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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 55.1904-1905

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Jaumann, Anton: Ausstellungskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7198#0351

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Ausstcllungskunst.

63;. Bischofsthron für den Dom in Bamberg; von st Leonh.
Rom eis (vgl. Abb. 632 u. szz).

Publikum die Kränze verteilt werden und der um-
fänglichste Teil der modernen Kunstgeschichte sich
abspielt. Mit Ausstellungen rivalisieren die Stabte
um den Ruhm als Kunstmetropolen und — um
den Zuzug der Fremden. Kein Wunder, wenn so
eine eigene Kunst der Ausstellung sich herausgebildet
hat, wenn sie als Ganzes zum Schaustück geworden,
dem die Einzelkunstwerke nur Mittel zur Erzielung
eines möglichst prächtigen oder aparten Gesamtein-
druckes sind.

An diesen Schaugefechten nimmt seit mehreren
Jahren auch das Kunstgewerbe teil. Die Physionomie
der Ausstellung wurde dadurch noch um vieles
komplizierter. Waren schon bei der Vorführung der
Gemälde und Skulpturen die oft gegensätzlichen
Tendenzen nur äußerst schwer zu vereinigen — der
Individualismus der Persönlichkeiten wie der Werke
mußte unter der Anhäufung empfindlich leiden —,

so brachte die angewandte Kunst durch neue Sonder-
zwecke nur neue Schwierigkeiten. Die Bilderschau
war immer eine Bilderschau gewesen; um die
Endbestimmung jedes Bildes, einem Wohn- oder
Repräsentationsrauin als Schmuck sich einzuordnen,
hatte man sich nicht gekümmert. Gemälde, Skulp-
turen wurden nur als solche behandelt — und da-
mit kam man um ein sehr heikles Problem herum.
Patten die Kunstgewerbler ebenso wenig Ehrgeiz
besessen, dann konnten sie etwa mit der Vorführung
einzelner Sessel, Beleuchtungskörper, Bijouterien zu-
frieden fein, obwohl auch hier die Frage nach der
praktischen Brauchbarkeit immer schon neben die
künstlerische trat. Allein von allem Anfang an
wollten sie mehr, wollten sie die engere und weitere
Umgebung des Menschen einheitlich gestalten und
zum Gesamtkunstwerk erheben. Damit machten sie
nicht nur ihr künstlerisches Problem, sondern auch
ihren Ausstellungsapparat erheblich verwickelter und
setzten sich zugleich einer vielseitigeren Kritik aus.
Verschiedene Persönlichkeiten sollten da im Rahmen
eines größeren Komplexes, ja oft eines und des-
selben Raumes sich so vertragen, daß trotz der per-
sönlichen Note — das moderne Kunstgewerbe legt
auf diese bekanntlich größtes Gewicht - ein ein-
heitlicher Raumeindruck zustande kam. (Wollten
nur die Maler einmal versuchen, ihre Bilder in
praktisch möglichen Wohnräumen darzubieten!!)
Dann sollte die kunstgewerbliche Ausstellung als
Ganzes ein interessantes Schaustück sein, ein Schmaus
für die Augen, eine genußvolle Wanderung durch
feine, fesselnde Farbenstimmungen. Und doch dürfen
der vorteilhaften Erscheinung des Ganzen keine Kon-
zessionen auf Kosten der Wahrheit und praktischen
Verwendbarkeit des Einzelnen geinacht werden. Die
Folge der Gesichte soll den Besucher erfreuen und
ihn; angenehm in der Erinnerung haften, durch
Neuheit und Schönheit sollen die Ausstellungsobjekte
die Aufmerksamkeit auf sich ziehen — und doch in
Preisgrenzen sich bewegen, die einen Verkauf mög-
lich erscheinen lassen. Der eine appelliert an ein
breites Publikum und feine Bedürfnisse, der andere
an einen auserlesenen Kreis von Feinschmeckern.
Man rivalisiert um den Beifall der Beschauer und
um die Auszeichnung der Kritik, man will aber
auch in die Kunstgeschichte eingehen und strebt da-
nach, sich durch Eigenart hervorzutun und über das
Erworbene hinaus ein Neues zu finden und „sich
Verdienste zu erwerben". Schließlich drängt es auch
jeden echten Künstler, die quellenden Eingebungen
seiner Phantasie zu verwirklichen, seine luftigen, flüch-
tigen Träume zu materialisieren — er gibt sie in
die Ausstellung mit der leisen Hoffnung, so hinter-

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