B Kunstblbllothek
Staatliche Museen
zu Berlin
E. A. B OURDELLE. FIGUREN DES DENKMALS DES GENERALS ALVEAR
dämmten individualistischen Geists Rodins und
der übermenschliche Versuch Bourdelles, die
Finger zur Faust zu schließen, auf daß der
Stein sich mit der Form des Bildners ver-
söhne.
ßourdelle ist ein Sohn der Langue d'Oc. Seine
Knabenaugen haben zwischen den Ringmauern
des alten Montauban sehen gelernt und in der
väterlichen Werkstatt früh erkannt, daß Hand-
werk unerläßliches Mittel sei, Geschautes und
Erlebtes zu gestalten. Aber die Zeit selbst bot
keine Säulen, an die man sich hätte stützen
können. Die lebendige Quelle der Tradition
war versiegt. Aus unbarmherzigen Rätselaugen
blickte die Vergangenheit den Fragenden und
Antwort Heischenden an. Da ist Michelangelo,
dessen „Sklaven" ergreifendes Echo eines
prometheischen Rufers sind. Dann Carpeaux,
der zeitlebens demütig Schaffender blieb vor
der Natur. Und da ist Rüde, der Klassiker mit
dem realen Blick und der Seele des Romantikers.
Sein „Marschall Ney" wurde mehr als ein
Gegenstand tiefer Bewunderung für den jungen
Bourdelle. Mit dem 1918 geendiglen Monument
„Alvear" ist diese Bewunderung des Adepten
in meisterliche Tat umgesetzt worden. Aber
Michelangelo und Rüde waren Leuchttürme,
an deren Blinkfeuer man sich sengte. Sie er-
hellten nicht das Dunkel. Rodin war geniales
Beispiel dafür, wie man es nicht zu machen
hatte. Blieben die Ägypter, deren strenge
Monumentalität ein ganzes Lebenssystem um-
schloß. Blieb das archaische Griechentum,
dessen ästhetische Gesetzlichkeit Maß und Zahl
zur Harmonie erlöste. Blieb die Kathedrale und
mit ihr das Wunder vom sphärischen Gesang
des Steins. Und Bourdelle begriff, daß Archi-
tektur und Plastik zusammengehen müßten, —
es immer taten, dort, wo organische Einheit
war. Seine Epoche kannte keine Architektur.
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Staatliche Museen
zu Berlin
E. A. B OURDELLE. FIGUREN DES DENKMALS DES GENERALS ALVEAR
dämmten individualistischen Geists Rodins und
der übermenschliche Versuch Bourdelles, die
Finger zur Faust zu schließen, auf daß der
Stein sich mit der Form des Bildners ver-
söhne.
ßourdelle ist ein Sohn der Langue d'Oc. Seine
Knabenaugen haben zwischen den Ringmauern
des alten Montauban sehen gelernt und in der
väterlichen Werkstatt früh erkannt, daß Hand-
werk unerläßliches Mittel sei, Geschautes und
Erlebtes zu gestalten. Aber die Zeit selbst bot
keine Säulen, an die man sich hätte stützen
können. Die lebendige Quelle der Tradition
war versiegt. Aus unbarmherzigen Rätselaugen
blickte die Vergangenheit den Fragenden und
Antwort Heischenden an. Da ist Michelangelo,
dessen „Sklaven" ergreifendes Echo eines
prometheischen Rufers sind. Dann Carpeaux,
der zeitlebens demütig Schaffender blieb vor
der Natur. Und da ist Rüde, der Klassiker mit
dem realen Blick und der Seele des Romantikers.
Sein „Marschall Ney" wurde mehr als ein
Gegenstand tiefer Bewunderung für den jungen
Bourdelle. Mit dem 1918 geendiglen Monument
„Alvear" ist diese Bewunderung des Adepten
in meisterliche Tat umgesetzt worden. Aber
Michelangelo und Rüde waren Leuchttürme,
an deren Blinkfeuer man sich sengte. Sie er-
hellten nicht das Dunkel. Rodin war geniales
Beispiel dafür, wie man es nicht zu machen
hatte. Blieben die Ägypter, deren strenge
Monumentalität ein ganzes Lebenssystem um-
schloß. Blieb das archaische Griechentum,
dessen ästhetische Gesetzlichkeit Maß und Zahl
zur Harmonie erlöste. Blieb die Kathedrale und
mit ihr das Wunder vom sphärischen Gesang
des Steins. Und Bourdelle begriff, daß Archi-
tektur und Plastik zusammengehen müßten, —
es immer taten, dort, wo organische Einheit
war. Seine Epoche kannte keine Architektur.
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