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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft VIII (August 1908)
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Kerschensteiner, Georg: Die Schule der Zukunft eine Arbeitsschule, [2]
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Für einfache Schulverhältnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0087

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Zuerst, im Jahre 1896, gelang es mir, den Schulküchenunterricht in wöchentlich
vier Stunden obligatorisch mit allen achten Mädchenklassen zu verbinden und aus
ihm heraus den Erfahrungskreis für den chemischen, physikalischen und physio-
logischen Unterricht, sowie für den Rechenunterricht der Mädchen zu gewinnen.*)
Einige Jahre darauf wurden in allen Schulen, deren Schulhöfe es gestatteten,
Schulgärten eingerichtet, von denen insbesondere die Schulküchengärten den Mäd-
chen der achten Klassen zur Pflege übergeben waren. Ungefähr um die gleiche
Zeit hielten die Aquarien, Terrarien, Volieren und Raupenkästen ihren Einzug in
die Schulen**), sowie die Blumenpflege in den dritten und vierten Klassen, an welche
jährlich über 10 000 Blumenzwiebeln zur Kultur verteilt werden. Im Jahre 1900
gelang es dann, mit allen achten Knabenklassen Holz- und Metallverarbeitungs-
werkstätten mit einem wöchentlich sechsstündigen Unterricht obligatorisch zu ver-
binden. Er lieferte zunächst den Erfahrungskreis für Zeichnen, für den Unterricht
in Mechanik, Geometrie und Rechnen. 1903 begann die Reform des Zeichen-
unterrichts, der gleich von Anfang an in den Dienst der dekorativen Kunst und
damit der Produktivität des Kindes gestellt wurde, ein Wagnis, zu dem ich durch
meine ausgedehnten Untersuchungen. über die Entwicklung der zeichnerischen Be-
gabung des Kindes mehr und mehr den Mut fand. Im Vorjahre endlich gelang
es nach heissen Kämpfen, auch für Physik und Chemie in wöchentlich vier Stunden
Laboratoriumsunterricht mit den achten Klassen obligatorisch zu verbinden, der
zweifellos trotz der heftigen Anfechtung, die ihm heute noch zuteil wird, nicht nur
nicht wieder verschwinden, sondern früher oder später auch in die siebenten und
sechsten Klassen hinuntersteigen wird. Das wird vor allem davon abhängen,
welcher Geist den Unterricht durchwehen wird, wie die Lehrer sich in ihn einleben
werden, für welche ein derartiger Betrieb einen völlig neuen Unterrichtsweg be-
deutet. Gelingt der grosse Versuch, worauf ich bestimmt hoffe, so werden die
nächsten Jahre die weitere Frage aufrollen, ob sich nicht auch der Werkstattunter-
richt noch in den Dienst des Laboratoriumsunterrichtes stellen lässt, ganz ähnlich,
wie sich heute schon die Sandbaukästen im Dienste des heimatkundlichen und
geographischen Unterrichtes bewähren. So wird Schritt um Schritt dem alten Buch-
betrieb der Boden abgegraben, und ich hoffe, dass der unbesiegbare Idealismus
unserer Lehrer und die sieghafte Kraft des alten und doch immer noch neuen
Gedankens die Spannungsgrösse für die Transformation des alten Schulstromes
ständig erhöhen wird.

Für einfache Schulverhältnisse.
Unserem heutigen Heft ist eine Probetafel aus der kürzlich erschienenen
Broschüre III „Beiträge zur Zeichenunterrichtsreform“ beigelegt, aus der zu ersehen
ist, wie Pflanzenformen dargestellt werden können. Das Werk hat sich vornehmlich
die Aufgabe gestellt, Darstellungsmittel und -arten vorzuführen, die wirkungsvoll
und künstlerisch einwandsfrei sind, zugleich aber im Bereich des Könnens von
Schülern der Volksschule liegen. Unsere beigelegte Tafel soll unter diesem Ge-
sichtspunkt aufgefasst werden. Auf den 21 Tafeln, die Broschüre III enthält, wird
die farbige Darstellung von Gebrauchsgegenständen, Naturblättern, Schmetterlingen,
Gefässen, Büchern, Paketen, Heften, Früchten, Knospen, Blüten, Landschaften usw.
gezeigt. Die meisten Gegenstände in natürlicher Grösse dargestellt, so dass sie die
Technik gut erkennen lassen. Mitglieder erhalten die Broschüre zu M. 3.—. Im
Buchhandel kostet sie M. 4.50.

*) Ein Jahr vorher hatte schon mein Vorgänger den ersten Versuch in einer siebenten
Klasse gemacht.
**) Ob die Aquarien, Terrarien und Volieren in unsern Schulen der Grossstadt sich
halten werden, ist freilich eine Erage, die ich wegen der hierfür nicht genügenden Vor-
bildung der Lehrer in der Pflege solcher Einrichtungen und der nicht immer günstigen
Schulverhältnisse nicht in bestimmtem Sinne heute beantworten kann.
 
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