Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 55.1904-1905

DOI Artikel:
Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Skandinavische Museen: eine Reisestudie, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7198#0190

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Skandinavische Museen.

ZU schützen. Manche Überlieferungen, die sich bis
dahin gehalten hatten, gehen in Zeiten zurück, deren
genaue historische Bestimmung so gut wie unmög-
lich ist. Ein paar schlagende Beispiele: Zm däni-
schen Volksmuseum zu Lyngby bei Kopenhagen
liegen z. B. einige Baumsarg-Grabmäler, von
denen eines die Jahreszahl H8581) trägt. Die Be-
stattungsweise unter Anwendung des Baumsarges
kommt schon bei prähistorischen Gräbern vor. — Der
Einbaum, wohl so ziemlich der primitivste Schiffstyp,
bildete noch vor wenigen Jahrzehnten auf verschie-
denen bayerischen Seen das Fahrzeug der Mischer.
Wie viele Museen besitzen derlei Dinge? Nicht nur
mit solch uralten Formen allein räumte die neue Zeit
nun auf, sie tat es auch mit andern. Die Volkstrachten
erloschen; gleichzeitig natürlich eine Unzahl von
Spezialgewerben, die in Verbindung damit sich ent-
wickelt hatten. Die Landstraße verödete; mit ihr
manches Gemeinwesen, das heute vom Schienenstrang
wohl berührt wird, aber zur Bedeutungslosigkeit
herabgesunken ist, während es früher vielleicht eine
berühmte Haltestation war. Textilien aller Art, früher
aus den ländlichen Bezirken nach den Städten zum
Verkaufe gebracht, machen jetzt den umgekehrten Weg.
Das gesamte Arbeitsgerät erfährt gründliche Um-
wandlungen; die Landwirtschaft arbeitet nach viel-
fach neuen Prinzipien; die aus kleinen Anfängen sich
entwickelnde Technik der graphischen Vervielfältigung

') (Es sind drei Exemplare da, wovon das kleinste, für
ein Rind berechnet, ohne Inschrift und Jahreszahl blieb, viel-
leicht also nicht benutzt worden ist. Nr. 2 hat die Inschrift
„ksier ruhet usw. Lhristen Iörgensen, geboren ;.V. ge<
storben .... (fehlt)"; Nr. 3: Pier ruhet . . . Thomas Sörensen,
geb. ;77J, gestorben ;SL8.

u. 220. Stockholm; Nordisches Museum. Gestickte Pelz-
handschuhe aus Delsbo, pelsingland.

z;8. Stockholm; Nordisches Museum.
Brautgürtel aus Telemarken.

jeder Art wurde, in Tausenden von ver-
schiedenen Anwendungen einfach unent-
behrlich, ja zu einer Weltmacht. Kein
schaffender bekümmert sich mehr um
Techniken, die vor wenigen Generationen
noch in Blüte standen, da oder dort
früher berühmte Spezialitäten hervor-
brachten. Solch unaufhaltsamem Wandel
entgegenzuarbeiten, wird keinem vernünf-
tigen Menschen einfallen; anderseits
braucht nicht alles, was vorher war, der
Zerstörung anheimzufallen. Was man
aus prähistorischer Zeit sorgsam auf-
bewahrt, ist wertvoll, gewiß, aber in
demselben Maße auch, was die nächsten Vorfahren,
Großvater, Urgroßvater zu ihrem Leben brauchten.
Zn allen Dingen und Namen Bescheid zu wissen, die
mit der römischen Kultur auf germanischem Boden
verknüpft sind, verlangt man von jedem Gymnasiasten.
Namen und Tätigkeit der eigenen Großeltern aber
kennen die wenigsten. Auf diese Zustände braucht
inan nicht gerade stolz zu sein. Noch wird der Wert
gründlicher Kenntnisse über die zahllosen Denkmale
der eigenen Volksvergangenheit nicht so hoch an-
geschlagen, als er es verdient. Was man Geschichts-
unterricht oder gar Heimatskunde nennt, ist manch-
mal eine mehr als zweifelhafte Sache.

Die Zugrundelegung kulturgeschichtlicher Auf-
fassung maiigelte in der Zeit der allgemeinen Mu-
seumsgründungen meist ganz und gar, bestand doch
die wesentlichste Aufgabe in der Sichtung der Pro-
dukte nach stofflichen oder historischen Gesichtspunkten.
Was an künstlerisch bildendem Einfluß davon erwartet
wurde, blieb weit hinter den gehegten Erwartungen
zurück. Die zahllos neu in Anwenduiig kommenden
Arten der stofflichen Bearbeitung konnten unmöglich
auf Arbeitsresultate zurückgreifen, die unter wesentlich
anderen Verhältnissen und Anschauungen entstanden
waren. Die Anregungen der Museen führten weit
mehr auf wissenschaftliche als auf künstlerisch richtige
Wege. Die moderne Produktion bewies in ihrer
Massenarbeit meist ein absolut oberflächliches, oft
gar kein Begreifen der unterscheidenden Faktoren.
Das Nichtverstehen der Unterschiede zwischen ma-
nueller und maschineller Produktion wurde geradezu
 
Annotationen