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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft I (Januar 1908)
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Kolb, Gustav: Die Reorganisation unseres gewerblichen Fortbildungsschulwesens: ihre Bedeutung für das kunstgewerbliche Fachgebiet und dessen Lehrer, [1]: (Vortrag auf der Generalversammlung der Württ. Zeichenlehrervereine in Stuttgart am 30. Dezember 1907)
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0008

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Wir Zeichenlehrer haben allen Grund, uns dieser Fortschritte von Herzen
zu freuen, denn wir haben die Notwendigkeit dieser Reformen längst erkannt und
am eigenen Leib erfahren. Lange bevor sonstwie Stimmen in der Oeffentlichkeit
laut wurden, die diese hochwichtige Frage erörterten, hat die Zeitschrift des Ver-
eins württembergischer Zeichenlehrer auf die Unzulänglichkeit unserer gewerblichen
Fortbildungsschule und Werkstattlehre hingewiesen, die das Ziel, das sich die
gewerbliche Bildung und Erziehung stecken muss, nicht erreichen konnten, nämlich
den Nachwuchs zu brauchbaren, mit allen technischen Hilfsmitteln vertrauten Ar-
beitern, zu selbständigen, geschäftstüchtigen gewerblichen Unternehmern und zu
tüchtigen Staatsbürgern heranzubilden.
Die Tätigkeit des neugeschaffenen Gewerbeoberschulrats und seines Beirats
fand zunächstvornehmlich in der Festlegung „der Grundlinien des Lehrplans
und der Organisation der künftigen Gewerbeschulen“ ihren Ausdruck'.
Das schultechnische Mitglied, Prof. Hartmann hat damit ein Reformprogramm auf-
gestellt, das wohl in seiner Gesamtheit wie in seinen einzelnen Teilen an Klarheit
und Bestimmtheit nichts zu wünschen übrig lässt.
Die darin enthaltene Feststellung und Gliederung des Lehrstoffs nach den
Aufgaben und Zielen der Gewerbeschule hinsichtlich der beruflich-technischen und
der kaufmännisch-geschäftlichen Ausbildung der Schüler sowie die klare Anord-
nung und Abgrenzung der einzelnen Fächer in Berufskunde und Geschäftskunde
findet unsern vollen Beifall. Man darf wohl sagen, dass dieses in letzter Zeit in
den Kreisen der Fortbildungsschulmänner so viel umstrittene Gebiet hier zum
erstenmal eine durchaus einwandfreie Begründung fand. Jeder Kenner der ein-
schlägigen Literatur wird begreifen, welch grossen Fortschritt das bedeutet. Noch
vor 3 Jahren, am Schluss des 8. deutschen Fortbildungsschultages in Stettin,
äusserte sich der Geh. Regierungsrat Dr. Dunker, der Vertreter des Preussischen
Ministeriums folgendermassen: „Meine Herren! Sie verlangen, der Herr Minister
möge die Gewerbekunde in den Mittelpunkt des Unterrichts stellen. Sagen Sie
aber doch erst einmal, was Gewerbekunde ist. Darüber sind sich die Fachmänner
noch lange nicht einig.“
Auch den Grundsätzen bezüglich der Organisation der Gewerbeschulen,
der Festlegung des Pflichtunterrichts, des Tagesunterrichts und der Anstellung von
besonders ausgebildeten, im Hauptamt an der Gewerbeschule tätigen Lehrern kann
nur beigepflichtet werden; die strenge Durchführung der Berufsschule, die Bildung
der Klassen nach beruflichen Rücksichten, also Vereinigung der Lehrlinge eines
bestimmten Gewerbes in einer Berufsklasse oder wenigstens Zusammenfassung ver-
wandter Gewerbe in einer Fachabteilung, das sind Forderungen, die sich folge-
richtig aus jenen Grundsätzen ergeben.
Die Bestimmung, dass der gesamte Unterricht einer Abteilung in die Hand
eines und desselben Lehrers zu legen ist, dass also der Unterricht nur solchen
Lehrern anvertraut werden kann, die die einschlägigen Lehrgebiete, die Berufs-
und Geschäftskunde sachlich und schultechnisch beherrschen, das war der erste
Punkt, der bei den Zeichenlehrern zunächst Bedenken hervorrief. AVar doch damit
aufs Bestimmteste ausgesprochen, dass der Zeichenlehrer nach seiner seitherigen
Vorbildung, die ohnehin diejenige des eigentlichen Gewerbelehrers an Dauer über-
trifft, zum Gewerbeschuldienst untauglich sei. Im engen Zusammenhang damit stan-
den die Vorschriften über die Vorbildung der kunstgewerblichen Techniker, die
weiterhin in der amtl. Bekanntmachung des Gewerbeoberschulrats vom 15. Juni d. J.
zum Ausdruck kam, dass nur solche Techniker in den 5/rjährigen Vorbereitungs-
kurs aufgenommen werden, die den Nachweis einer abgeschlossenen technischen
Fachbildung erbringen können, die mindestens auf der Höhe der Zeichenlehrer-
dienstprüfung steht.
Fasste man die voraussichtliche Wirkung des Gewerbeschulgesetzes noch weiter
ins Auge, so stiegen weitere Befürchtungen auf.
Das kunstgewerbliche Fachzeichnen und Modellieren, das bisher einen breiten
Raum im Lehrplan einnahm, ging vermutlich zugunsten einiger theoretischer Fächer
 
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