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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Vom Abbild zum Sinnbild: zur gleichnamigen Ausstellung im Städelschen Kunst-Institut, Frankfurt a. M.
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VOM ABBILD ZUM SINNBILD

ZUR GLEICHNAMIGEN AUSSTELLUNG IM STADELSCHEN KUNST«

INSTITUT, FRANKFURT A/M.

Die Ausstellung vom ..Abbild zum Sinnbild"
ist keine retrospektive Schau, obgleich sie einen
Zeitraum von mehr als einem halben Jahrhun-
dert umfaßt. Sie will \ ergangenes in lebendige
Beziehung zur Gegenwart bringen, indem sie
-die Quellen der künstlerischen Strömungen
unserer Zeit klarlegt. Darum hat Fritz Wichext,
•dem das Zustandekommen dieser bedeutsamen
Ausstellung zu danken ist, sich nicht damit be-
gnügt, alle für diesen Zeitraum entscheidenden
Namen aufmarschieren zu lassen, sondern er
hat von jeder Persönlichkeit die Werke ausge-
wählt, die am markanteslen den Beitrag zur
Genesis der modernen Kunst erkennen lassen.
So wird die gesamte Ausstellung, obgleich
manche Y\ erke bereits vor 60 Jahren entstanden
sind, zu einem starken Gegenwartserlebnis. In
dem unmittelbaren Nebeneinander der Stamm-
väter der heuligen Kunst lernen wir begreifen,
von wie heterogenen Impulsen die Kunst des
20. Jahrhunderts in Bewegung gesetzt wurde. Vor
allem aber zeigt sie deutlich das Nebeneinander
zweier in ihrer geistigen Struktur grundverschie-
dener Kulturen, von denen die eine mit einer
letzten Entfaltung ihrer künstlerischen Kräfte
ausklingt, während bereits das Programm einer
neuen Gesinnung in den W erken der Väter einer
neuen Generation fast prophetisch niedergelegt
wird.

Die Ausstellung beginnt bei Manet. Aber diese
Grenze wurde nicht gezogen, um damit den Ur-
sprung der Kunst der Gegenwart zu dokumen-
tieren, der Abschnitt, den Manet in der Geschichte
der Kunst geschaffen hat, liegt auf einer anderen
Ebene. In seinem tiefsten Wesen ist er mehr
Vollender als Erneuerer. Sein Schritt aus dem
Atelier in die freie Natur war die letzte Konse-
quenz aus den Zielsetzungen von Corot und
Courbet. Manet, der Entdecker des klaren diffu-
sen Lichts und der Beporter einer posenlosen
Wirklichkeit, macht durch das l'art pour l'art-
Programm den Weg für die letzte\ erfeinerung
•des malerischen Handwerks frei. Das Bild der
von Atelierstaub und Atelierzauber restlos ent-
kleideten Y\ elt wird von Monet, Sisley und

Benoir erweitert und mit der Farbigkeit einer
neuen Palette erfüllt. An die Stelle der klaren
Luft Manets tritt der malerische Zauber der
„Atmosphäre". Es ist streng verpönt, dem Ge-
genständlichen des Bildes auch nur das geringste
Interesse entgegenzubringen, und die neue
Schicht der Käufer der achtziger Jahre entdeckt
in dem Nachempfinden des künstlerischen Er-
lebnisses einen neuen Lebensgenuß. Zugleich
begünstigte das kleine Format der Bilder das
Eindringen in den Salon und so entwickelte sich
der Impressionismus, der die extremste Entwick-
lung künstlerischen Individualismus' darstellt,
zur künstlerischen Ausdrucksform der bürger-
lichen Kultur am Ende des vorigen Jahrhun-
derts.

In Deutschland vollzieht sich die Bezeption des
Impressionismus unter gleichzeitiger Nachwir-
kung der Bomantik. Am charakteristischsten
zeigt sich die deutsche L mwandlung des neuen
Nalursehens nach der lyrisch gemütvollen Seite
bei Thoma, der auch im Landschaftsbild selten
ohne Staffage auskommt. Die gesunde Tradition
der Leiblschule rettete Trübner vor der Entglei-
sung ins lyrisch ^ olkstümliche. Aber auch für
ihn bedeutete der Impressionismus mehr einen
Wechsel der Palette als eine neue Einstellung
des bildhaften Erlebnisses. Selbst bei den drei
klassischen Vertretern des Impressionismus in
Deutschland, bei Slevogt, Liebermann und dem
jüngeren Corinth, bleibt der Impressionismus
eine handwerkliche Methode. Am deutlichsten
zeigt sich der Unterschied vom französischen
Impressionismus in der Menschendarstellung.
Für die deutschen Impressionisten bleibt der
Mensch ein psychologisches Problem und nichts
deutet den Unterschied zwischen der künstle-
rischen Kultur der beiden Nachbarnationen viel-
leicht prägnanter, als die Tatsache, daß die drei
führenden Meister des deutschen Impressionis-
mus einen neuen Bildnisstil geschaffen haben
und darin ihre stärksten Leistungen vollbrach-
ten.

Aber dieser Teil der Ausstellung ist nicht der
entscheidende, denn er bildet zu der Kunst der

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