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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft VI (Juni 1908)
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Kolb, Gustav: Für einfache Schulverhältnisse
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Der Zeichenunterricht in der Volksschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0062

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den Auftrag, schöne, grosse Schneckenhäuser zu suchen und mitzubringen. Dem
Zeichnen lasse ich immer eine kleine Besprechung vorausgehen, wobei ich auf
Schönheit, Zweckmässigkeit und Gesetzmässigkeit des Baues des Schneckenhauses
hinweise. Ich sage: „Nehmet einmal euer Schneckenhaus so in die Hand, dass
die Spitze desselben, von der alle Windungen ausgehen, eurem Auge zugekehrt
ist. Verfolget nun die Linie, die diese Windungen bildet, von der Spitze innen
nach aussen. Diese wollen wir zuerst zeichnen.“ (Abbildung 3, links.) Die Schüler
werden nun sofort gewahr, dass das Eigentümliche dieses Linienzuges darin beruht,
dass er sich stetig nach aussen erweitert. Man sagt ihnen nun: eine solche Linie
nennt man eine S ebn e cken linie eben deshalb, weil sie beim Schneckenhaus
vorkommt, oder eine Spirale. Nicht jedes Schneckenhaus zeigt indessen die
stetige Erweiterung in strenger Form (vergl. auch unsere Abbildung). Die Natur
besitzt eben überall, so auch hier, bei aller Gesetzmässigkeit Ereiheit. Der Lehrer
zeichne nun die typische, streng gesetzmässige Linie an der Tafel vor, die Schüler
zeichnen sie nach. „Nun haltet das Schneckenhaus so vor euer Auge, dass die
Spitze nach oben sieht (Abbildung 3, rechts). Wie sehen wir nun den Linienzug
der Windungen? Er steigt von unten nach oben in die Höhe, wie ein Weg, der
rings um einen kegelförmigen Berg herum vom Fuss desselben auf den Gipfel führt.
Die Abstände der einzelnen Abschnitte werden nach oben zu stetig kleiner. Wir
gewahren also auch hier eine
strenge Gesetzmässigkeit. Nun
haben wir die Form des
Schneckenhauses von zwei
Seiten gezeichnet und dadurch
seinen organischen Bau kennen
gelernt. Das ist für uns das
Wichtigste. Wenn wir das
Schneckenhaus auf den Tisch
legen und zurücksitzen, so
können wir einige perspek-
tivische Zeichnungen machen.
In unteren Klassen begnügt
man sich mit der Umrisslinie.




In Oberklassen kann man die plastische Form durch die Hauptschatten zum Ausdruck
bringen, wobei die Schüler die Schattengrenzen beobachten und darstellen lernen
müssen. Die Ausführung kann alsdann mit Bleistift oder Feder geschehen. Auch
kann man die Schattenflächen mit einem neutralen Ton in Wasserfarbe anlegen.
Die strenge gesetzmässige Form der Schneckenhäuser bedingt eine genaue und
scharfe Zeichnung. Anschliessend an diese Aufgabe kann mit Erfolg die Mu s ch el
in ihren verschiedenen Arten und Formen behandelt werden. G. K.

Der Zeichenunterricht in der Volksschule.
Nachstehender Reisebericht des Prof. Pallat, der im Auftrag des preuss. Unterrichts-
ministeriums mehrere Städte Westfalens und Hannovers bereiste, um den Zeichenunterricht
in den Volksschulen einer Prüfung zu unterziehen, enthält soviel Beachtenswertes auch für
unsere Verhältnisse, dass wir ihn unseren Lesern nicht vorenthalten wollen.
„Der Zeichenunterricht nach dem neuen Lehrplan in den vom Unterzeichneten be-
suchten Volks- und Bürgerschulen der Städte Osnabrück, Arnsberg, Hagen und Minden be-
findet sich in erfreulicher Entwicklung. Die Lehrer und Lehrerinnen versuchen mit Interesse
und im grossen und ganzen auch mit Verständnis, der ihnen gestellten neuen Aufgabe gerecht
zu werden. Die Schüler haben wie überall, wo nach dem neuen Plan gezeichnet wird,
Freude an der Arbeit und bringen es auch zu befriedigenden, zum Teil sogar guten und
recht guten Ergebnissen. Für eine gründliche Vorbereitung der Lehrkräfte ist am meisten
in Osnabrück geschehen. Hier sind zwei je 150 Stunden umfassende Kurse unter der Leitung
geprüfter Lehrer abgehalten worden. Die Teilnahme an diesen Kursen war eine ausser-
ordentlich rege. Insbesondere verdient der Eifer Anerkennung, mit dem die auf dem Lande
beschäftigten Lehrer trotz äusserer Schwierigkeiten die Kurse regelmässig besucht haben.
 
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