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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Hildebrand und Marées
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0351

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SEPP FRANK. JÜNGSTES GERICHT
Bamberg, St. Otto

und bleiben wird und daß er in seiner Weise
weiter machen muß, bis zum Ende, und wenn
er es dann dazu bringt, ein Bild ganz hinzu-
stellen, es zu dem Größten gehören wird, aber
es braucht Zeit, vielleicht mehr als ein Leben.
Zwei große Bilder sind langweilig, doctrinär,
absichtlich, nicht glücklich. .. Ich habe viel mit
ihm geschwatzt, das kannst Du Dir denken,
und die Bilder wirklich erlebt, denn die meisten
sind innere Ereignisse und gegen früher weit
konzentrierter, da liegt viel dazwischen.. ."

(Hildebrand an Fiedler, 5. Januar 85.',

(Kurz nach Marees' Tod) „... Wir können noch
immer nicht von dem Gedanken an Marees los-
kommen. Es ist erschreckend, wie derMenschim-
mer in der Zukunft lebt, Pläne macht, verschiebt,
erwartet, den eigentlichen großen Moment des
Lebens immer vorbereitet und dann ist's mit
einemmal aus und kein Hahn kräht um alle die
Wünsche, Ansprüche und Hollnungen. Und
auf der andern Seite liegt doch eine gewisse
Folgerichtigkeil in diesem Schicksal, denn wer
immer, wie Marees, am Abgrunde hineilt und
sich nur durch das beständige Aufgebot aller
seiner Kräfte oben erhält, bei dem ist's kein
Wunder, wenn er plötzlich hinabstürzt und
ein für allemal verschwindet.. ."

Hildebrand an Fiedler, 14. Juni 87.

„... Ich las letzthin die Biographie von Kleist
von Brahm und da ist mir wieder die frappante
Ähnlichkeit von Kleist mit Marees aufgefallen.
Die ganze Stolfzusammenstellung der beiden
Menschen ist so identisch. Auch die äußern
Umstände von Herkunft etc. Das hochgesteckte
Ideal, die riesigen Ansprüche an sich selbst, das
Lehrhafte, das Bedürfnis nach Ausbildung sei-
nes moralisch-künstlerischen Menschenim Sinne
einer Lebensaufgabe — die daraus entsprin-
gende Unmöglichkeit eines harmlosen, natür-
lichen Verkehrs mit ihm. Dann die wunder-
bare, klare Einsicht, der natürliche, tiefe In-
stinkt für Alles, was Kunst ist — der Trieb
nach dem ,Ganz oder garnicht'etc. Die furcht-
baren Kämpfe, dies ewige Steigen und Stürzen.
Der Sinn für die Realität in der Kunst und der
mangelnde Sinn für alles Reale in der Praxis.
Dann wie das Ganze durchzogen ist von einer
warmen, sinnlichen Schönheil, von einem wei-
chen Sichhingeben bei aller Kraft. Nur ist der
eine Unterschied, daß Kleist zu seinem Aus-
druck gekommen ist und Marees nicht..."

(Hildebrand an Fiedler, ~. Juli 89.)

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