DIE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER MÜNCHNER SECESSION
ludwig herterich dekorativer entwurf zu einem plafond
Sommerausstellung der Münchner Secession
kulieren zumeist auf menschliche Empfindun- mach lernt man die hauptsächlich in derTechnik
gen, die nicht immer rein ästhetisch sind. beruhenden Vorzüge der Bermannschen Arbeit
Manche wollen in Rodins Torso eines Schrei- schätzen. Ein bisher weniger genannter Pla-
tenden den „Clou" unserer Ausstellung sehen, stiker ist Bernhard Hoetger, der in West-
Dieser Anschauung bin ich nicht. Denn ge- falen lebt. Seine beiden Bronzen sind von
rade diese vorzügliche Arbeit des Franzosen tiefer Eindrucksfähigkeit. Der raffiniert schöne
will nicht überraschen, sondern überzeugen. weibliche Torso (Abb. S. 513) klingt ganz leise
Es ist eine der treuesten, ehrlichsten Arbeiten angewissespäteägyptische Arbeitenan. Hoetger
Rodins. Ohne alle Geheimniskrämerei, ohne verschmäht dieses Anknüpfen an historische
Nebenabsichten, ohne symbolische Tiefsinnig- Traditionen scheinbar ebensowenig als der be-
keiten. Unter den plastischen Werken der Aus- wegliche Münchner Fritz Behn, dessen Diana-
stellung ist kaum eines, das damit konkurrieren gruppe in ihrer koketten Zierlichkeit sich jenem
kann. Und dabei ist die Plastik in diesemjahre Stile nähert, den man sehr bezeichnend den
besonders gut und besonders reich vertreten. „kurfürstlichen" genannt hat. Dagegen ist Paul
So hat man dem geschätzten Münchner Bild- Peterich, der jetzt in Florenz lebt und den
hauer Cipri Adolf Beraiann, einem fleißigen, wir schon durch eine große Kollektivausstel-
tüchtigen Porträtplastiker, einmal Gelegenheit lung in München (bei Heinemann) kennen lern-
gegeben, unseinstattlichesSegmentausseinem ten, ein Eigener durch und durch. Ihn beseelt
Werk zu zeigen. Seine Porträtbüsten nimmt ein Geist, der vielleicht am besten „germanisch"
man als selbstverständlich hin, sie sind von genannt wird, auch seine „Medea" (Abb. S. 524)
jener überzeugenden Tüchtigkeit, vor der die in schwarzem Granit — technisch übrigens
Kritik verstummt. Dagegen kann man sich eine vorzügliche Leistung — ist mehr nordisch
mit seiner großen Marmorgruppe „Erwachen aufgefaßt, als man der Bezeichnung zufolge
zum Weibe" (Abb. S. 515) erst allmählich be- erwartet. Ebenso gut könnte man die gewaltige
freunden. Man gewinnt vor dieser Gruppe zu- Gruppe „Nordische Mutter" nennen. Man kann
nächsteinenEindruck,wieihnmanchemodernen sie in der Auffassung des Problems Weib und
italienischen Grabplastiken erwecken. Erst ge- Mutter mit manchen Arbeiten Fritz Erlers, des
506
ludwig herterich dekorativer entwurf zu einem plafond
Sommerausstellung der Münchner Secession
kulieren zumeist auf menschliche Empfindun- mach lernt man die hauptsächlich in derTechnik
gen, die nicht immer rein ästhetisch sind. beruhenden Vorzüge der Bermannschen Arbeit
Manche wollen in Rodins Torso eines Schrei- schätzen. Ein bisher weniger genannter Pla-
tenden den „Clou" unserer Ausstellung sehen, stiker ist Bernhard Hoetger, der in West-
Dieser Anschauung bin ich nicht. Denn ge- falen lebt. Seine beiden Bronzen sind von
rade diese vorzügliche Arbeit des Franzosen tiefer Eindrucksfähigkeit. Der raffiniert schöne
will nicht überraschen, sondern überzeugen. weibliche Torso (Abb. S. 513) klingt ganz leise
Es ist eine der treuesten, ehrlichsten Arbeiten angewissespäteägyptische Arbeitenan. Hoetger
Rodins. Ohne alle Geheimniskrämerei, ohne verschmäht dieses Anknüpfen an historische
Nebenabsichten, ohne symbolische Tiefsinnig- Traditionen scheinbar ebensowenig als der be-
keiten. Unter den plastischen Werken der Aus- wegliche Münchner Fritz Behn, dessen Diana-
stellung ist kaum eines, das damit konkurrieren gruppe in ihrer koketten Zierlichkeit sich jenem
kann. Und dabei ist die Plastik in diesemjahre Stile nähert, den man sehr bezeichnend den
besonders gut und besonders reich vertreten. „kurfürstlichen" genannt hat. Dagegen ist Paul
So hat man dem geschätzten Münchner Bild- Peterich, der jetzt in Florenz lebt und den
hauer Cipri Adolf Beraiann, einem fleißigen, wir schon durch eine große Kollektivausstel-
tüchtigen Porträtplastiker, einmal Gelegenheit lung in München (bei Heinemann) kennen lern-
gegeben, unseinstattlichesSegmentausseinem ten, ein Eigener durch und durch. Ihn beseelt
Werk zu zeigen. Seine Porträtbüsten nimmt ein Geist, der vielleicht am besten „germanisch"
man als selbstverständlich hin, sie sind von genannt wird, auch seine „Medea" (Abb. S. 524)
jener überzeugenden Tüchtigkeit, vor der die in schwarzem Granit — technisch übrigens
Kritik verstummt. Dagegen kann man sich eine vorzügliche Leistung — ist mehr nordisch
mit seiner großen Marmorgruppe „Erwachen aufgefaßt, als man der Bezeichnung zufolge
zum Weibe" (Abb. S. 515) erst allmählich be- erwartet. Ebenso gut könnte man die gewaltige
freunden. Man gewinnt vor dieser Gruppe zu- Gruppe „Nordische Mutter" nennen. Man kann
nächsteinenEindruck,wieihnmanchemodernen sie in der Auffassung des Problems Weib und
italienischen Grabplastiken erwecken. Erst ge- Mutter mit manchen Arbeiten Fritz Erlers, des
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