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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft III (März 1908)
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Kolb, Gustav: Die Reorganisation unseres gewerblichen Fortbildungsschulwesens: ihre Bedeutung für das kunstgewerbliche Fachgebiet und dessen Lehrer, [3]: (Vortrag auf der Generalversammlung der Württ. Zeichenlehrervereine in Stuttgart am 30. Dezember 1907)
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Kolb, Gustav: Für einfache Schulverhältnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0032

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28

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der
mir von grosser Wichtigkeit erscheint.
Die zukünftige Gewerbeschule jwird es auch als eine ihrer Aufgaben betrachten,
auf die Geschmacksbildung ihrer Schüler, und zwar nicht nur der Kunst-
gewerbler erzieherisch einzuwirken. Denn wir müssen bei der erziehlichen Aufgabe
der Gewerbeschule nicht nur die Produzenten, sondern auch die Konsumenten ins
Auge fassen. Wir leben gegenwärtig in einem mächtigen Aufschwung auf dem
Gebiet der angewandten Kunst und von seifen der Produzenten werden die grössten
Anstrengungen gemacht, etwas wirklich Gutes zu schaffen. Es ist aber klar, dass
diese Bemühungen nur dann dauernd Erfolg haben werden, wenn das kaufende
Publikum soviel Geschmack besitzt, dass es das Gute zu würdigen versteht. Wir
wissen auch alle, dass das heutzutage leider noch gar selten der Eall ist. Der einzig
aussichtsreiche Weg zur ästhetischen Erziehung liegt in der Jugenderziehung. Die
organisierte Gewerbeschule bietet wohl die beste Gelegenheit, auf die gewerbliche
Jugend in dieser Richtung einzuwirken. Ich denke mir das so, dass von Zeit zu
Zeit, etwa am Sonntag oder sonstwie an einem schulfreien Abend die Schüler ver-
sammelt werden, wobei auch die nicht fehlen dürfen, die vom Zeichenunterricht
befreit sind (also die Bäcker, Metzger, Eriseure etc.).
In verständlicher, anregender Weise sollte dann von Kunst und Kunstgewerbe
gesprochen und insbesondere auch durch Vorzeigen und Erklären von mustergültigen
kunstgewerblichen Erzeugnissen auf die Schüler eingewirkt werden. Vorzügliche
Dienste würde dabei ein Projektionsapparat leisten, der insbesondere in keiner
grösseren Schule fehlen dürfte.
Solche Stunden müssten Festesstunden für den Schüler werden, in denen ihm
der Blick für die grossen, tiefen Fragen geöffnet, das Verständnis dafür geweckt
würde, dass unsere neuen kunstgewerblichen Bestrebungen der gesamten Lebens-
kultur unseres Volkes in allen Schichten gelten, dass wir also nicht nur Möbel und
Geräte, Tapeten oder Drucksachen zu gestalten suchen, sondern allen Aeusserungen
künstlerischen Volkslebens tieferen Gehalt und reinere Form prägen wollen. Und
dass wir auch wirtschaftlich desto mehr aufsteigen werden, je mehr wir alle unsere
Gewerbe, auch die breite Exportindustrie, vertiefen, je mehr wir Qualitätswerte schaffen,
je besser wir die künstlerischen Anlagen des Volkes in unsere Arbeit eingliedern.
Die Veranstaltung solcher Unterweisungen , die der Geschmacksbildung zu
dienen haben, dürften aber nicht dem Belieben des Schulleiters anheimgegeben
werden, sondern müssten als fester, verbindlicher Bestandteil dem Lehrplan unserer
Gewerbeschulen eingegliedert werden. Zur Pflege dieses Gebiets kommt der Zeichen-
lehrer in erster Linie in Betracht. Wir sehen also an diesem Beispiel, dass sich
dem Zeichenlehrer durch die Organisation der Gewerbeschule weitere Ausblicke zu
segensreicher Betätigung eröffnen. (Schluss folgt.)
Für einfache Schulverhältnisse.
Es macht den Schülern stets Freude, wenn sie einige Gegenstände zu Still-
leben zusammenstellen und zeichnen dürfen. In der Malerei der verschiedensten
Kunstepochen hat das Stilleben eine Rolle gespielt, besonders die alten Nieder-
länder der realistischen Schule haben dieses Genre liebevoll gepflegt. In allen Ge-
mäldesammlungen finden wir holländische Stilleben, bei denen oft eine Unzahl von
Gegenständen auf einem Bilde zusammengehäuft ist.
Wenn wir in der Schule Stilleben zusammenstellen und zeichnen lassen, so
beschränken wir uns aus naheliegenden Gründen auf möglichst wenige Gegenstände.
In einfachen Schulverhältnissen zumal wird man über 2 oder 3 nicht hinaus gehen.
Das Zusammenstellen von Stilleben hat, wie der Praktiker aus Erfahrung weiss,
seine besonderen Schwierigkeiten. Nirgends kommt uns dies auffälliger zum Be-
wusstsein als in Schulausstellungen, wo man häufig arge Verstösse gegen die ein-
fachsten Gesetze der Anordnung und gegen das Raumgefühl bei solchen Arbeiten
 
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