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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Schmidt, Robert: Die zweite Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0197

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DIE ZWEITE AUSSTELLUNG DER KGL. AKADEMIE DER KÜNSTE ZU BERLIN

wobei der hellbeleuchtete Schnee bläuliche
Reflexe auf das rote Gesicht wirft (Abb. S. 183).

Karl Bantzer hat außer einem riesenhaft
wirkenden „Erntearbeiter" eine Gruppe hessi-
scher Bauern im ernsten Sonntagshabit ge-
schickt ; fein durchgebildete Köpfe von scharfer
Charakteristik (Abb. S. 173).

Ein aus dem Jahre 1896 stammendes Bild-
chen von L. Dettaiann : ein in einem gewal-
tigen Sopha verlorenes Kind mit der Rücken-
figur der Mutter davor zeigt unsere Abb.
S. 180; ein anderes, ganz neues, von goldi-
gem Helldunkel durchwobenes Bild hat eine
von Hans Thoma herüberklingende Gefühls-
note neu angeschlagen (Abb. S. 185).

Gotth. Kuehl zeigt sich, wie immer, als
feiner Kolorist und Leistikow stellt neben
einer saftigen Flußlandschaft einen kleinen
Hafen mit Lotsenbooten aus: der Vordergrund
schwer und in kalten Tönen gehalten, wäh-
rend dahinter der sonnige Strich eines weiten
Flusses mit blendenden Segeln und einem
einzigen warmen Rot im Rumpf eines Schiffes
herüberleuchtet (Abb. S. 183).

Stuck hat das alte Thema der Kreuzigung
neu zu formen versucht (Abb. S. 179). Eine
grausige Szene ist daraus geworden. Schief
hängt das eine Kreuz mit dem Schacher als
schwarze Masse vor dem roten Himmel, der
wie ein blutgetränkter Vorhang sich spannt.
Am linken Bildrande Christus in Profilan-
sicht; von rechts her schiebt sich eine Gruppe
von vier Personen heran, beginnend mit einem
Krieger, endigend mit der Figur des Johannes,
der zusammen mit Magdalena die ohnmächtig
sinkende Mutter stützt. Nicht langanhalten-
der Schmerz ist es, sondern ein spontanes
Entsetzen, das die vier Menschen durch-
zuckt, hervorgerufen durch das plötzliche
Aufflammen eines schwefelgelben Glorien-
scheines um dem Haupte des Gekreuzigten.
Dies Gelb klingt schrill durch das Bild, das
sonst — in gut verwendeter Farbensym-
bolik — nur ein schweres Rot und ein bläu-
liches Grün in den Gewändern rechts zeigt.
Paradiesisch sonnig und leicht wirkt daneben
das Nymphenbad von Ludwig von Hofmann
(Abb. S. 175).

Mit der Wahl der zur Ausstellung aufge-
forderten Bildhauer kann man wohl zufrieden
sein. Obenan steht Ignatius Taschner; sein
köstlicher, humorvoller Wanderer zeugt ebenso
von seinem Können und Stilgefühl wie seine
kleine Schiller-Statue, die ungemein energisch
und schlicht aufgefaßt ist. An der Kinder-
büste von Josef Flossmann tritt eine fabel-
haft weiche Behandlung des Fleisches her-
vor, die ein lebhaftes Spiel von Licht und

Schatten zeitigt. Fritz Kliaisch hat außer einer
Frauenbüste einen großen, für die Handels-
hochschule in Berlin bestimmten Merkur (Abb.
S. 171) ausgestellt; Constantin Starck eine
fein bewegte „Kranzspenderin", sowie ein ganz
in antikem Sinne aufgefaßtes, poetisch durch-
gefühltes Relief. (Abb. S. 169). Endlich über-
rascht Max Kruse durch seine Holzbüste der
Frau Dernburg und ihrer beiden Kinder (Abb.
S. 178), jedenfalls ein origineller Wurf — ob
er auch glücklich zu nennen ist, steht dahin.

Die Architekturabteilung der Ausstellung
ist nicht allzu reichlich beschickt: als Gäste
sind dazu erschienen: Prof. Christoph Hehl
mit dem durch eine interessante Grundriß-
entwicklung ausgezeichneten Entwurf für die
Pfarrkirche in Spandau, sowie dem Entwurf
für eine Kirche in Zehlendorf, der eine sehr
gut wirkende Dächergruppierung besitzt, fer-
ner Prof. A. Fischer in Stuttgart, Prof. A.
HoFAtANN in Darmstadt, sowie Prof. Otto
March, dessen erfindungsreicher Entwurf für
das Stadion auf dem Rennplatz Grunewald
besonders interessiert.

Als Mitglieder haben ausgestellt: Stadt-
baurat L. Hoffaiann Ansichten des pracht-
voll malerischen Neubaues für das Märki-
sche Museum in Berlin; Joh. Otzen mehrere
Entwürfe für die evangelische Zentralkirche
in Mannheim und endlich Baurat Franz
Schwechten Ansichten und Modelle von Köl-
ner Brücken.

Es würde zu weit führen, Stück für Stück
die Ausstellung durchzusprechen, zumal die
Objekte nicht immer nur Neues bieten, son-
dern teilweise vor längeren Jahren geschaffene
Werke wieder hervorgeholt sind. Die Be-
dingung, sich nur mit Schöpfungen neuesten
Datums an den jährlichen Revuen zu betei-
ligen, sollte allerdings unserer Meinung nach
von der Ausstellungsleitung gestellt werden;
wir wünschen keine Rückblicke, sondern Aus-
blicke.

Gaul's Meisterschaft in der Tierplastik tritt
bei der prachtvoll modellierten Fischotter
(Abb. S. 176) wieder zutage; großflächig und
ruhig, wie ein ins Monumentale übersetztes
Werk von Gaul, ohne aber dessen strenge
Konzentration der Massen beizubehalten, be-
herrscht der gewaltige Hirsch von Tuaillon
(Abb. S. 170) einen der großen Säle.

Von Otto Lessing sehen wir einen stark,
aber unruhig bewegten Bogenschützen vom
Jahre 1893 (Abb. S. 188) und daneben einen
neu geschaffenen sitzenden Adam, der eben-
falls nur ein mit starken Kontraposten ar-
beitendes Bewegungsmotiv darstellt, und seine
Vorbilder in den michelangelesken Propheten

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