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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 55.1904-1905

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Skandinavische Museen: eine Reisestudie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7198#0189

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Skandinavische Museen.

3\6. Stockholm; Nordisches Museum. Silberbesetzter Gürtel ans Telemarken.

Maschinenfabrikat. Absoluter Bruch mit der Ver-
gangenheit, „Fortschritt" war die Losung. Dieser
„Fortschritt" hatte den niemals ersetzbaren Verlust
einer großen Reihe von hochstehenden Kulturarbeiten
im Gefolge.

Die Architektur verlor unter dem einseitig be-
triebenen Studium klassischer Werke allmählich jed-
wede Fühlung mit den lokalen Erfordernissen. Bei
großen Aufgaben war einzig und allein der akade-
mische Standpunkt maßgebend geworden; bei kleineren
traten die unglaublichsten Varianten der von den
Bauenden schulinäßig erlernten Rezepte als wesent-
lichstes Moment auf. Die rasch ins Ungeheuerliche
wachsende Bevälkerungsziffer der Großstädte hatte
einen neuen, bezüglich seines Kulturwertes meist recht
fraglichen Typus des Wohnens, das Miethaus, zur
Entwicklung gebracht, das nach außen unter dem
vollen Aufgebot des Formenschatzes dieser oder jener
Zeit erscheint, inwendig jedoch durchschnittlich jeder
feineren Überlegung der Hauptsache: den Wert einer
gesunden und vernünftig angelegten Wohnstätte, ent-
behrt. Ganze lange Airaßen werden
angelegt, deren Wohnquartiere nie
von einem Aonnenstrahl gestreift
werden, weil sie nach Norden liegen.

Aolche Kapitalsehler haben selbst
fortschrittsärmere Zeiten nie aufzu-
weisen gehabt. Gründliche Abkehr
von: heimisch Bezeichnenden er-

schien „fortschrittlich"; die Erhaltung
heimatlicher Kulturschätze scheiterte
am allgemeinen Unverständnisse.

Sammlungen kulturhistorisch
weit umfassender Art gab es, oder
besser gesagt, gibt es noch heute so
gut wie gar nicht. Man hatte
Bildergalerien, man hatte Samm-
lungen glyptischer Werke, man hatte
Schatzkammern, in denen kostbare
und durch ihre Verfertiger be-

rühmte Arbeiten ausbewahrt wurden. Man sam-
melte nach „Qualität". Der Untergrund aber, aus
dem diese Spitzen künstlerischer Tätigkeit erwachsen
waren, die Volkskunst, hatte geringe, vielfach keine
Bewertung gefunden. Selbst die Gründung von An-
stalten, wie des Germanischen Museums zu Nürnberg
und des Nationalmuseums zu München, um zwei der
hervorragendsten Erscheinungen zu nennen, brachte
keine weitestgehende Berücksichtigung des kultur-
geschichtlichen Momentes mit sich. Es wurden zu-
nächst Antiquitätensammlungen größten Stiles. Zn
Zeughäusern und Rüstkammern fand sich, was vom
erfinderischen Sinne in Angriff und Abwehr, von
hochstehender künstlerischer Art im Schmuck dieser
Dinge erzählte, doch sind das nicht die sprechend-
sten Zeugen der großen Schaffenskraft des ringenden
Menschengeistes. Er spricht stärker, in tausendfältiger
Art aus den Werken der friedlichen Entwicklung.

Die Altertumswissenschaft hatte Vorstellungen zu
schaffen begonnen von Kulturepochen, über deren
Wesen nur die Art der stofflichen Bearbeitung, nicht
aber irgend welche bestimmte Nach
richten Anhaltspunkte für die Be-
urteilung des menschlichen Daseins
und seiner Begleiterscheinungen
geben. Aus dem schlammigen
Grunde der Seen, aus Erdhügeln
und Steinmalen kamen diese alten
Arbeitsprodukte wieder ans Tages-
licht; daraus konnte sich eine lücken-
hafte Anschauung über die Entwick-
lungsgeschichte der ältesten Landes-
besiedelung bilden. Die sich meh-
rende Anschauung über die Kn
trennbarkeit der Glieder in der
langen Kette der kulturgeschichtlichen
Entwicklung hätte eigentlich dazu
führen müssen, das noch im vollen
Zusammenhang Vorhandene gegen
Vernichtung so gut wie möglich

l3\7. Stockholm; Nordisches Museum.
Schnalle aus dem Airchsxiel Iärfsö
in thelsingland.
 
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