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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 29.1913-1914

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Wolf, Georg Jacob: Die Sommerausstellung der Münchner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.13092#0538

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[ stammen und ist noch ganz auf Ton gemalt sehen, weicher, schmelzender und bewegter i
i — steht man wie gefesselt still und nimmt erscheinen (Abb. S. £00). |
| von dieser noblen Kunst, die noch gar nicht Das sind aus dem sommerlichen Blütenstrauß |
^ auf die heute herrschende Primitivität gestellt der Secession einige der merkwürdigsten und I
o ist, sondern die schönste persönliche Kul- zierreichsten Gewächse. Aber auch unter den I
| tur verkündet, die angenehmste Erinnerung bescheideneren Blumen fehlt es nicht an düfte-
mit . . . Wenn ich mich aber von Uhde reichen. Nissls zierliches Blumenstück, das wie
zu — Max Beckmann wende, so will ich ein Gruß aus Biedermeiers Zeit anspricht, und
I nicht etwa die Entwicklungslinie: Kultur— das malerisch von außerordentlicher Frische i
i Primitivität drastisch demonstrieren, und es ist (Abb. geg. S. 481), Borchardts kultivierte, ]
geschieht nicht, um Extreme der Kunst sich stille, liebenswürdige Interieurs (Abb. S. 493), |
berühren zu machen. Denn es handelt sich Groebers weich hingeschummertes Bildchen I
nicht um Werke aus Beckmanns jüngster Schaf- der Mutter, die ihr putziges Bambino küßt, I
fensperiode, zu denen nur ein starkes Ver- koloristisch eine bedeutende Leistung (Abb- I
trauen in des Künstlers Persönlichkeit, die sich S. 496), Oskar Grafs und Hermann Pam-
nach einer Weile des Experimentierens wie- pels realistische Motive, die in der graphi-
der finden wird, einen Weg zu bahnen vermag, sehen Auswertung von der Meisterschaft ihrer
sondern es gilt drei großen Gemälden aus dem Autoren zeugen (Abb. S. 484), Reifferscheids i
Besitz des bekannten Hamburger Kunstfreundes toniges Fastnachtsbild (Abb. S. 486), Wolffs |
Henry Simms, deren Entstehungszeit minde- Interieurs und kühle Blütengärten, des jünge- I
stens ein Jahrfünft zurückliegt. Damals standen ren Kühn sonnige, helle Zimmer mit den viel- (
Beckmann noch alle Wege offen. Ein Bild, wie artigen Nuancen des Weiß, Hümmels inni-
„Die Dame in Grau" (Abb. S. 495) ist technisch ges, gemütliches Bildnis des alten Schlach-
die Vollendung. Es konnte etwa auf dem Wege tenmalers Louis Braun (Abb. S. 485) — das
von Uhde zu Leo Putz liegen. Oder konnte sind solche freundliche Blüten in dem Som- /
nach der Seite Landenbergers ausschlagen, merstrauß. Etwas feuriger sprechen die Ar- J
Oder zu Keller hinführen. Selbst ein Anschluß beiten mit von Josse Goossens, der ein (
an Slevogt lag im Bereich des Möglichen. In- sehr farbiges Oktoberfest zeigt, von Hüther, {
dessen ist es so gekommen, daß Beckmann dessen Gemälde „Pilger" trotz der gefaßten (
vor seiner technischen „Fertigkeit" selbst bange Ruhe der Malerei von der starken Eigenart (
wurde, daß er die Form, die sich ihm so willig des Künstlers beredtes Zeugnis ablegt (Abb.
schickte, unbarmherzig zerschlug, und daß er S. 489), von Buri, dem interessanten Schwei- !
wieder von vorne anfing. Denn auch ihm ist zer, die unendlich farbenfreudigen Porträte, 1
dies das belebende Moment seiner Kunst, das von denen „Der Raucher" wie eine lustige (
Experiment ohne Ende, das urewige „Stirb Karikatur anmutet, während die „Berner Bäue- (
und werde!", dessen nur ganz Seltene entraten rin" in der sättigen Fülle ihres künstlerischen (
können, ohne müde Gäste auf dieser Erde zu und irdischen Daseins eine Art helvetischer (
sein. Diesen Kampf sehe ich, wie ich schon Abundantia darstellt. Philipp Frank gibt (
sagte, nicht nur bei Habermann, bei dem ich Buri an Farbigkeit nichts nach, nur will mir l
ihn aber nur mit Einschränkung gut heiße, scheinen, sein märchenhaftes Blau sei doch )
und bei Keller, auch Robert Sterl, der Dres- auf diesen naturalistischen Gemälden nicht am \
dener, der sich schon einmal auf seine bravou- rechten Ort: das ist ein Blau, das an alte )
rösen Theaterinterieurs festzulegen schien, Kirchenfenster oder an — Franz Stuck ge- i
kämpft ihn und wagt die kühnsten Impres- mahnt. Dambergers Bauernbilder bestechen (
sionen (Abb. S. 497), Leo Putz scheint mir ein durch ihre kolossale Sachlichkeit und malerische (
täglich Neuer, der zumal die dekorativen In- Tüchtigkeit. Faure, der Maler des Variete, (
stinkte in seiner Kunst mit einer gewissen er- hat sich diesmal mit seinem Beleuchtungsstück J
bitterten Zähigkeit niederringt, Winternitz, der „Wilhelmatheater" (Abb. S. 497) in die Sphäre '
aus seinen durchsonnten Stuben ins Freie drängt Daumiers begeben, während die „Mahlzeit" 1
(Abb. S. 501), Landenberger, der sich von sei- von Egger-Lienz, wohl ein älteres Werk des /
nem heißgeliebten Motiv „Knabenakte vor einem Künstlers, etwas temperamentlos in der Farbe )
See" hinweg zu neuen Aufgaben wendet (Abb. ausgefallen ist (Abb. S. 502). r
geg. S. 496 u. S. 499), E. R. Weiss, Kardorff, Dies sind in der Hauptsache die Kräfte, die (
Roloff, dessen heiteres Damenporträt sich auf man am Werke sieht. Kann man angesichts (
neuen Bahnen bewegt, Ulrich Hübner, dessen ihrer Mobilisierung auch von einer Kraftan- (
1 Marinebilder mit der bewußten Zerfleischung Spannung der „Secession" sprechen, so wäre V
[ ihrer Epidermis ein ganz neues Ansehen ge- es dennoch falsch zu glauben, die Kräfte der J
winnen, so daß sie, wie durch ein Prisma ge- „Secession" seien damit erschöpft. Die „Se- )

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