Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 51.1900-1901

DOI Artikel:
Bredt, Ernst Wilhelm: Architektonische Zeitbetrachtungen: ein Umblick an der Jahrhundertwende
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7003#0286

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Architektonische Zeitbetrachtungen.

<(29. Plakette von A. varnesi, Frankfurt a.Ai. (ksalbe Ansfnhrnngsgröße.)

Und nun? k)abeit wir wirklich schon
- allgemein erkannt, wie Muthesius
meint, daß wir kein Recht haben, alte,
ehrwürdige Denkmäler zu verbessern?

Umthesius hat offenbar nur die tüchtigsten
Architekten im Auge. Nur deshalb darf
er triumphierend sagen: wir hätten in
unserem stilistischen Wiederholungslehr-
gang alle die Eigentümlichkeiten der ge-
schichtlicheit Etile kennen geleritt, wir ver-
fügten infolgedessen über eine Stufenleiter
von Stimmungen, wie keine andere Zeit.

Deshalb darf er auch die absurde Forde-
rung nach Schaffung eines neuen Stiles
nur dem Publikum zuschreiben. Denn
wenn man das Gros der Architekten
durchmustern wollte, würde man manche
nennen können, die das abschreckende Bei-
spiel der Ukaximiliansstraße in Ukünchen
längst vergessen haben.

Zn der hiermit gekennzeichneten
Stellungnahme zu dem „neuen Stile" liegt
der besondere Wert der Rede des Hermann
Wuthesius.

Wer nur irgendwie das Werden der
Kunst verfolgen kann, muß ihm bei
pflichten. „Den neuen Inhalt, wo immer
er auch auftritt, suche die moderne Kunft
nach Kräften, nach bestem Wissen und
Gewissen und ohne Boreingenommenheit
künstlerisch zu bewältigen, und wir haben
den modernen Stil." Aber dieser Satz
könnte gerade von den Stürmern und
Drängern falsch aufgesaßt werden. Ihnen
sagt Wuthesius insbesondere, daß es
sich bei dem Neuen, das die Zeit ge-
biert und gebären muß, nicht um das
Formale, sondern um den Inhalt handelt. „Nie
mals wird in den bloßen Formen die Erlösung zu
suchen sein, die die neuzeitliche Welt in der Kunst
erwartet. Bringt uns das neue Kunstgewerbe nichts
weiter als den links und rechts gewundenen Linien-
schnörkel statt der Akanthusranke, vermag es durch
nichts anderes zu wirken, als durch verbogene Füllungen
und durch phantastischen Aufwand, so liegt kein
Grund vor, in der jetzigen neuen Bewegung etwas
anderes als eine vorübergehende Ulode zu sehen."

Aber Wuthesius bringt ganz richtig bei seinem
Urteil über die neue Richtung all die Berkrümmungen
und Berschnörkelungen als wertlosen Zusatz des neuen
Inhalts in Abzug.

Wilhelm Bode thut dies m. E. in den:
gleichfalls äußerst beachtenswerten Aufsätze „Die

bildende Kunst beim Eintritt ins neue Jahrhundert")
nicht genügend; denn er meint, auch der neue Kurs
im Kunstgewerbe stehe unter dem gefährlichen Zeichen
der Theaterdekoration. Das Ziel der modernen
Richtung ist ein außerordentlich großes, aber leider
wird allerdings an den meisten neuen kunstgewerb-
lichen Arbeiten unter dem Wust von Ornamenten
gesuchtester Art die gute Tendenz unterdrückt. Und
doch kann man schon jetzt, auf die letzten vier
Kampfesjahre der neuen Richtung zurückblickend, im
Kunstgewerbe, mehr noch in der Architektur, ein
Zurücktreten des nebensächlichen Schmuckes, ein immer
deutlicher hervortretendes Streben nach Betonung
des konstruktiven, des knappen aber wesentlichen
Ausdruckes jeden Werkes konstatieren.

*) Letztes Heft des „Pan".

26 \
 
Annotationen