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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 29.1913-1914

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Glaser, Curt: Der erste Deutsche Herbstsalon
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https://doi.org/10.11588/diglit.13092#0083

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neuesten Offenbarungen der Pariser Orphisten. eine Frau und ein vierjähriges Kind, das angeblich
Es lohnt nicht, alle Wahnsinnstaten der italieni- auch schon mittut und sein Holzpferdchen bemalt
sehen Kitschmaler aufzuzählen, die das Programm hat, das mit dem tiefsinnigen Titel „Cheval prisme
ihres Führers Marinetti illustrieren. Aber auch Soleil Lüne" vor einer Art bunter Schießscheibe
denen, die einst Severini ernst nehmen wollten, steht. Delaunay selbst, der in seinen Anfängen
werden die Augen aufgehen vor dem monströsen ein ganz braver Maler war und schon viele Häute
Porträt mit dem angeklebten Schnurrbart. Die von sich getan hat, ist nun glücklich so weit, daß
Theorie des Dichters mochte bei ihrem ersten Be- er das Malen aufgibt. Und wenn hier, wo neben
kanntwerden den oder jenen blenden, ebenso wie Schießscheiben, die Sonne und Mond heißen, auch
die Theorie des Musikers Kandinsky noch heut Sofakissen und Bucheinbände fabriziert werden,
manch einen fasziniert. Die kläglichen Segantini- kann der alte Vorwurf gegen diese Richtung, daß
schüler aber, die sie übten, konnten den Sehenden sie bestenfalls kunstgewerbliche Werte erzeuge, in
nicht einen Augenblick darüber hinwegtäuschen, keiner Weise mehr zurückgewiesen werden. Mari-
daß Intention und Ausführung nichts miteinander netti hatte wenigstens Einfälle. Das Gestammel
zu tun hatten. der Bildtitel des Delaunay entbehrt auch des Witzes,
In Picasso konnte man einen feinen Künstler und ohne die langen Katalogbemerkungen bleiben
einer eigenen Idee zum Opfer fallen sehen. Und nur mehr angestrichene Farbtafeln,
in seinen abstrusesten Formbildungen blieb immer Es nützt der Ausstellung nicht viel, daß ein paar
doch die Hand eines Malers fühlbar. Selbst gleizes Zeichnungen von kokoschka, Werke von hermann
und metzinger, die ihre großen Maschinen aus Huber und von walter Helbig sich hierher ver-
dem diesjährigen Salon des Independants geschickt irrt haben. Es kann höchstens dem guten Rufe
haben, wird man nicht alle artistischen Qualitäten dieser Maler schaden, sich inmitten so vieler barer
absprechen. Ihren klobigen russischen und deutschen Talentlosigkeiten zu zeigen. Die Ausstellung selbst
Nachbetern aber fehlt auch die letzte Beziehung aber müssen gerade die Freunde der neuen Be-
zur bildenden Kunst. Es lohnt nicht, von einzelnem wegung mit der schärfsten Entschiedenheit ablehnen,
zu reden. Es lohnt nicht, festzustellen, ob bei dem Denn nichts ist so sehr geeignet, ernste Bestrebun-
einen mehr, bei dem anderen weniger Spuren von gen und echtes Können zu schädigen, wie diese
Talent durchschimmern. Nur von der Familie Pseudomodernen, die unter künstlich erlernten Ge-
delaunay muß ein Wort gesagt werden, weil sie bärden ihre tiefe Armut verbergen,
gar so anspruchsvoll auftritt. Es gibt einen Mann, Glaser


c. h. schräder-velgen heisser tag
Münchner Secession im Glaspalast 1913

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