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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 29.1913-1914

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Dreyfus, Albert: Theo van Rysselberghe
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https://doi.org/10.11588/diglit.13092#0584

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Betritt man die Wohnung und das Atelier als geistiger Hinsicht, aber das Wunder des
van Rysselberghes in Paris, so überrascht, Einklangs zwischen dem Menschen und den
gerade an einem grauen Wintertag, all die Dingen der Umwelt ist doch geschehen. Nicht
Helligkeit, der opalisierende Glanz, der von ohne tieferen Grund bedeutet im Griechischen
Wänden und Staffeleien auf einen eindringt. Kosmos zugleich Welt und Schmuck.
Im Salon hängt inmitten von Bildern von Selten ist die französische Bezeichnung
Vuillard, Denis, Bonnard, Cross als Perle ein nature morte so wenig angebracht wie bei van
Porträt van Rysselberghes, das Bild seiner Gat- Rysselberghes Stilleben. Bis zu metallischem
tin (Abb. geg. S. 529). Die ganze Kleinodien- Glanz steigert er die Farben von Blättern und
pracht seiner Palette ist daran verschwendet. Blüten, nirgends vielleicht wie hier, wo er
Ein Verschwenden — und doch ein sehr kluges am unmittelbarsten, impulsivsten schaffen kann,
Gegeneinanderbalancieren von Farben. Das gibt er sich in so glühendem Lebensdrang
irisierende Grün im Haar findet sich wieder aus. Er zeigte mir ein Stilleben mit rot-
im Tisch und im Buch, spielt hier hinüber schuppigen, grün und blau schillernden Fischen,
ins Blau, dort ins Violett, indessen das reich- Als ich mich über ihre erstaunliche Frische
gemusterte Kleid vornehm zwischen Tabak- wunderte, als seien sie gerade eben aus dem
braun und dem wieder aufgegriffenen Grün- Meer gezogen, lachte er und sagte: „Kein
blau oszilliert. Vor allem fällt auf der Kon- Wunder! Die habe ich bei Sonnenaufgang ge-
trast zwischen dem belebten Hintergrund mit fischt, nach dem Frühstück gemalt und zu
seinem blau und weißen Traubengehänge, dem Mittag schon aufgegessen."
goldbraun hineinschneidenden Rahmen, und Aeußert sich van Rysselberghes Begabung
der ruhigen nachdenklichen Haltung der den vielleicht am echtesten und reizvollsten in der-
Arm aufstützenden Dame. Die alte Atelier- artig improvisatorisch heruntergemalten Natur-
weisheit will, daß sich ein Porträt nachdrück- ausschnitten, so bedeuten sie doch für ihn
lieh von einem glatten einfarbigen Hintergrund selbst nur Vorstufen für seine großen figuralen
abhebe. In der impressionistischen, besonders Kompositionen.
in der neo-impressionistischen Technik, die In früheren Jahren hat er bereits für das
durchweg mit hellen Farben und überall hin- Hotel Solvay in Brüssel ein lichtflimmerndes
gesprühten Lichtreflexen arbeitet, bilden Por- dekoratives Gartenbild gemalt, darin sich Damen
trät und Hintergrund eine farbige Einheit, englisch schlank, mit breitkrämpigen Hüten
Nicht mehr wie früher wird der Mensch aus ergehen. In dem Wechselspiel von horizon-
der Welt herausgehoben, er gibt sich an sie talen und vertikalen Linien, in der Zusammen-
hin, soviel er kann, freilich in mehr sinnlicher fassung der Baumgruppen bekundete sich eine


/ TH. VAN RYSSELBERGHE STUDIE, KINDERPORTRÄT (1910)
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