Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

DOI Heft:
Heft VII (Juli 1908)
DOI Artikel:
Hahn, Robert: Dritter Internationaler Kongress zur Förderung des Zeichenunterrichtes, London 1908
DOI Artikel:
Das Reutlinger Stellenausschreiben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0072

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
64

Zeichenunterrichts an den beiden ersten Schuljahren), Dr. Jesson-Berlin (einige
Grundsätze der Kunst im deutschen Arbeitsunterricht), Graf-Zliricli (über die Not-
wendigkeit des exakten Zeichnens an Mittelschulen, welche ihre Zöglinge auf das
Studium an technischen Hochschulen vorbereiten).
Die Beteiligung von seifen Deutschlands seinerzeit am Berner Kongress
war eine recht flaue. Deutschland wurde da sogar von — Kussland übertroffen,
das laut Kongressbericht, Finland abgerechnet, trotz Krieg und trotz grösserer
Entfernung durch 98 Mitglieder vertreten war, gegen 66 aus Deutschland. Aehn-
lich stand es auch um die Beteiligung deutscher Regierungen. Vertreten waren nur
Baden und Preussen und zwar durch je 3 Männer (2 vom Kultministerium,
1 vom Gewerbeoberschulrat, bezw. vom Ministerium für Handel und Gewerbe) so-
wie die Städte Hamburg und München. Gesuche um Reisebeiträge wurden
wenigstens in Württemberg abschlägig beschieden. Alles deutet darauf hin, dass
der kommende Kongress der grösste und erfolgreichste sein wird, der bis jetzt ge-
halten worden ist. Bei dieser Sachlage darf man wohl hoffen, dass das Interesse
und die Opferwilligkeit auf allen Seiten diesmal eine grössere ist als vor 4 Jahren,
dass wir nicht wieder vorder beschämenden Tatsache stehen: In Kultur aufgab en
Russland voran! Hahn.

Das Reutlinger Stellenausschreiben.')
Der „Staatsanzeiger“ vom 28. Mai d. J. brachte folgendes Ausschreiben: „Die Bewerber
um die erledigte Hauptlehrstelle für Freihandzeichnen auf der Oberreallehrerstufe an der
Oberrealschule in Reutlingen (Verpflichtung bis zu 30 Wochenstunden, sowie zur
Aufsicht im offenen Zeichensaal; haben sich.“
Dieses Ausschreiben erscheint insofern befremdlich, als die gesetzliche Höclist-
verp flichtung der Hauptlehrer an der mittleren Abteilung, soweit nicht einzelne
Gemeinden mit einer geringem behördlich genehmigten Stundenzahl sich begnügen, bis zu
30 Wochenstunden geht. Hier wird d-iese Verpflichtung zum erstenmal in
einem öffentlichen amtlichen Aus schreiben überschritten. Kann dafür irgend ein
Recht, eine gesetzliche Grundlage geltend gemacht werden?
Man wird es wohl damit zu begründen suchen, dass wir Zeichenlehrer (von nichtein-
geweihter Seite wurde uns das schon so oft vorgehalten) weder Korrekturen haben, noch
einer Vorbereitung auf unsern Unterricht bedürfen. Ist das ein Rechtsgrund? Höchstens
eine Entschuldigung. Wir haben im Lande so manche Klasse und — namentlich an kombi-
nierten Schulen — Abteilung, in denen die Schülerzahl auf 5 bis 1 und selbst 0 herabsinkt.
Dass hier die Korrekturen gänzlich belanglos sind, liegt auf der Hand. Hat man aber darum
die Stundenverpflichtung der betreffenden wissenschaftlichen Lehrer schon erhöht? Noch
nie und nirgends!
Und dann trifft obige Behauptung keineswegs zu. Das wurde schon so oft erwiesen,
dass ich die Leser dieses Blattes fast um Entschuldigung bitten muss, wenn ich die wich-
tigsten Punkte noch einmal anführe.
Der Zeichenlehrer brauche keine Vorbereitung? Allerdings weniger in der Form wie der
Wissenschaftler, aber darum doch Vorbereitung, ja ich wage zu behaupten mehr Vorbereitung
als der Wissenschaftler! Wenn diesem sein Pensum genau umrissen, fast auf die Stunde
vorgezeichnet ist, so hat der Zeichenlehrer von heute sich erst zu überlegen, was er über-
haupt vornehmen will. Und dass er wenigstens in den unteren Klassen auch sehr wohl
überlegen muss, wie er die Sache behandeln will, wird nicht bestritten werden wollen.
Wenn ferner im wissenschaftlichen Unterricht die Schule einfach befiehlt: dieses Buch,
jenes Heft u. s. w. — koste es, was es wolle — ist von jedem Schüler auzuschaffen, so hat
der Zeichenlehrer für geeignete Lernmittel vielfach selbst zu sorgen. Welch’ unendliche
Mühe, Sorgfalt, Ueberlegung, Findigkeit, welcher Zeitaufwand, ja selbst welche Mittel aus
eigenem Beutel hiezu erforderlich sind, weiss nur, wer die Sache selbst schon mitgemacht hat.
Weiter ist in den wissenschaftlichen, namentlich Sprachfächern die Methode, teilweise
auch der Inhalt in der Hauptsache gleich geblieben. Dagegen hat der Zeichenunterricht in
*) Wir geben diese Ausführungen in ihrem vollen Umfang wieder, da sie die Stimmung charakterisieren,
die gegenwärtig in der württembergisclien Zeichenlehrerschaft herrscht infolge des Ausschreibens der Reut-
linger Zeichenlehrerstelle und der in letzter Zeit geübten Praxis, die Zeichenlehrer zu 30 Wochenstunden und
ausserdem zur Beaufsichtigung des offenen Zeichensaales der gewerblichen Fortbildungs-
schule zu verpflichten, und zwar ohne eine entsprechende Erhöhung des Gehalts damit zu verbinden.
Die wiirttembergische Zeichenlehrerschaft sieht sich damit in eine Ausnahmestellung versetzt, die in der
Schulpraxis in deutschen und ausserdeutschen Landen einzig dasteht. Eine Eingabe des Vereins Württ,
Zeichenlehrer, die in dieser Angelegenheit an das Kgl. Ministerium gerichtet werden soll, steht bevor.
Die Schriftleitung.
 
Annotationen