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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0233

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•Dom Büchermarkt.

309. Fries von 111. Nicolai.

Weltausstellung auf amerikanischem Boden. Europa
glaubte drüben nur eine unverstandene Afterkunst
Zu finden, und mit seinem Arsenal trefflicher alter
Vorbilder reformirend eingreifen zu können; statt
dessen fand man drüben — allerdings neben einer
Dkenge unerfreulicher „Kunstwerke", wie sie auch
bei uns nicht selten sind — eine jugendliche Kunst,
die bei allem Unvergohrenem, namentlich im Be-
reich der Architektur und des Kunsthandwerkes, be-
reits schöne Blüthen getrieben hatte und welche die
belehrende Wirkung der Ausstellung zu einer gegen-
seitigen machte. Die wenigen Jahre, welche seit der
genannten Ausstellung verflossen, haben hinreichend
den Beweis geliefert, von welch großem Einfluß
dieselbe aus das künstlerische Schaffen in Europa
geworden ist. Man hat sich eben bei der Betrach-
tung der amerikanischen Bauten u. s. w. wieder
darauf besonnen, daß jedes Ding, das einem Zweck
bienen soll, vor Allem diesem Zweck gemäß gestaltet
werden muß — daß ein Haus nicht auf seine
uußere Erscheinung hin entworfen werden darf,
sondern von innen heraus, den eigenartigen Be-
dürfnissen jedes einzelnen Bauherrn gemäß —, daß
es keine Schande ist, geringerwerthiges Material
Zu benützen, wenn die Mittel zu besseren: nicht aus-
eichen, daß es dagegen von Unlauterkeit zeugt,
^enn man mit schlechterem Material das bessere
erheucheln will. Einen solchen Erfolg der Aus-
stellung hatte sich wenigstens in Europa wohl nur
ber erwarten können, der Nordamerika bereits früher
gekannt hat; es wird kaun: irgendwo ein Zweifel
darüber bestehen, daß diese Wirkung noch nicht zu
^nde gekommen ist I

Auch das oben genannte Werk darf als mittel-
bare Folge der Ausstellung am Michigansee be-
zeichnet werden. Man konnte sich ja durch ameri-
kanische Fachzeitschriften einigermaßen ein Bild von
den in den Vereinigten Staaten entstehenden Neu-
bauten inachen; aber für das eingehende Studium
reichen dieselben gewiß nicht aus, zumal die Grund-
rißdarstellungen den bei uns gewohnten nicht ent-
sprechen. Diesen Uebelständen will die vorliegende
Sammlung abhelfen; dieselbe enthält in sorgfältiger
Auswahl insbesondere eine große Zahl reizvoller
Wohn- und Landhäuser aus den Umgebungen der
großen Städte von den einfachsten bis zu den
reichsten Beispielen. Daneben kommen Kaufhäuser,
Kirchen, Lehranstalten und andere öffentliche Ge-
bäude, wie auch die bemerkenswerthesten Thurm-
häuser zur Vorführung — nicht zu vergessen der
Innenansichten und der Detailaufnahmen.

Das kurze Vorwort von Mberbaudirektor
Hinckeldeyn, der seinerzeit als technischer Attache
bei der Kaiserlich Deutschen Botschaft mehrere Jahre
in Washington weilte, gibt eine kurze, aber sehr
treffende Tharakteristik der amerikanischen Bauweise
wobei er mit Recht bei den Einzelwohnhäusern mit
besonderer Vorliebe verweilt, von denen schon der
französische Architekt Sedille sagt: „Sie beherbergen
behagliche Innenräume, in welchen das Familien-
leben wohlgeschützt und geborgen ist. Die malerische
und zugleich bescheidene Erscheinung des Aeußeren
läßt auf ein Hauswesen schließen, das sofort für
sich einnimmt. Dieser günstige Eindruck wird er-
zeugt durch die Einfachheit des Baues, dessen Un-
regelmäßigkeit schon von außen zeigt, daß die

3>0. Fries von 11t. Nicolai.

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