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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Nasse, Hermann: Arnold Balwé
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Théo van Goghs Briefe an seinen Bruder Vincent, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0317

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Landschaften mit und ohne figürliche Staffage., ein-
fache, ruhige Existenzbilder, aber auch Stilleben.
Blumen und Bildnisse. Anfänglich erscheinen diese
Bilder in dichter und bestimmter geschlossenen
Flächen aufgemauert. Nach und nach wird das kom-
positioneile Gefüge mehr aufgelockert, steigern sich
die breit sich den Formen anschmiegenden Farben,
heller und strahlender werdend, zu einem jubelnden
Hymnus der Sonne und der sonnig heiter lachenden
Natur. Die Bilder sind nicht nur von einem spürbar
klingenden, wohlig bewegten Rhythmus erfüllt, son-
dern auch von einer stets das Gegenständliche in
seiner sogar oft gerundeten, plastischen Erscheinung
wahrenden, zwingenden räumlichen W eite. Immer
sorgt die Harmonie der Farbabstufungen selbst dann,
wenn alle Formen in stürmende, zuckende und vi-
brierende Bewegung im hellsten und durchsichtig-
sten Flimmern und 'S ibrieren des Lichtes übergehen
und zu verströmen drohen, dafür, daß die Kompo-
sition trotz allem erregt Bewegten ihre Ruhe im Ge-
samteindruck durchaus bewahrt. Mögen die pastos
gemalten, schwingenden, wuchtenden Linien und
Flächen noch so stark von der "Vehemenz der Aus-
druckskraft erfüllt sein, sie führen niemals zur
Formzertrümmerung. Wie etwa nordische oder hol-

ländische Bauernhäuser sich in schwerer, lastender
Gedrungenheit dem schweren und fetten Boden ein-
schmiegen, wie südliche Bauten in bunterer Farbig-
keit, in elegant bewegter YS eise dem Leben und
Weben der Atmosphäre mit rascherem Pulsschlag
sich angleichen, ja wie die Sonne des Südens alles
Landschaftliche mit ihrem heißen Atem erfüllt und
sengt, vermag man Balwes Bildern als durchaus
charakteristisch und charakterisierend nachzurüh-
men. Bei aller so außerordentlich sinnlichen, stolzen,
männlichen und unmittelbaren Anschauungskraft
weiß Balwe aber seiner Palette ebenso häufig auch
die zärtlichsten und liebenswürdigstfiüssigen Klänge
zu entlocken. Immer geht es um das Erlebnis des
jeweiligen Charakters einer Landschaft und der
jeweiligen, mit diesem übereinstimmenden Luft-
atmosphäre. Dabei vermeidet Balwe gern die grö-
ßeren Effekte und begnügt sich, nie das Erlebnis
forcierend, mit stimmunggebender. schlichter und
unmittelbarer Naturschilderung, »roß gesehen und
erlebt trotz aller Schlichtheit, wahr und echt, weil
aus engster Naturverbundenheit heraus entstanden.
Es ist eine Freude, den Künstler auf seinem bis-
herigen und ferneren W eg zu verfolgen. Denn er
führt aufwärts. Hermann Nasse

THEO VAN GOGHS BRIEFE

AN SEINEN BRUDER VINCENT

Den Briefen "V incent van Goghs, diesem erschüttern-
den document humain. das in den drei 1928 in
zweiter Auflage bei Paul Cassirer, Berlin, erschie-
nenen Briefbänden vollständig vorliegt, sind jetzt
die Briefe des Bruders Theo als wichtigste Ergän-
zung zur Seite getreten. Sie sind vor kurzem erstmals
durch Theos Sohn, V.W.van Gogh, publiziert wor-
den (Wereldbibliothek, Amsterdam). Die meisten
Briefe Theos, der seinem Bruder ein halbes Jahr
später in den Tod folgte (1891), sind verlorengegan-
gen. Erhalten sind nur die jetzt veröffentlichten
ii Briefe aus den Jahren 1888—1890. Davon stam-
men nur drei Briefe aus der Zeit vor der Tragödie
in Arles (Y\ einnachten 1888 ): die übrigen hat Theo
an den Bruder geschrieben, als dieser in der Anstalt
in St. Remy und bei Dr. Gachet war. Er ist immer
bedacht, den kranken Rruder nicht zu beunruhigen.
Ein klarer, besonnener Mensch spricht aus diesen
Briefen, die man zusammen mit denen des Bruders
lesen muß. um die ganze Sorgfalt, Geduld, die be-
dingungslose Bereitschaft für den Maler, an dessen
Schaffen er felsenfest glaubt, herauszufühlen. Die
Ausgabe der Briefe setzt auch der Gattin Theos.
Johanna Gesina van Gogh-Bonger, ein Denkmal,
die \incents Werk und Briefe betreut hat: das Le-
bensbild, von dem Sohn geschrieben und erstmals

in der dreibändigen deutschen Ausgabe der Briefe
abgedruckt, ist auch der holländischen Ausgabe der
Briefe Theos in französischer Sprache beigegeben.
W ir geben zwei Briefe Theos auszugsweise in Über-
setzung aus dem Französischen. Der erste ist die
Antwort auf Vincents Brief vom 20. Oktober 1888
(Briefe III, Nr. 5A2). in dem er schreibt: ..Ich kann
nichts dafür, daß sich meine Bilder nicht verkaufen.
Einmal wird der Tag kommen, da wird man sehen,
daß sie mehr als den Preis der Farbe wert sind und
mein ganzes erbärmliches Leben, das ich daran
hängte . . . Meine Schulden sind so groß, daß, wenn
sie einmal bezahlt sind, und ich glaube, daß mir das
gelingen wird, dann die Anstrengung, Gemälde zu
schaffen, mein ganzes Leben aufgezehrt haben wird :
dann wird es mir scheinen, daß ich gar nicht gelebt
habe . . . Man muß rechnen. Die Wahrheit ist, daß
ein Mensch 50 Jahre lebt und 2000 Mark jährlich
ausgibt, d. h. 100000 Mark verbraucht, dann muß
er für 100000 Mark verdienen, also muß man 1000
Gemälde zu 100 Mark in seinem Künstlerdasein
machen, und das ist sehr, sehr hart, wenn das Bild
100 Frs. wert. . . Ich glaube, eines Tages werde auch
ich verkaufen, aber Dir gegenüber bin ich so im
Rückstände, ich gebe alles aus und bringe nichts

herein." (Forlsetzung Seite 306)

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