Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 29.1913-1914
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Wolf, Georg Jacob: Anselm Feuerbach und unsere Zeit
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A. FEUERBACH SELBSTBILDNIS (1854)
Im Besitze der Galerie Caspari, Manchen
ANSELM FEUERBACH UND UNSERE ZEIT
Von Georg Jacob Wolf
A nselm Feuerbach schrieb einmal an seine likateren Stücke, schuf er nur so „nebenbei",
/^Mutter: „Glaube mir, nach fünfzig Jahren zum Ausruhen gewissermaßen, oder um in den
werden meine Bilder Zungen bekommen und Pausen, die den großen Werken notwendiger-
sagen, was ich war und was ich wollte" . . . weise folgten, seine Hand gelenkig, sein
Die Zeit von fünfzig Jahren ist, seit diese Auge frisch und seine Palette lebendig zu
Worte niedergeschrieben wurden, verflossen, erhalten, soferne es sich nicht, wie bei seinen
und die Bilder Feuerbachs haben inzwischen Landschaften, überhaupt nur um Studienmate-
in der Tat ganz merkwürdig zu reden begon- rial handelte. Im Gegensatz zu Feuerbach
nen: Feuerbachs Stunde ist gekommen. End- findet unsere Zeit gerade diese Arbeiten be-
gültig freilich erst, seitdem die Jahrhundert- sonders reizvoll. Aus „Bildern" im Sinne
Ausstellung in Berlin 1906 den „intimen strenger, geschlossener Komposition, ausgemalt
Feuerbach" in einigen auserlesen schönen Wer- bis ins letzte Eckchen und darum mit unver-
ken kennen lehrte, stehen auch jene zu ihm, wischtem Schweiß und mit mancher toten,
die es nicht zu seinen großen Historien, Mytho- künstlerisch interesselosen Stelle behaftet,
logien, Allegorien und Titanenstürzen ziehen machen wir uns nicht mehr so viel wie die
konnte, weil ihnen Intimität das Erste und das Generation vor uns: eine gut gemalte Studie,
Letzte der Malerei ist. Ich weiß allerdings eine reizvolle Skizze mit dem Zauber des Un-
nicht, ob Feuerbach selbst an dieser Klasse mittelbaren, Frischen, aus Natur und Stim-
von Verehrern seine Freude hätte. Ihm schie- mung Herausgerissenen, das das Motiv noch
nen vor allem seine monumental gedachten Bil- in seiner Ursprünglichkeit erkennen läßt, ist
der die Hauptsache und das Wertvollste seiner uns unzählige Male lieber und wertvoller. So
Kunst, ihnen galt seine Liebe, sein Kampf, sein habe ich z. B. auch bei Feuerbach viel höheren
Können. Die kleineren, malerisch ungleich de- ästhetischen Genuß an den ersten Entwürfen
Die Kunst iut AUe XXIX. i=. 15. Marz 1914
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