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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Gurlitt, Hildebrand: Zu Emil Noldes Aquarellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0052

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Verhältnis der Menschen, von Frau zu Kind,
von Mann zu Frau, von alt zu jung festhiel-
ten, Bilder voll Spuk und Bilder voll Heilig-
keit.

Immer aber kam er von seinen weiten Reisen,
auch von der großen Stadt zurück zu sich selbst,
zu seiner Heimat, seinem schwer leuchtenden
Land an der Grenze Dänemarks, zu den Blumen
seines Gartens. Der ganze Umkreis menschlichen
Fühlens ist ihm bekannt, aber immer fand er
sich zurück zum ehrfürchtigen freudigen Stau-
nen vor der Pracht des einfachen Seins zu einer
machtvollen Festlichkeit, die uns heute wie ein
Trost erscheint.

Wie Reifgewordenes scheinen seine Aquarelle
von ihm abzufallen. Es ist als kenne er keinen
Kampf mehr mit den Mitteln, als hätte er die
Farbe einfach selber gehen lassen. Wie zufällig
fließt sie zu Formen von letzter Ausdruckskraft

zusammen. Nicht wie gemacht, sondern wie
geworden sehen seine Aquarelle aus.
Nolde hat, was unserer Zeit fehlt: er ist am
Ende immer einfach und schlicht, er ist dem
Tier und der Pflanze nahe, was andere nur
wollen. Geistreich und amüsant sind heute viele:
Nolde weiß von Sammlung.
Nolde ist uns Beweis, daß auch heute noch ein
Leben möglich ist, das die Welt, die Stadt,
unsere Zeit kennt und besitzt und doch nicht
von ihr besessen wird. Es ist heute zwar leicht,
Nolde zu feiern, sein Werk zu lieben. Aber
man kann es doch nicht laut genug sagen, daß
Deutschland in ihm einen Maler besitzt, der
Köstliches und zugleich Wichtiges und Wahres
in bedeutender Form mitteilt, der so groß ist,
daß er schon im Abbild einer Blume die drän-
gende Fülle des Lebens sammeln kann.

Hildebrand Gurlitt

EMIL NOLDE. EINGEBORENE AM MEER

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