Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 2.1908

DOI issue:
Heft X (Oktober 1908)
DOI article:
Binal, W.: Erfüllen die Museen ihre Aufgabe?
DOI article:
Bollmann, Emil: Praktische Winke für den Unterricht zur Herbstzeit
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0116

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
104

deutet, so muss auch in dieser Beziehung an den Landbewohner gedacht werden, um ihn
an die Scholle zu heften. Wie viel wird doch geklagt über die immer mehr zunehmende
Landflucht! Warum? Neben dem viel reichlicheren Verdienste konzentriert sich in den
Städten alle Bequemlichkeit. Dies letztere gilt ganz besonders für wohlhabende Leute,
die ihres Lebens Abend gerne draussen auf dem Lande bei den einfachen natürlichen Menschen
in Gottes herrlicher Natur beschliessen würden, wenn ihnen nebenbei auch etwas zu ihrer
Unterhaltung geboten würde.
Sollen die Galerien ihren Anteil an der Verbreitung der Kunst und ihrer Vertiefung
haben, so muss gründlich Wandlung geschaffen werden. Die grundlegende Reform bestände
in der Dezentralisation der Kunstwerke. Das Museum enthalte nur die Grössten der Grossen,
die so angebracht und eingeordnet werden, dass sie mit ihrer ganzen Kraft auf den Be-
schauer einwirken. Jeder Saal enthalte die für die Werke notwendige Grundstimmung;
künstlerische Grösse, vornehme Ruhe und die daraus entspringende Harmonie bannen uns
und halten den Blick fest an einem Werke, das seinen ganzen Inhalt in farbenfroher Sprache
uns zuraunt. Alle übrigen Werke, auch solche ersten Ranges, es könnte ja steter Wechsel
eintreten, sind im Zentralmuseum entbehrlich und würden ihre Mission nur dann ganz er-
füllen und wären ihrerseits die Vorbereiter, wenn sie über das ganze Land verstreut wären,
sich überall da zeigen würden, wo die Menschen sich in öffentlichen Gebäuden zusammen-
finden, z. B. in Rathäusern, Schulhäusern, Kirchen, Post, Bezirksämtern, Amtsgerichten, Bezirks-
stellen usw. Erstens könnten weitaus die meisten Werke wirkungsvoll angebracht werden
und zweitens wären dieselben jedermann zugänglich. Die Leute kommen ihres Geschäftes
wegen in die Gebäude und sehen zufällig die Bilder, die auf sie ganz sicher ihren Eindruck
machen würden. Von Zeit zu Zeit ein kleiner Hinweis in den Ortspressen von Sachver-
ständigen würde das Interesse und das Verständnis heben. Die Kunst wird so in das Volk
hineingetragen, denn wenn wir warten, bis jenes der Kunst nachläuft, könnte dies gar lange
dauern; das moderne Leben stellt zu grosse Anforderungen an den einzelnen Menschen, als
dass es ihm noch möglich wäre, Zeit und Geld aufzubringen für ideale Zwecke. Das ganze Volk
steuert ja zur Beschaffung der Werke bei, also sind auch alle gleich berechtigt zum Genuss. Sie
sind Nationaleigentum. Kunstfreunde und Künstler, die das nötige Interesse und Kleingeld be-
sitzen, werden sich bald informiert haben, wo die für sie wichtigen Werke sind, da genaue
Verzeichnisse geführt werden müssten, und übrigens ist der Weg nach X. oder U. auch nicht
weiter als in die Hauptstadt. Dadurch wäre der Idee der Künstler, durch die Werke un-
mittelbar auf die Masse zu wirken und ihnen die Wohltat der Kunst zuteil werden zu
lassen, sehr nahe gekommen. Die beiden grossen Momente — das Künstlerische und das
Soziale — verlangen energisch die Dezentralisation der Kulturwerke. Dadurch würde zur
Ueberbrückung der das Zusammenleben der einzelnen Klassen und das Fortkommen eines
ganzen Volkes so schwer schädigenden und immer weiter klaffenden Gegensätze ein idealer
Brückenpfeiler geliefert, um den in hochbewegter Zeit die anschwellenden Wogen der
politischen und sozialen Unterschiede sich brechen könnten. Gewiss würde dies mit helfen,
einen festen Weg zu bauen zur grösseren Zufriedenheit und Verinnerlichung. W. Binal.

Praktische Winke für den Unterricht zur Herbstzeit.
Von E. Bollmann, Zürich-Düsseldorf.
Wohl manchem Kollegen mag nach den schönen freien Ferienwochen die Akklimati-
sierung im Schulsaal etwas schwer gefallen sein, und bei einem sehnsüchtigen Blick durchs
offene Fenster vielleicht zeitweilig noch jetzt die stille Frage aufsteigen: Gäbe es denn
nicht ein Mittel, die genussreiche Ferienzeit noch etwas zu verlängern, und zwar so, dass
Lehrer und Schüler einen Nutzen daraus ziehen? Wäre es nicht möglich, den Unterricht
während der schönen Herbsttage noch ins Freie zu verlegen ? — Der Gedanke leuchtet ein.
Wie stellt sich die Klasse dazu? Zunächst ein allgemeines Halloh, und ist der Radau endlich
verklungen, als Bekräftigung und Echo zugleich ein wohlgefälliges, stillvergnügtes Grunzen.
Endlich ist sie gekommen, die nächste Zeichenstunde! Dank des freundlichen Ent-
gegenkommens eines Kollegen sind die heutigen wissenschaftlichen Stunden bis auf weiteres,
d. h. bis sich die Witterung ändert, verschoben, und so haben wir also den ganzen Nachmittag
zur Verfügung. Was lässt sich da in dieser Zeit nicht alles Nützliches treiben!
Schon poltert die Karawane in eiliger Hast die Treppe hinunter, mit Blei-und Pastell-
stiften bewaffnet, ein kleines Mäppchen unter dem Arm. Im munteren anregenden Gespräch
geht’s die Dorfstrasse hinauf, immer höher bis zur Burgruine auf dem Hügel. Auf dem
Wege wird gefragt und erklärt ohne Ende. Ueberall, wohin das Auge sich wendet, die
reizendsten Motive! — Dort eine mit Säcken und Körben beladene Schiebkarre, oben am
Rebhang ein Weinwagen mit Leiter, Pansen und Fässern, dort Ochsen am Pflug. — Ringsum
auf den Kuhweiden melodisches Geläute; ein vorwitziges Rind kommt vertraulich heran. —
Auf dem Wege liegen Nüsse, Aepfel, prächtige herbstlich gefärbte Blätter. Die schönsten
Exemplare werden eingesteckt und im Schulsaal als Einzelmodelle für die nächste Stunde
aufbewahrt. — Hier am Bach wuchert ein Brombeerstrauch über den Weg. Wie hübsch
sind die Blätter geformt, wie prächtig heben sich die hellgelben und braunroten Blätter an
der Oberfläche ab von dem tiefen, satten Grün im Innern des Busches. — Dort ist Gelegen-
 
Annotationen