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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 29.1913-1914

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Winkler, Friedrich: Die Munch-Ausstellung in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.13092#0413

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— und meist auch im Sujet — ist diesen Bildern der Häuserfassaden zum Ausdruck zu bringen, l
gemeinsam. Doch kündet sich in dem „Spielsaal" wie leblos ist im einzelnen dieser durch die Straße r,
und dem wohl ebenfalls frühen „Liebespaar am sich schwingende Menschenzug. Der veredelnde f
Fenster" deutlich an, daß dem Alaler noch ganz Einfluß, den die französische Koloristik auf ihn >
andere Dinge am Herzen liegen als der Reiz der ausgeübt hat, offenbart sich in den in zarten Farben l
Farbe, das Erfassen momentaner Gesten oder die schimmernden Stimmungsbildern mit den Gruppen t
Rhythmisierung des Bildes. Selbst ein so stark von Mädchen am Strande, unter schlanken Bäumen, C
an Straßenbilder des Manet-Degas - Kreises er- deren Zweige in leisen Rhythmen die Liebenden (
innerndes Werk wie die „Musik auf der Straße" von und die stillen Frauengruppen begleiten. Dämme- f
1889 ist ein überzeugender Beleg dafür, wie wenig rung und Nebeldunst dämpfen den strahlenden Glanz (
Münchs stark ausgeprägte Persönlichkeit sich dieser der Farbe. t
ihr wesensfremden Malerei anschließen konnte. Diese reizvollen Improvisationen sind nur eine )
Farbe und Form des Bildausschnittes sind fremdes Episode im Leben Münchs. Im allgemeinen sind »
Gut, aber wie erstaunlich schlicht und bestimmt seine Landschaften und Stimmungsbilder farbig )
ist das Bild durch die Figuren am Rande einge- kontrastreicher, von unmittelbarster Ueberzeugungs- Jj
faßt, wie gering ist das Bemühen, das Malerische kraft in der Wiedergabe des Typischen, der Tau- y
wetter- oder Winterlandschaft. Oft stilisiert (
er sie mit großer Kühnheit, die Linien von f
Büschen, Bäumen, Häusern streben wie in l
einem Taumel zusammen, Straßen und (
Meeresufer müssen sich den Weg in das )
Bild erkämpfen, die Natur wird zum Wider- },
hall der Aengste seiner Menschheit. Ganz l
anders geartet sind die beiden schönen Land- jj
Schäften aus der Umgebung von Lübeck, V
Schöpfungen glücklichster Stunden. Selten (
spiegeln Münchs Bilder so unmittelbar die f
unverhohlene Freude an der Natur wieder. (
Mit allen Sinnen hat er sich der bestrickend t
reichen, leuchtenden Farbigkeit norddeut- )
scher Wasserlandschaften hingegeben. 5
Um 1907 macht sich der Einfluß des I
Pointiiiismus deutlich bemerkbar. Er wird >
bei ihm aber in eine Form umgesetzt, die )
zugleich sehr an die Pastelle des Degas (
erinnert. Wie ein flimmernder Schleier ist (
die Farbe über die Bilder gebreitet, aber (
man empfindet diese Koloristik nicht als (
Träger Alunchschen Empfindens. Erst in den )
folgenden Bildern, in denen diese Technik /
aufgegeben wird, ist der Gewinn zu spüren. )
Mit größerer Entschiedenheit denn je zuvor [
werden die in reinster Frische leuchtenden I
Farben gegen einander gesetzt, die Einzel- (
färbe entfaltet einen nicht gekannten, uner- (
hörten Reichtum. Die Skizzen zum Sonnen- (
bilde des Universitätszyklus, von denen eine (
auf der Ausstellung zu sehen ist, sind der j
Gipfel dieser Entwicklung.
Zuletzt die Porträts. Die Bedeutung Münchs
läßt sich kaum besser als an der Abfolge
dieser lebensgroßen Bildnisse erweisen. Be-
reits das frühe Porträt des Dichters Hans '
Jäger in Christiania hatte jene Eigenschaf- I
ten des großen Munchschen Stils: Kühnheit |
und Selbstverständlichkeit der Komposition, |
die in den im letzten Jahrzehnt geschaffenen |
Bildnissen in ganzer Figur zu voller Reife ,
entwickelt sind. Ueber ein frühes Doppel-
bildnis und das Porträt des Doktor Koll-
mann, dessen lebendiger rassiger Kopf mit
einer bei Münch seltenen Behutsamkeit mo- 1
deliiert ist, führt die Entwicklung zu dem '
großen dekorativen Bildnis des Malers I
Schlingen. Prachtvoll ist das Bildnis des in
der denkbar einfachsten und schlagendsten
Weise charakterisierten Herrn S. Ebenso
unvergeßlich bleibt das lebensgroße Bildnis
des Herrn H. R. Auch dieses entfaltet seine
Hauptwirkung lediglich durch die Stellung
der Figur zur Bildfläche und die Anord-
/ a. v. keller studie (1914) nung der Arme. Die leichte Neigung des


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