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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft IX (September 1908)
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Hasslinger, Otto; Bender, Emil: Schattierübungen: aus O. Hasslinger und E. Bender, Der Betrieb des Zeichenunterrichts
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Böcklin als Flugtheoretiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0105

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Zeichnung macht dann leicht den Eindruck des Gequälten, während sie bei
Anwendung einer einzigen Strichlage für je eine Fläche etwas Ruhiges und Be-
stimmtes erhält.
Wie aus dem Vorgetragenen hervorgeht, ist die Behandlung einer Zeichnung
in Strichmanier, besonders bei Benützung der Feder, mit mancherlei Schwierigkeiten
verknüpft. Ausserdem liegt die Gefahr vor, dass ungeübte Schüler beim Schattieren
mit Strichen ihre ganze Aufmerksamkeit nur auf das Zeichnen schöner
Linien richten und dabei die richtige Abstufung der Tonwerte äusser
acht lassen. Es ist deshalb für die ersten Schattierungen die sogenannte Be-
rieselungsmethode, mit der man auch rascher vorwärts kommt, zu bevorzugen.
Der Bleistift wird dabei am besten zwischen dem zweiten und dritten Finger ge-
halten und so flach auf dem Papier hin und her geführt, dass er dasselbe nicht
mit der Spitze, sondern mit der Breitseite berührt. Je flacher man den Stift
hält, um so weniger füllt er die Poren des Papiers aus, um so lockerer und
luftiger werden die Töne (Figur 7).
So sehr im Zeichenunterricht der oberflächlichen Ausführung der Schattierung;
die sonst leicht in Schmiererei ausartet, entgegengearbeitet werden muss, so wenig
kann man eine fein ausgetüpfelte Behandlung der Schattenflächen befürworten.
Man sollte eben nie äusser acht lassen, dass es sich um die charakteristische
Wiedergabe des Vorbildes handelt, nicht um die minutiöse Ausführung
einzelner Teile des Bildes, bei der die Gesamtwirkung zu kurz kommt (vergl.
Figur 6 und 7).

Böcklin als Flugtheoretiker.
Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Dieser Schatten ist bei Erfindungen
gewöhnlich der, dass sich solche mit ihnen beschäftigen, die keine Erfinder sind, Es ist
noch ziemlich wenig bekannt, mit welcher Ausdauer — vor nahezu dreissig Jahren! — sich
Arnold Böcklin der Lösung des Flugproblems hingab. Böcklin hatte sich in den Gedanken,
der Erfinder einer Flugmaschine zu werden, hineingearbeitet, dass er darüber nahezu den
Massstab über seine künstlerische Kraft verlor. „Mit der Malerei kommt man doch auf
keinen grünen Zweig“, meinte er, freilich durch die anfänglichen Schwierigkeiten, die sich
seiner künstlerischen Laufbahn entgegenstellten, begreiflicherweise entmutigt. Aber auch
als sich sein Name längst im Steigen befand, hing er noch immer seinen Erfinderideen nach,
obwohl ihm zu seinen Versuchen so gut wie alle technischen Kenntnisse mangelten. Die-
selbe Idee, von der auch Lionardo da Vinci ausgegangen, die Nachahmung des Vogelfluges,
reizte auch ihn. Er studierte den Flug von Möven, Störchen, Raubvögeln. Seine Beobach-
tungen waren, dank seinem künstlerisch geschulten Auge, scharf und zuverlässig. Aber es
blieb eben auch bei diesen. Wie er sich darüber hinauswagte, in das Gebiet der schöpfe-
rischen Konstruktion, musste er in Ermangelung technischer Kenntnisse auf Irrwege geraten.
Er war Gegner des Flugballons. Sein Problem ging dahin, die Lösung auf rein maschinellem
Wege zu erreichen. Trotz Abratens fachkundiger Freunde ging Böcklin unentwegt seinen
Ideen nach. Auch eine ablehnende Kritik von Seiten Helmholtz’, dem Böcklin eine schrift-
liche Abhandlung über das Problem vorlegte, vermochte ihn nicht umzustimmen. Mit vieler
Mühe erreichte er endlich, auf dem Tempelhofer Felde im Herbst 1887 öffentliche Versuche
mit seiner Maschine machen zu dürfen. Auch der völlige Misserfolg daselbst vermochte ihn
noch nicht dazu zu bringen, seine Lieblingsidee endgültig aufzugeben. Erst Jahre danach
fing er endlich an, die Sache „links“ liegen zu lassen.
Muss es einerseits wundernehmen, dass gerade Böcklin, der so gar keine mathe-
matische Ader hatte, sich für solche Dinge interessieren konnte, so erscheint es anderer-
seits doch wieder erklärlich aus dem starken künstlerischen Impulse, mit dem der Meister
die Bewegungsmotive aller Erscheinungen erfasste. Böcklin hatte ein schärferes Auge für
die Bewegung als für die Konstruktion. Seine Bewegungsmotive, manchmal mit Hintan-
setzung des Anatomischen, sind alle ausgezeichnet. Das war es, was seine Aufmerksamkeit
auf den Vogelflug lenkte, und von der aus geriet er dann auf die Idee der Erfindung einer
Flugmaschine. Für die Charakterisierung Böcklins aber ist dieser Zug nicht uninteressant,
und dass seine Studien nicht ganz ohne Nutzen waren, das beweist uns seine „Pest“, be-
sonders die Reihe seiner durch die Heylschenkung jetzt in das Darmstädter Museum ge-
langten Skizzen zu dem Pestdrachen, in denen das Flugproblem — es handelt sich hier doch
um die Flugbewegung eines mächtigen Körpers, keines Vogels! — auf eine hervorragende
Art künstlerisch behandelt wurde.
 
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