zeiten aber, wo die
künstlerische Mittelmäßigkeit auf den Schild erhoben
wird, bleibt für die Nation der Segen einer großen
Kunstentfaltung ausgeschlossen, weil in solchen Zeiten
den zahllosen kleinen Talenten die Führung des Genies
fehlt. Die großen Talente dokumentieren wohl einer
späteren einsichtsvolleren Zeit durch die von ihnen
geschaffenen Kunstwerke ihre hohe Begabung, aber
eine Monumentalkunst im höheren Sinn kann sich
nicht entwickeln, weil zu deren Ausübung große Auf-
träge an die großen Meister und das Zusammen-
wirken aller Talente, also auch der kleinsten, unter
der Oberleitung des größten Talentes notwendig ist.
Wird nun der Unfähigkeit diese einflußreiche Stellung
eingeräumt, so wird eben nichts im großen Stil er-
reicht, genau wie dies auch im politischen Leben der
Fall wäre, wenn man es den Mannschaften allein
überließe, sich ihren Generalissimus selbst auszu-
wählen: auch in dem Falle würde sich alles unbe-
dingt auf einen Feldwebel oder einen Wachtmeister
einigen.

Im Sommer 1876 wurde in München eine große
Kunstausstellung im Glaspalast abgehalten, wo ich
mein großes Schuchporträt ausstellen wollte, das
aber von der Ausstellungskommission nicht akzeptiert
wurde, woraus ich die Lehre zu ziehen hatte, daß
ich immer noch nicht leistungsfähig genug sei. Nach-
dem dasselbe Bild aber 30 Jahre später von der Natio-
nalgalerie in Berlin angekauft worden ist und bei
derjahrhundertausstellungdaselbst anhervorragender
\

Stelle hervorgehoben wurde, stellt sich jene Hand-
lungsweise doch als eine rechte Erbärmlichkeit von-
seiten der Konkurrenz heraus. Dieselbe Sorte Kollegen,
die einen in dem ersten Vorwärtsdrängen durch Nicht-
anerkennung irre zu machen und zu schädigen suchen,
bemühen sich, dasselbe Ziel später dadurch zu er-
reichen, daß sie die spätere Tätigkeit auch als minder-
wertig erklären, dagegen mit einemmal als hervor-
ragend die erste Periode bezeichnen, um die unter-
dessen trotz eifrigster Bekämpfung eingetretenen Er-
folge wenigstens auf ein möglichst kleines Gebiet ein-
zuengen.

1879 reiste ich zur Pariser Weltausstellung auf
sechs Tage. Ich erhielt den Eindruck, daß uns wohl
die Franzosen vorangehen in der Geschmacksrichtung
und daher auch uns den Weg angeben, den wir nachher
wandeln sollen, daß wir Deutsche aber gründlicher und
besser das ausbilden, was die Franzosen zuerst an-
gestrebt haben. Auch in der gotischen Zeit ist die
künstlerische Entwicklung in dieser Weise vor sich
gegangen. Der gotische Stil hat sich in Frankreich
entwickelt und hat sich in Deutschland und den an-
grenzenden Ländern bis zur höchsten Vervollkomm-
nung ausgebildet, wenn man Veit Stoß, Albrecht Dürer
und Holbein als die bedeutendsten Schlußsteine der
gotischen Zeit betrachtet.

VON AUSSTELLUNGEN

UND SAMMLUNGEN

t>ERLIN. Die seit langem angekündigte und mit
Spannung erwartete Ausstellung der englischen
Sektion von >The International Society of Sculptors,
Painters and Gravers^, die die Säle des Kunstsalons
von Eduard Schulte füllt, ist leider eine schmerzliche
Enttäuschung geworden. Es stimmt geradezu traurig,
so wenig Ursprünglichkeit zu sehen. Das Ganze
macht einen fast historischen Eindruck; — Gains-
borough's gibt's da — in Komposition, Farbenstim-
mung und Zutaten. — Reynold's Landschaftsku-
lissen — bei ihm nur unwesentliche Hintergründe —
werden zu selbständigen, mit voller Prätension auf-
tretenden Landschaften. Auch Constable begrüßt
man und daneben steigen starke Erinnerungen an
die Schule von Barbizon in einem auf; — aber nichts,
was kennzeichnend wäre für eine spezifisch moderne
englische Landschaftsauffassung. Leider zeigt sich
auch Walter Crane hier so kraftlos, daß es einen
jammern kann ob des Rückganges seiner einst so
frischen Kunst. Ein anderer Postpräraffaelit hat uns
eine ganz Burne-Joneske Darstellung von »Pelleas
und Melisande* beschert.

Nun die Lichtblicke der Ausstellung: Von Mc
Neill Whistler (f 1903) zwei kleine Landschaften;
delikat wie immer, wenn auch nicht zum Besten ge-
hörend, geben sie zwei wunderbar duftige, graugrün-
blaue Wasserflächen in abendlich unsicherem Dunst.
John Lavery überrascht durch eine ganz aktuelle
Landschaft Tanger- ; zwei Porträts zeigen ihn zwar
nicht in seiner ganzen Bedeutung, stehen aber doch
haushoch über dem Durchschnitt. Außer ihm seien
nur noch erwähnt Harrington Mann, der ein in
Ton und delikater Färbung gutes Porträt eines jungen
Mädchens geschickt hat, und William Nicholson
mit zwei gut und charakteristisch erfaßten weiblichen
Porträts.

Nun zu den >Sculptors<, die im Titel der Society
an erster Stelle rangieren. Diese Plastik steht fast
vollkommen im Banne Meuniers, aber: dies ^Bronze-
kneten= ist Modesache, kein Ausfluß eines inneren

Die Kunst für Alle XXIII.

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