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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft V (Mai 1908)
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Kolb, Gustav: Der II. Verbandstag des Verbands Süddeutscher Zeichenlehrer-Vereine
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0046

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Um 10‘/2 Uhr begannen die Vorträge, zu denen die Kgl. Zentralstelle für
Gewerbe und Handel dem Verband den Vortragssaal des Landesgewerbemuseums
eingeräumt hatte. Der Verbandsvorsitzende, Zeichenlehrer Erhardt-Heidelberg,
begrüsste die zahlreich erschienenen Mitglieder und Gäste mit folgenden Worten:
„Der letzte Verbandstag in Karlsruhe wird noch allen Teilnehmern in frischer
Erinnerung sein, und wohl kein einziger wird ohne einen Gewinn für sich und
seinen Beruf die badische Residenz verlassen haben. Heute sind wir in der schwä-
bischen Residenz versammelt, dank der liebenswürdigen Einladung unserer würt-
tembergischen Kollegen. Gerne sind wir ihrer Einladung gefolgt in die schöne
Stadt der Schwaben, die uns mit ihren herrlichen Kunstschätzen in reichem Masse
Anregung zu geben vermag. Die geehrte Direktion des Kgl. Landesgewerbemuseums
hatte die Liebenswürdigkeit, uns den Reichtum an alten und neuen Kunstwerken
vor Augen zu führen und ausserdem uns diesen Raum zu unserer Versammlung
zur Verfügung zu stellen. Wir sprechen dafür unsere herzlichsten Dank aus. Dass
unsere Bestrebungen, dem Zeichen- und Kunstunterricht als geist- und gemüt-
bildenden Erziehungsfaktor immer mehr Freunde zu gewinnen, Beachtung finden,
das dürfen wir wohl entnehmen aus dem zahlreichen Besuche der verehrten Gäste.
Vor allem ist mir die hohe Ehre zuteil geworden, einen Vertreter des Kgl. Mini-
steriums des Kirchen- und Schulwesens, Herrn Ministerialrat Dr. Marquardt
begrüssen zu dürfen, desgleichen der Kgl. Zentralstelle und des Gewerbeober-
schulrats Herrn Präsident von Mosthaf und Herrn Professor Hartmann.
Ebenso begrüsse ich Herrn Oberkonsistorialrat Schütz, den Vertreter der Evang.
Oberschulbehörde und Herrn Regierungsrat Dr. Kollmann, den Vertreter der Kath,
Oberschulbehörde, ferner von der geehrten Stadtverwaltung den Herrn Schulreferenten
Dr. Ludwig. Besonders möchte ich hervorheben, dass auch die badische Regierung
uns die Ehre erwiesen hat, ihr Interesse an unserer Versammlung durch eine Ver-
tretung zu bekunden. So dürfen wir unseren allverehrten Herrn Geheimen Rat
Dr. Wagner und Herrn Professor Hasslinger wiederum, wie im vorigen Jahr,
begrüssen. Indem ich Sie alle von Herzen willkommen heisse, habe ich nur den
einen Wunsch, es möge die Arbeit, der wir unser Leben widmen, getragen von
Begeisterung für die Kunst, in allen Kreisen die ihr gebührende Anerkennung und
Würdigung erfahren! ‘1
Hierauf begrüsste Herr Ministerialrat Dr. Marquardt die Versammlung im
Auftrag des Herrn Ministers des Kirchen- und Schulwesens. Er führte u. a. aus,
dass die Zeichenunterrichtsreform dem wichtigen Fach des Zeichnens neue Ziele
und Wege gewiesen habe. Er wünschte der Versammlung gute Erfolge, die sich
verwerten lassen für die Schule des Lebens sowie für das Leben der Schule. Herr
Dr. Ludwig sprach im Auftrag der Stadtverwaltung. Auch er wünschte der Ver-
sammlung guten Verlauf und sprach die Erwartung aus, dass die Teilnehmer von
dem Zeichenunterricht der hiesigen Schulen, der in letzter Zeit teilweise einen so
grossen Aufschwung erfahren, einen günstigen Eindruck mitnehmen möchten.
Nun erteilte der Vorsitzende Oberreallehrer Hahn-Heidenheim das Wort
zu seinem Vortrag „Das Gedächtnis- und Phantasiezeichnen“. Er ging
aus von dem Worte Albrecht Dürers, der als Zweck des Zeichnens bezeichnete,
Formen im Schrein seines Herzens zu sammeln und aus dem Kopfe wiederzugeben.
Aber erst die Zeichenunterrichtsreform der letzten Jahre sei der Verwirklichung
dieses Zieles näher getreten. Zunächst wurden die verschiedenen Formen des
Gedächtniszeichnens behandelt, insbesondere die Art und Weise, wie sie von Kin-
dern bis zum 9. oder 10. Lebensjahr gehandhabt wird, bis zu welchem Alter ein
Bedürfnis, nach der Natur zu zeichnen, gewöhnlich nicht vorhanden ist. Von den
Uebungen zur Ausbildung der Phantasie wurden berücksichtigt das Entwerfen und
Illustrieren. Letzteres, von der alten Schule vielfach bekämpft, wurde mit Eifer
und Wärme verteidigt als ein hervorragendes Mittel, die unserer nüchternen Zeit
fast ganz abhanden gekommene Gestaltungskraft, die aber von Haus aus jedem
Kinde innewohnt, wieder zu erringen. Reicher Beifall lohnte den Vortragenden
für seine eingehenden geistvollen Ausführungen. Eine reichhaltige Ausstellung von
 
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