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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Gmelin, Leopold: Kunstgewerbliche Streifzüge auf der Pariser Weltausstellung. Eine Nachlese, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0158

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Kuuftgciuerblidjc Stmfjiigc auf der Pariser lveltausstelluna.

Die Neigung zu kleinlicher, bunter, ornamentaler
2luszierung zeigt sich auch in den bunt gemalten
Relief-Intarsien, in üppig wucherndem Eisenbeschlag
an einzelnen Möbeln. Es fehlt ein großer Zug;
man liebäugelt mit dein Modernen, weil man eben
nicht als rückständig erscheinen will — man tändelt
mit den: Türkischen, weil man darin auch alt-
ungarische Überlieferungen wittert, und schließlich
spielt man mit Rosettchen, Knöpfchen, Wärzchen
Blümchen u. s. w. Besonders bezeichnende Beispiele
boten das von BI ah unka Imrs (Budapest) nach
Edm. Faragos Entwurf gefertigte Schlafzimmer
mit seinen Schnitzereien und Intarsien, und das
kleine Zimmerchen, das von den gewerblichen Unter-
richtsanstalten des Landes gleichfalls nach Entwurf
von Farago angefertigt war; an liebevoller, fast

208. (Pariser Ausstellung.) In Kupfer getriebene Vase aus
der Prager K u n st g e w e r b e s ch » l e;
nach Modell von <£. Kloiiüef. (7s der wirkt. Gr.)

209. (Pariser Ausstellung.) Truhe, in der Prager Kunst-
gemerbeschule geschnitzt unter Leitung von I. K a st n e r.
(7,5 der wirkt. Gr.)

verhätschelnder Pflege der Einzelheiten und an Sorg-
samkeit der Ausführung konnte der letztere Raum
kaum übertroffen werden. Auf besserem Wege gehen
Hortis Holzrahmen mit ihrem trefflich geschnitzten
natürlichen Pflanzenschmuck (Abb. 22\—226).

Überrascht waren wohl alle Ausstellungsbesucher
von dem Ausstellungsgut Finnlands; wer hätte
auch von einem nach den landläufigen Begriffen mit
der übrigen Kultur so wenig in Berührung kommen-
den Lande so ganz moderne Möbel zu finden ge-
glaubt? Man ersieht hieraus, wie eine einzelne
künstlerische Persönlichkeit - - in diesem Fall A. Gallen
— einer ganzen Ausstellungsgruppe ein bestimmtes
Gepräge zu geben vermag; ob dieses Gepräge mit
dem im Lande herrschenden Charakter übereinstimmt,
ist allerdings eine andere Frage. Die von der „Ge-
sellschaft der freunde des Handwerks" ausgestellten
Möbel gaben so ziemlich das Einfachste, was auf
diesem Gebiet inöglich ist: solid und sauber, aus
einem einheimischen Holz gebaut, meist mit glatten
Flächen, nur dürftig etwa mit Kerbschnitt oder In-
tarsien und durch eiserne Beschläge verziert; zusammen
mit den Holzwänden und -Decken gewann man schon
den Eindruck, daß derartige Möbel in jenem nörd-
lichsten Teil des kultivierten Europa heiinisch sein
können.

Unter den im Dienst des Mobiliars stehenden
Hilfstechniken hat sich die Intarsia zu selbständiger
Bedeutung emporgearbeitet. Sie war eines der
ersten Versuchsfelder für die moderne Dekorations-
weise, namentlich seitens der in Frankreich überhaupt
vorangehenden Meister der Stadt Nancp, und man
kann unbedenklich zugeben, daß die Erfolge, die die
Nancyer Schule aus diesem Gebiet in technischer
Hinsicht errungen hat, wohlverdiente sind. Aber es
muß denn doch einmal entschieden betont werden,
daß es nicht angeht, die Dienerin zur Herrin zu
machen, wie dies z. B. bei Majorelle der Fall ist,
dem jedes Möbel nur der Tummelplatz für seine
Schnitzer- und Intarsiatoren Launen zu sein scheint.

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