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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Hausenstein, Wilhelm: Ludwig Michael Schwanthaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0094

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L. M. SCH WANTHALER. PORTRÄTBÜSTE

das Maß und Unmaß seiner produktiven Zucht
und Zähigkeit. Als ihm die Gicht die Beine
gelähmt hatte, ließ er sich im Rollwagen durch
die Ateliers fahren. Als die Gicht ihm die
Rechte verdorren machte, zeichnete er mit der
Linken. Als die Linke ihm steif und tot ge-
worden war, ließ er sich einen Dirigierstab in
die Achselhöhle stecken, mit dem Stab fuhr er,
nötige Korrekturen andeutend, an denihm dicht
vorgehaltenen kleinen Werkmodellen herum.
Daß er ehelos blieb, war ihm selbstverständlich;
die Arbeit schloß ihm den Gedanken einer Ver-
bindung aus; er zeugte freilich verschwende-
risch im W erk, und er wrar generös auf jede
Art, ein Verschenkender.

Wir haben in München ein Museum, das seine
Werke so recht und schlecht suggeriert, als der
Gips es eben vermag. Immerhin wäre zu wün-
schen, daß dies Museum einer wärmer lieben-
den Pflege teilhaftig würde. Freilich gehört dazu

als Voraussetzung ein lebhafterer Anteil des
Publikums an dieser Sammlung; aber sie steht
leer, sie enthält nur die Gipse, man begegnet
keinem Menschen, kaum einer Katze.
Und wann wird die kritische Geschichte dieses
Meisters geschrieben werden, sie, die das We-
sentliche vom Unwesentlichen genau unter-
scheidet? Die begreift, in welchen Stücken
Schwan thaler ein Opfer der Aufträge, ein Opfer
des Gesellschaftlichen gewesen ist, und in wel-
chen Stücken sein Geist sich mit aller schönen
und ergiebigen Freiwilligkeit rührt? Die be-
greift, daß Schwanthaler sich eben deshalb nicht
vollends realisierte, weil er in offiziellen Dien-
sten zu viel gemacht hat? Hyacinth Holland,
der Mann, der in der Münchner Kunstge-
schichte alles wußte, hat in dem vortrefflichen
Artikel der Allgemeinen Deutschen Biogra-
phie die sorfältigste Vorarbeit geleistet.

Wilhelm Hausenstein, München

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