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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Grisebach, August: Die Ausstellung englischer Kunst in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0349

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joshua reynolds georgina, herzogin von devon shire

Im Besitze des Herzogs von Devonshtre, Chatsworth

DIE AUSSTELLUNG ENGLISCHER KUNST IN BERLIN

Von August Grisebach

Weshalb hat diese Ausstellung einen so un-
erhörten Erfolg gehabt? Warum war der
Andrang so groß, daß die Menschen auf dem
Pariser Platz Queue standen, um schubweise
hineinbefördert zu werden? Eine geschickte
Reklame beleuchtete die sensationelle Gelegen-
heit, weltberühmte Bilder aus dem feudalen
England zu sehen, die bis jetzt selbst dort
nur von Auserwählten betrachtet werden
konnten. Es trat eine Massensuggestion ein, wie
sie Kunst sonst gewöhnlich heutzutage nicht aus-
zuüben vermag. Der Erfolghatauch noch tiefere
Gründe: Es lag im Charakter der Ausstellung,
sie zu einem gesellschaftlichen Ereignis ersten
Ranges zu stempeln. Ein paar Landschaften
ausgenommen, gab es lediglich Porträts, keine
revolutionären Themen, keinen das Gemüt
erregenden Stoff. Man bewegte sich unter
vornehmen, gut angezogenen, schönen Men-
schen, in einem höchst anständigen Milieu.
Eine passendere Atmosphäre, um die Zeit
zwischen Lunch und Dinner auszufüllen, konnte

man sich nicht denken. Man setzte hier die
Freuden mondäner Geselligkeit fort, bewun-
derte „entzückende" Toiletten, verliebte sich
in charmante süße Gesichter. Was war eigent-
lich reizvoller, die Darstellungsweise oder die
Dargestellten? Andere, künstlerische Pro-
bleme gab es hier nicht zu lösen. Und vor
dieser Malerei fühlte man sich noch weniger
Laie als sonst. Im Salon liebt man keine
grüblerischen Fragen. Gewiß hätte eine Rem-
brandt-Ausstellung nicht den Widerhall ge-
funden.

Die unbestreitbare Bedeutung der Aus-
stellung lag darin, daß sie zum ersten Male
auf dem Kontinent einen unmittelbaren Ein-
druck von der einheitlichen, geschlossenen
Kultur der englischen Gesellschaft in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ver-
mittelte. So wie sie hier vor uns trat, wollte
sie erscheinen. Die von ihr bevorzugten
Künstler mußten sich der Potenz dieses Ge-
sellschaftswillens beugen. Reiche Entwick-

Die Kunst für Alle XXHI. 14 15 April 1908

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