LOVIS CORINTH
SELBSTBILDNIS (1907)
LOVIS CORINTH
ZU SEINEM FÜNFZIGSTEN GEBURTSTAGE
Von Fritz Rumpf
Es ist eine schöne, man kann sagen eine
menschliche Neuerung, daß man für die
eingehende Würdigung des Schaffens eines
Künstlers nicht erst die Zeit abwartet, bis
er ein Greis geworden ist, von dem keine
Ueberraschungen mehr zu erwarten sind, oder
gar bis er die Augen für immer geschlossen
hat. Der Eintritt in das kräftigste Mannesalter,
in das fünfzigste Lebensjahr, bei manchen wohl
schon ein früherer Zeitpunkt, bietet heute will-
kommenen Anlaß, einen Lebendigen der Mit-
welt näher zu bringen.
EinWagnisbleibt eine frühzeitige Beurteilung
freilich in den meisten Fällen. Künstler sind
beeinflußbar, die besten oft nicht am wenigsten.
Ihr Beurteiler ist es auch. Kommen in Kunst-
werken die Zeitströmungen besonders stark
zur Geltung, die gleichen, denen auch der Be-
schauer unterworfen ist, so kann dieser kaum
unbefangen bemessen, welchen Anteil an seinem
Urteil die Eigenart des Künstlers hat und wel-
chen der Bann des Tages, dem er sich noch
nicht entziehen kann. Außerdem ist es schon
bei Durchschnittsmenschen keine Seltenheit,
Die Kunst für Alle XXIII. 21. 1. August 1903.
4SI
61
SELBSTBILDNIS (1907)
LOVIS CORINTH
ZU SEINEM FÜNFZIGSTEN GEBURTSTAGE
Von Fritz Rumpf
Es ist eine schöne, man kann sagen eine
menschliche Neuerung, daß man für die
eingehende Würdigung des Schaffens eines
Künstlers nicht erst die Zeit abwartet, bis
er ein Greis geworden ist, von dem keine
Ueberraschungen mehr zu erwarten sind, oder
gar bis er die Augen für immer geschlossen
hat. Der Eintritt in das kräftigste Mannesalter,
in das fünfzigste Lebensjahr, bei manchen wohl
schon ein früherer Zeitpunkt, bietet heute will-
kommenen Anlaß, einen Lebendigen der Mit-
welt näher zu bringen.
EinWagnisbleibt eine frühzeitige Beurteilung
freilich in den meisten Fällen. Künstler sind
beeinflußbar, die besten oft nicht am wenigsten.
Ihr Beurteiler ist es auch. Kommen in Kunst-
werken die Zeitströmungen besonders stark
zur Geltung, die gleichen, denen auch der Be-
schauer unterworfen ist, so kann dieser kaum
unbefangen bemessen, welchen Anteil an seinem
Urteil die Eigenart des Künstlers hat und wel-
chen der Bann des Tages, dem er sich noch
nicht entziehen kann. Außerdem ist es schon
bei Durchschnittsmenschen keine Seltenheit,
Die Kunst für Alle XXIII. 21. 1. August 1903.
4SI
61