DOI Artikel:
Schmidt, Robert: Die fünfzehnte Ausstellung der Berliner Secession
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0451
DIE FÜNFZEHNTE AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION
ULRICH HÜB N ER HOLSTEINISCHER HAFEN
Ausstellung der Berliner Secession
gegenüber, die sich in diesem Manne ver- edlen Wettstreit um die künstlerische Origi-
körperte und von Jahr zu Jahr wuchs mit nalität hat diesmal wohl van Dongen mit
zunehmender technischer Meisterschaft. Auf einem Stilleben den Vogel abgeschossen. Ich
der anderen Seite sind es Modernste, Ultra- muß darauf verzichten, dies sogenannte Bild
radikale, die die Secessionisten als gleich- hier zu analysieren und hoffe nur, daß man
strebende Genossen proklamieren. Eine ganze mit seiner Aufnahme einer Höflichkeitspflicht
Gruppe dieser meist in Paris lebenden Künstler genügen oder sich einen schlechten Witz er-
zeigt unverkennbar ihren Anschluß an van lauben wollte. Beides ist jedoch bei einer
Gogh; was jedoch bei diesem der Ausfluß öffentlichen Ausstellung, die ernst genommen
einer genial aber krankhaft empfindenden sein will, nicht angebracht. Im Vorwort des
Seele war und als konsequente Eigenart Be- Katalogs wird bedauernd von der „heutigen
rechtigung hatte, das wird nun verwässert, Zeit der Kompromisse" gesprochen: wahr-
von Epigonen als wegweisendes künstlerisches haftig, der Beweis ist gegeben, indem Leibi
Ideal hingestellt. Natürlich kopiert man nicht, und van Dongen unter einem Dach als gleich-
das hieße ja die Originalität aufgeben — um berechtigt vorgeführt werden! Wie ist nun
Gottes willen! Denn gerade das Originelle, das Verhältnis der Secession zu ihren Gästen?
Extravagante ist es, was so fabelhaft impo- Sie pendelt hin und her zwischen diesen
niert, daß man den Berechtigungsschein zur beiden Gegenpolen, neigt aber mit größerem
Unsterblichkeit nur noch durch raffiniert ver- Gewicht unbedingt auf die Seite des Jungen,
drehte, in ihrem Widersinn verblüffende Eigentlich konnte der Secession kein
Seitensprünge zu erlangen glaubt. „Wer am schlechterer Dienst geleistet werden, als die
meisten saufen kann, ist König", heißt es in Einrichtung des Leibisaales, denn diese reifen
dem schönen Liede vom Bierstaat. Bei dem Werke eines reifen Künstlers sind eine so
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ULRICH HÜB N ER HOLSTEINISCHER HAFEN
Ausstellung der Berliner Secession
gegenüber, die sich in diesem Manne ver- edlen Wettstreit um die künstlerische Origi-
körperte und von Jahr zu Jahr wuchs mit nalität hat diesmal wohl van Dongen mit
zunehmender technischer Meisterschaft. Auf einem Stilleben den Vogel abgeschossen. Ich
der anderen Seite sind es Modernste, Ultra- muß darauf verzichten, dies sogenannte Bild
radikale, die die Secessionisten als gleich- hier zu analysieren und hoffe nur, daß man
strebende Genossen proklamieren. Eine ganze mit seiner Aufnahme einer Höflichkeitspflicht
Gruppe dieser meist in Paris lebenden Künstler genügen oder sich einen schlechten Witz er-
zeigt unverkennbar ihren Anschluß an van lauben wollte. Beides ist jedoch bei einer
Gogh; was jedoch bei diesem der Ausfluß öffentlichen Ausstellung, die ernst genommen
einer genial aber krankhaft empfindenden sein will, nicht angebracht. Im Vorwort des
Seele war und als konsequente Eigenart Be- Katalogs wird bedauernd von der „heutigen
rechtigung hatte, das wird nun verwässert, Zeit der Kompromisse" gesprochen: wahr-
von Epigonen als wegweisendes künstlerisches haftig, der Beweis ist gegeben, indem Leibi
Ideal hingestellt. Natürlich kopiert man nicht, und van Dongen unter einem Dach als gleich-
das hieße ja die Originalität aufgeben — um berechtigt vorgeführt werden! Wie ist nun
Gottes willen! Denn gerade das Originelle, das Verhältnis der Secession zu ihren Gästen?
Extravagante ist es, was so fabelhaft impo- Sie pendelt hin und her zwischen diesen
niert, daß man den Berechtigungsschein zur beiden Gegenpolen, neigt aber mit größerem
Unsterblichkeit nur noch durch raffiniert ver- Gewicht unbedingt auf die Seite des Jungen,
drehte, in ihrem Widersinn verblüffende Eigentlich konnte der Secession kein
Seitensprünge zu erlangen glaubt. „Wer am schlechterer Dienst geleistet werden, als die
meisten saufen kann, ist König", heißt es in Einrichtung des Leibisaales, denn diese reifen
dem schönen Liede vom Bierstaat. Bei dem Werke eines reifen Künstlers sind eine so
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