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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

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Bredt, Ernst Wilhelm: Eine neue Ausstellungsweise (Atelierausstellungshaus) in München: ein Vorschlag zum Projekt des Bayer. Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0217

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Line neue Ausstellungsweise (Atelierausstellungshaus) in München.

3^8. Vorsatzpapiers (Entwurf) von M. A. Nicolai, Dresden.
(Farben: grau und schwarz.)

Diesem Projekt, das auch in viel kleinerer als
der ursprünglich gedachten Form der Aunst und
den Aünftlern zu größtem Segen gereichen wird,
möchte dieser Vorschlag in etwas dienen.

Wenn bisher in unseren Auustausstellungen das
Aunstgewerbe nur als mehr oder minder überflüssiger,
aber vom Publikum um so mehr beachteter „Anhang"
behandelt wurde, so wird sich dies ntit der Zeit
ändern und wohl gar ins Gegenteil.

Wie Aünstler und Publikum über unsere großen
Kunstausstellungen denken, wissen wir. Alan fühlt
ihre Mängel, die sie mit der Zeit erworben, weil sie
nicht mit der Zeit gegangen sind, immer empfind-
licher. Diejenigen Aüustler, welche materiell nicht
völlig sicher gestellt sind, werden gezwungen, Auf-
fallendes zu schaffen. Ist die Ausstellung aber er-
öffnet, so suchen sie — trotzdem -—■ ihr Werk wie
eine bestimmte Leiche in endlosen Totenkammern.

Das Publikum kauft von Jahr zu Zahr weniger.
Sehr beachtenswerte Aünstler gehen zu Grunde, bevor
man ihnen Gelegenheit gegeben hat, sich durch ihre
Werke auszusprechen.

Die Schuld an den Mißständen aber wird der
Überproduktion zugeschoben. Von den Aünstlern
rufen die einen: „Die Zury muß strenger werden!",
die anderen: „Gleiches Recht für Alle!"

Ist nun wirklich die Überproduktion und das
Verhalten der Zuries zu ihr an den schlechten Ver-
kaussresultaten unserer Auustausstellungen allein
schuld? Das Verlangen nach einer strengen, d. i. ge-
rechten Zury ist alt. Aber sagt nicht Nietzsche ganz
richtig: „Recht muß Recht bleiben ist Unsinn"?

Doch wenn es nun wirklich eine gerechte Zury
gäbe — schickt nicht mancher Aünstler ff gerade
weniger gute Sachen ein und behält das Beste aus
falschem Selbsturteil zurück? pat man nicht diese
schlechte Erfahrung bei den Deutsche:: auf der Welt-
ausstellung machen können?

Die verschiedenen „Wenn und Aber", die bei
den Ausstellungsverhältnissen unserer großen Zahres-
ausstelluugen in Frage kommen, lassen sich in der
That nicht streichen. Die beste Zury kann durch
Aufnahme oder Zurückweisung eines einzelnen Werkes
dem einen Aünstler ebenso schaden, wie dem andern
nützen, ohne doch beiden A ü n st I e r n gerecht zu
werden.

Der Arebsschadeu unserer Auustausstellungen
liegt weder an der Produktion, noch an den Zuries,
sondern in ihrer ganzen Art und ihrer Dauer. Die
Auustausstellungen sind jetzt Volksversammlungen zu
vergleichen, wo der Einzelne nichts ausrichten kann,
ohne zum Tonnte zu gehören, ohne mächtige Stimme
oder ohne Schnieichelei der Menge. Bei der Menge
der Bildwerke, die in einer gedrängten Zeit und in
gedrängtem Rauine zur Ausstellung kommen, kann
der Einzelne nur einzelne Bilder einsenden. Das
einzelne Bild verliert sich fast völlig, und auch durch
mehrere vermag der Aünstler sich nicht so künstlerisch
auszusprechen, wie er es oft verdiente.

Diesen: Abelstand haben nicht einmal vornehme
und glänzende Ausstattungen abhelfen können. Unser
Publikum trollt durch unsere Auustausstellungen
weit interesseloser als durchs erste beste Warenhaus.
Mir scheint jedoch dies eher Lob als Tadel zu ver-
dienen. Das Publikun: besitzt doch wohl — so maßlos
ungebildet es auch in künstlerischen Dingen ist —
das gesunde Gefühl, daß Aunst nie Ware ist, daß
Aunstwerke anders als Waren angeboten werden
sollten.

Wer hiergegen die guten Geschäfte unserer
Aunsthändler geltend nmchen wollte, der vergißt, daß
beim Aunsthändler das Zntereffewecksn für das Werk

*) Ich verstehe unter „Aünstler" natürlich auch
die „A u n stg e w e r b l e r" und möchte, daß man bald keinen
Unterschied mehr zwischen Aünstler und Aunstgewerbler mache.
 
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