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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft V (Mai 1908)
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Kolb, Gustav: Der II. Verbandstag des Verbands Süddeutscher Zeichenlehrer-Vereine
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Kolb, Gustav: Ausstellung der Kgl. Fachschule für Edelmetallindustrie in Gmünd
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0050

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Schönheit der schwäbischen Residenz so recht vor Augen geführt werden. Mit dem
Zuruf: „Das nächste Jahr in Strassburg!“ trennte man sich abends, und der
Verbandstag, der einen wohlgelungenen Verlauf genommen, war zu Ende. Möge
er gute Früchte für die Arbeit jedes Einzelnen gezeitigt haben und noch lange in
schöner Erinnerung sämtlicher Teilnehmer leben! Am Schluss dieses Berichts soll
nicht versäumt werden, dem Herrn Präsidenten von Mosthaf noch unsern ehr-
erbietigsten Dank zu sagen für das überaus freundliche Entgegenkommen, das der
Verband erfahren durfte, für die Ueberlassung des Vortragssaals des Landesgewerbe-
museums, für die Offenhaltung der herrlichen Sammlungen und für die Führung
durch dieselben durch Herrn Professor Dr. Pazaurek. Gustav Kolb.

Ausstellung der Kgl. Fachschule für Edelmetallindustrie in Gmünd.
Welch guten Ruf' die Ausstellungen der Gmünder Fachschule im Lauf der letzten
Jahre erlangt haben, beweist schon der Umstand, dass sie stets von Fachleuten aus allen
Teilen Württembergs besucht werden. So trafen sich auch heuer wieder am Palmsonntag
eine stattliche Anzahl von Kollegen im schönen gemütlichen Gmünd, um neue Anregung
zu holen.
Wie immer, bildete auch diesmal eine Perle der Ausstellung das von H. Weingand
geleitete „Pflanzenzeichnen“. Im Grunde genommen ist diese Bezeichnung nicht ganz
zutreffend, weil zu eng. Der Unterricht berücksichtigt nämlich neben der Pflanze auch die
Tierwelt und würde, seiner Art und seinem Ziel entsprechend, richtiger „struktives Natur-
zeichnen“ zu nennen sein.
Die mannigfaltigen organischen Gebilde, die W. seinem Unterricht zugrunde legt,
werden einem überaus gründlichen Studium unterworfen, das sich nicht nur auf die Gesamt-
erscheinung erstreckt, und vor allem nicht nur die dekorative Wirkung in sich schliesst,
sondern den Schüler zwingt, dem tektonischen Aufbau nachzuspüren, um zur Erkenntnis der
Struktur, der Gliederung, der Bildungs- und Wachstumsgesetze zu gelangen. Häufig werden
einzelne, besonders interessante Teile herausgegriffen und von allen Seiten gesehen, bedeutend
vergrössert zur Darstellung gebracht. Dabei steht dieser Unterricht im engsten Zusammen-
hang mit dem Zweck der Schule. Die gezeichneten Formen werden sofort daraufhin unter-
sucht, ob und wie sie sich für die Praxis der Edelmetallindustrie verwerten lassen. Deshalb
zeigen die meisten Blätter direkte Verwertung der Naturformen für Kunstformen, für
Schmuck u. dergl. Die Findigkeit des Lehrers muss bewundert werden, der es versteht,
selbst die kleinsten unscheinbarsten Naturgebilde wie Flechten, Moose, Grasarten, dem Unter-
richt dienstbar zu machen und dem Schüler zu zeigen, welche Schätze der herrlichsten
Formen die Natur überall birgt, Formen, die allerdings dem oberflächlichen Blick meist ver-
borgen bleiben.
Es ist klar, dass der Schüler auf diese Weise befähigt wird, die Natur fühlend und
denkend im Zusammenhang mit seinem Beruf zu betrachten, und selbständig Anregung und
neue Ideen für seinen Beruf aus ihr zu schöpfen. Auf die mustergültige, rein sachliche
Darstellung sämtlicher Arbeiten des Weingand’schen Unterrichts soll noch besonders
hingewiesen werden. Die Farbe findet reichliche Verwertung, doch nicht im malerischen
Sinn. Sie wird nur als Lokalfarbe berücksichtigt und dient dann hauptsächlich zur klaren
Hervorhebung der Gliederung.
Rich. Pleuer erteilt Unterricht in „kunstgewerblichen Aufnahmen“, die vor
allen den Zweck verfolgen, den Schüler die Darstellungsarten zu lehren, die für seinen Be-
ruf in Betracht kommen. Die verschiedensten kunstgewerblichsten Gegenstände der Edel-
metallindustrie kommen hier in sachgemässer Weise zur Darstellung, meist in Grund- und
Aufriss und in Schnitten. Teile, die für die Konstruktion von Bedeutung sind, werden be-
sonders gezeichnet. Der Schüler muss sich über die Zusammenstellung solcher Teile Klar-
heit verschaffen und z. B. genau angeben, ob diese durch Lötung oder mit Hilfe von
Schrauben geschieht. Bei Aufnahmen von Schmuckgegenständen, bei denen solche Teile
meist sehr klein sind, geht man häufig bis zur 6fachen Vergrösserung. Der Schüler soll
hier ausserdem die sachgemässe farbige Behandlung der Gegenstände lernen, also z. B. die
Darstellung der verschiedenen Materialien, der Metalle, der Steine nach Form, Farbe und Licht-
brechung u. s. w. Sämtliche Arbeiten bekundeten einen wesentlichen Fortschritt gegenüber
früher. Die Darstellung ist stets, dem Zweck entsprechend, einfach sachlich gehalten. Das
rein malerische Moment wird, wie auch im struktiven Naturzeichnen, mit Recht vollständig
ausgeschalten.
Den Unterricht im Bijouteriezeichnen und -Entwerfen erteilt ebenfalls Rich.
Pleuer. Der Schüler soll hier befähigt werden, Schmuckgegenstände entweder in einer
bestimmten Stilrichtung oder unter Anwendung von Naturmotiven zu entwerfen. Die aus-
gestellten Arbeiten zeigten einen aufsteigenden Lehrgang von einfacheren Bijouterien bis zu
Brillant- und Juwelenschmuck. Die Darstellungsweise und -Art wird teilweise so gehand-
 
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