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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft XI (November 1908)
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Arras, Paul: Dritter internationaler Kongress zur Förderung des Zeichenunterrichts, London 1908, [1]: Rundgang durch die Zeichenausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0122

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der unbarmherzige Cerberus stand auf dem Tische — die Glocke des Präsidenten
Earl of Carlisle. Es wurde viel geredet, zu viel! Für uns deutsche Fach-
leute vieles Veraltete, ja bereits Ueberwundene, auch manches für unsere Verhält-
nisse nicht Durchführbare-, sogar zur Verfechtung fixer Ideen wurde der Kongress
benutzt. Gewiss zeugten gewisse Vorträge von weittragendem Blick, aber leider
war die Reihenfolge eine derartige, dass von einem einheitlichen Ganzen, einer
grundlegenden Idee so gut als nichts zu bemerken war. Fest und unerschütterlich
bis zum Schluss der Referate hielten es die zahlreich erschienenen Damen auf ihren
Sitzen aus. Eine solche Geduld kann fürwahr nur eine Engländerin oder Ameri-
kanerin zeigen! Vielleicht ein Triumph der Frauenrechtlerinnen?!
Bevor ich jedoch auf die äusserst interessante Kongressausstellung zu sprechen
komme, kann ich nicht umhin, einen Blick auf die erschienenen (etwa 100) deutschen
Kongressmitglieder zu werfen. Wohl kam ein sog. ,,gemütlich er“ Bierabend im
„Gambrinus“ zustande, aber nach unsern Begriffen muss er als verfehlt, als fade
bezeichnet werden. Ein Bild der einigen Brüder! Die richtige Stimmung fehlte.
Warum ist Elsass-Lothringen vom Komitee nicht offiziell zum Kongress ein-
geladen worden? Sind wir denn eine quantite negligeable? Erst später, als
der Anmeldungstermin zur Beschickung der Ausstellung bereits verstrichen war,
gelangte eine private Anfrage aus München nach Strassburg!
Eröffnet wurde die Kongressausstellung am 27. Juli durch die Prinzessin
Louise, Herzogin von Argyll. Beteiligt waren 22 Nationen. Zweck der Zeichen-
ausstellung war, die Erziehungspläne der verschiedenen Nationen vor Augen zu
führen und das Ergebnis der Methode festzustellen. Deswegen zeigte sie ins-
besondere die Erfolge der Lehrweise einer ganzen Schule, in zweiter Linie erst
die Arbeit eines einzelnen Schülers. Sie war eine Ausstellung der verschiedenen
Systeme, vom Kindergarten angefangen, bis hinauf zur Kunstakademie. Schade,
dass bei der Feststellung der 3-sprachigen Erklärungen nicht sorgfältiger verfahren
wurde. So konnte man z. B. folgendes lesen: ,,Diese Sammlung zeigt die Ent-
wicklung eines Unterrichtsplanes' der Zeichnung in einer technischen Schule in
einer Stadt, wo man hauptsächlich Ingenieurkunst und derartige Händel treibt.“
Schon ein flüchtiger Rundgang überzeugte den Beschauer, dass die germanische
Rasse den Sieg über die romanischen Völker davongetragen hatte.
England. —Der Lehrgang in denElementarschulen der Stadt Leicester
ist im allgemeinen klar und übersichtlich gehalten. Besonders zeigten die jüngsten
Schüler eine wohlgepflegte Fertigkeit im Modellieren mit farbigem Plastelin.
Kindergärten: Beginn mit Figurenschneiden und -färben. Ab endfortbildungs-
schule: Praktische Ausführung von Gebrauchsgegenständen in Holz und Metall.
Kunstschule: Die Anfangsarbeiten entsprechen ungefähr den Anforderungen der
oberen Klassen unserer höheren Schulen; jedoch von Anfang an Betonung der
Zweckbestimmung, sowie der Lösung einer Aufgabe in verschiedenen Stufen.
Der Unterricht im Training Department for Art Teachers (Zeichen-
lehrerseminar) ist zwar in allem zweckentsprechend, zeigt aber noch die alte Technik
in Wischkreide. Auch die Elementarschulen in York zeigen ein ähnliches
Verfahren, nur sind sie in der Darstellung weniger geschickt. Sowohl Stoff als
Lehrmittel entsprechen den heutigen Anforderungen nicht mehr. Bei den gewerb-
lichen Schulen der Grafschaft Yorkshire ist die Zweckbestimmung des Unter-
richts je nach der Gegend und ihrer Industrie (Textil) ausgedrückt. Die Leistungen
der School of Arts bewegen sich in bescheidenen Grenzen, die praktische Seite
ist auch hier überall in den Vordergrund gerückt. Ueberall erkennt man das
Bestreben, den Schüler zur Selbständigkeit zu erziehen. Gerade in Birmingham
zeigen die Engländer das Bestreben, sich von dem Zeichenbogenornament los-
zureissen. Das Hauptgewicht liegt in den ausgeführten Arbeiten in Metall, Email,
Glas und Elfenbein. Namentlich auf dem Gebiete der Goldschmiedekunst und der
Holzskulptur zeugten die ausgestellten Gegenstände von gutem Geschmack, Gediegen-
heit und grossem Fleiss. Im gebundenen Zeichnen zeigt Portsmouth eine Ver-
quickung von darstellender Geometrie und proj. Zeichnen. Viel zu schwierige Aut-
 
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