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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Die Pilghein-Ausstellung im Münchener Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0341

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DIE PIGLHEIN-AUSSTELLUNG IM MÜNCHNER KUNSTVEREIN

für den großen Zug und den Umfang dieses Talentes
— vielleicht auch ein leises Gefühl von Beschä-
mung darüber, daß man in den letzten zehn Jahren
immer weniger an Bruno Piglhein gedacht hat. Er
ist 1894 gestorben, also noch nicht lange genug tot,
um wieder entdeckt zu werden und schon zu lange
begraben, um mit der schnellebigen Jetztzeit noch
in unmittelbarem Berührungskontakt zu stehen. So
kommt die schöne Ausstellung eben zur rechten
Stunde. Wie mächtig spricht uns wieder das gran-
diose »Moritur in deo« an! Nicht nur durch den
kühnen Wurf der Komposition, auch durch die innere
Glut der Malerei, einer Malerei, die so gut ist, trotz
des vielen Schwarz und Braun in den Tiefen ! Die
Unterweltsbeleuchtung der Szene, dieses ganze Ge-
wölk in seiner düsteren Sonnenfinsternisstimmung
ist mit hoher Meisterschaft gegeben. Und im Schwung
der Linien herrscht eine wahrhaft ekstatische Leiden-
schaftlichkeit. Ein wenig kühler mutet heute »Die
Blinde« an. Die stille Schönheit der Figur leidet
unter der etwas lauten Sensation ihrer glutroten
Umgebung. Man muß den Blick förmlich gewalt-
sam auf die schreitende blinde Frau konzentrieren
und das Mohnfeld ringsherum vergessen, will man
inne werden, wie schön jene gemalt; wie wahr das
Spiel der heißen Abendsonne auf dem blauen Ge-
wände und den Fleischpartien zum Ausdruck ge-
bracht ist. Die »Grablegung« aus der Pinakothek
wirkt dagegen noch in ihrer vollen Größe — ein Werk,
das eigentlich so gar nicht in eine Galerie paßt,
sondern in den stillen, feierlichen Raum einer Kirche

gehörte, wo keine fremden Töne die friedevolle Ruhe
dieser Darstellung störten. Von frühen Oelbildern
Piglheins ist u. a. zu sehen: ein heiteres Strand-
idyll mit badenden Kindern und Frauen, das be-
rühmte zärtliche Kentaurenpaar am stürmischen
Meer, eine unvollendete Szene mit Kentauren, Männ-
lein und Weiblein im seichten Wasser des Meeres-
ufers. Ein frühes Selbstbildnis schildert den jungen
Künstler mit seinem Hund in noch »altmünch-
nerisch« schwarzer und asphaltreicher Malerei, ein
Frauenbildnis etwa aus derselben Zeit ist von gleicher
Art und ist wie jenes innerhalb dieser bescheidenen
dunklen Farbenskala doch voll und schön in Kolorit.
Von imponierender Verve ist die kühne Tigerstudie,
ist das Löwenkonterfei, ist auch das Bild der weißen
Bulldogge. Den charmanten »Boxel i mit den Damen-
schühchen haben wir erst jüngst in der Diezschüler-
ausstellung gesehen. Nicht ganz so interessant wirkt
das zahmer gemalte Familienporträt von braunen
Hühnerhunden. Eine große »Flucht nach Aegypten«,
ohne Gewaltsamkeit sehr eigenartig aufgefaßt und
von wunderbar verklärter Schönheit der landschaft-
lichen Stimmung blieb leider unvollendet. Die ele-
ganten Bildnisse von des Künstlers Gattin sind be-
kannt. Zum anziehendsten und zu dem, was Pigl-
heins Können und großzügiges Wesen am deut-
lichsten ausspricht, gehören die beiden Bilder mit
dem nackten Knaben, das dunklere, skizzenhaftere,
wie das frischer und heller gehaltene mit dem licht-
blauen Seidenkissen, das den Einfluß von Piglheins
»Pastellepoche« in seiner Farbe verrät. Es steckt

FERDYNANDRUSZCZYC

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GROSSMUTTERS STUBE
 
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