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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft VIII (August 1908)
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Gewerbliches Bildungswesen
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Vereinigung für Zeichen- und Kunstunterricht <Berlin>: Grundsätze für Ausstellungen von Schülerzeichnungen an allgemein bildenden Lehranstalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0089

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führen. Nichts wird da gezeichnet, was er nicht macht, und er macht nichts, was er nicht
gezeichnet hat. Dabei überlegt er, was zu verwenden ist und wieviel es kostet; Kurszettel
sind überall angeschlagen. Zugleich lernt er den Wert der Zeit kennen und lernt schrift-
liche Arbeiten schätzen, lernt die Bezugsquellen kennen und die Fragen von Handel und
Verkehr, alles auf ganz natürlichem Wege. Die Meister haben an diesen Schulen ein leb-
haftes Interesse gewonnen, nachdem sie ihre Vorteile erkannt haben. Der Lehrling ist am
besten einen ganzen Tag in der Woche unter dieser Ausbildung von morgens bis abends.
In München führen jetzt die verschiedensten Gewerbe freiwillig diesen Unterricht ein und
stellen selbst die besten Lehrer zur Verfügung. Dadurch wird eine Verschmelzung erreicht
wie nirgends sonst, und das Gemeinsamkeitsgefühl ist wertvoll für alle Zukunft. Hier kann
auch ein wirkungsvoller staatsbürgerlicher Unterricht gegeben werden. Der Lehrling erkennt
den Wert der Zusammengehörigkeit, der Geschichte, er lernt, wie die Zünfte einst Hoch-
schulen der Gewerbe waren, wie der Staat in seiner heutigen Form ersteht, lernt das All-
gemeinwohl voransetzen allem selbstischen Vorteil. Es müssen Zwangsschulen werden auch
für die Ungelernten, die zum Schluss die Gesellenprüfung ablegen. Ihre Fortsetzung finden
sie in den Handwerkerschulen u. s. w. Einige Lichtbilder zeigten diese 46 Münchener
Schulen in Ansichten und Grundrissen, zeigten den grossen Vortragssaal, wo kinemato-
graphische Vorführungen z. B. des Hochofenbetriebes stattflnden, die Säle mit Arbeits-
maschinen und -Werkzeugen. Liebe zur ehrlichen sorgfältigen Arbeit soll hier eingeflösst
werden. Ihre Einrichtung ist 40—50 v. H. teurer als die der normalen Fortbildungsschulen,
weil die Lehrlinge dort den ganzen Tag sind. Alle solide Arbeit kostet eben mehr, aber
das Teuerste ist die Unfähigkeit und die Unwissenheit. Für höhere Schulen wird genug
Geld aufgewendet, bei den unteren, die der meisten Unterstützung bedürfen, tragen wir
Bedenken. Die grössten Schätze retten ein Land nicht, nur die Intelligenz der einzelnen
erhält es im Kampfe auf dem Weltmärkte. — Lauter, wohlverdienter Beifall folgte diesem
Vortrage. Die Sitzung war durch Gegen- und Zwischenrufe so erregt wie selten im Verein
und bewies die Wichtigkeit des Gegenstandes. Zum Schlüsse dankte der Vorsitzende Muthesius
dem Vortragenden, als einem Mann, der etwas geschaffen hat, für seine Ausführungen.
„Deutsche Blätter für Zeichen- und Kunstunterricht“.

Grundsätze für Ausstellungen von Schülerzeichnungen
an allgemein bildenden Lehranstalten.
Aufgestellt von der Zeichensektion des Berliner Lehrervereins.
1. Die neuere Pädagogik ist mit Recht im allgemeinen gegen öffentliche Schaustellungen
der Schule.
2. Obwohl auch gegen Zeichenausstellungen sehr begründete Bedenken vorliegen,
können sie doch berechtigte Zwecke verfolgen:
a) besondere (fachliche) Zwecke, b) allgemeine (öffentliche) Zwecke.
Deshalb sind Zeichenausstellungen streng zu scheiden
a) in solche für Fachleute und b) in solche für die Oeffentlichkeit.
3. Zeichenausstellungen der ersteren Art haben den Zweck,
a) Lehrgang und Unterrichtsweise des Lehrers klar zum Ausdruck zu bringen.
b) die Ergebnisse des Unterrichts vor Augen zu führen.
(Die anleitende und verbessernde Tätigkeit des Lehrers lässt sich allein aus
dem regelmässigen Unterrichtsbetriebe, niemals aber aus einer Zeichenausstellung
erkennen.)
4. Zeichenausstellungen der zweiten Art haben noch den besonderen Zweck,
a) die Schüler zu weiterer eifriger Tätigkeit anzuspornen, b) die Be-
ziehungen zwischen Schule und Haus zu fördern, c) der Schulanstalt
bei besonderen Gelegenheiten ein festliches Gepräge verleihen zu helfen.
5. Ausstellungen von Schülerzeichnungen für Fachleute erfüllen ihren Zweck nur dann,
wenn sie a) die sämtlichen Arbeiten aller Schüler einer Klasse vorführen und
b) die Dauer der Arbeitszeit aus näheren Angaben erkennen lassen.
6. Zeichenausstellungen für die Allgemeinheit müssen ein Bild der Durchschnittslei-
stungen geben; als irreführend muss jede Zeichenausstellung' bezeichnet werden,
die nur aus einer Auswahl von Arbeiten besonders tüchtiger Schüler besteht.
7. Bei Gesamtausstellungen von Schülerzeichnungen verschiedener Lehranstalten dürfen
a) Sondergebiete (Liebhabereien) nur im Rahmen der vorgeschriebenen
Lehrpläne vorgeführt werden und
b) müssen besonders schwierige Verhältnisse, unter denen der Zeichen-
unterricht an einzelnen Anstalten erteilt wird, zwecks gerechter Beur-
teilung der ausgestellten Arbeiten durch geeignete Hinweise gekenn-
zeichnet werden.
8. Bei gemeinsamen öffentlichen Ausstellungen mehrerer gleichartiger Schulen empfiehlt
es sich, die Arbeiten nicht nach einzelnen Schulen, sondern nur nach Klassenstufen
zu trennen und jede nähere Bezeichnung der unterrichtenden Lehrer zu unterlassen.
 
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