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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft XII (Dezember 1908)
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Arras, Paul: Dritter Internationaler Kongress zur Förderung des Zeichenunterrichts, London 1908, [2]: Rundgang durch die Zeichenausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0136

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tektonische Entwürfe sowie durch schwungvolle und geistreiche dekorative Entwürfe
das Auge fesselte.
Oesterreich. — Die Oesterreicher hatten es sich nicht nehmen lassen zu
glänzen, was besonders der Kunstgewerb eschul e Wien zuzuschreiben ist,
welche aber auch einen verhältnismässig grossen Kaum für sich in Anspruch nahm.
Erwähnenswert ist die Versuchsschule, welche von Prof. Franz Cizek geleitet
wird (9 —14jährige Schüler). Äusser durch Kohle und Farbstift wird das PTTäntasie-
zeichnen durch Ausschneiden von Figuren in buntem Papier geübt. Erinnerungs-
zeichnen von Zeitereignissen, oft gemeinschaftliche Lösung durch mehrere Schüler.
Auch allerlei Lebungen zur Einführung in Architektur und Plastik sind vertreten.
Die Kompositionen sind der Technik angepasst.
In den Realschulen ist der Zeichenunterricht in allen Klassen obliga-
torischer Lehrgegenstand. Der Unterricht selbst ist den wissenschaftlichen Fächern
gleichgestellt. Der einleitende Unterricht beginnt mit stilisierten Formen und geht
dann zu flachen Naturformen über. Daran schliesst sich die Perspektive als Ein-
führung ins Körperzeichnen nach Naturobjekten. In den Oberklassen tritt das
figürliche Zeichnen hinzu und zwar nach plastischen Vorbildern und nach der Natur.
In allen Klassen wird das Gedächtniszeichnen gepflegt. Dem Zeichenlehrer sind
betreffs Stoffauswahl und Technik die weitgehendsten Freiheiten eingeräumt. Da
der Unterricht durchweg Einzelunterricht wird, ist auch der Pflege besonderer
individueller Veranlagung der grösste Spielraum geboten. An den Gymnasien
ist der Zeichenunterricht nur in den Unterklassen obligatorisch eingeführt; doch
wird den Schülern der Oberklassen Gelegenheit geboten, sich im Zeichnen weiter-
zubilden.
Trotzdem die österreichischen höheren Schulen über eine grössere Zahl wöchent-
licher Zeichenstunden verfügen als wir, erscheint die ganze Behandlungsweise
überstürzt. Die Sucht nach künstlerischen Leistungen führt zu zahllosen Ueber-
treibungen; der Schüler beherrscht die Aufgabe nicht mehr und verfällt in Dilettan-
tismus. Bei manchen Gruppierungen sind zu viele Gegenstände aufgehäuft; sodann
herrscht zu wenig Abwechslung in der Technik. Besser wäre es gewesen, bei ein-
fachen Beispielen und wirkungsvoller Technik zu bleiben. Wo der Unterricht in
seinen Grenzen bleibt, leistet er Vorzügliches.
Ungarn. —■ Auch dieser Staat hatte alles aufgeboten, um in keinem Punkte
nachstehen zu müssen. Zu verwerfen wäre nur die vielfache Anwendung von ver-
kleinerten Nachbildungen von Naturgegenständen als Körpermodelle. Angenehm
berührte das ornamentale Zeichnen mit Rücksicht auf die ungarische Volkskunst.
Holland. — Im allgemeinen zeigen die Volksschulen in Amsterdam
einen nach unsern Begriffen richtigen Lehrgang. Der Unterricht selbst ist aber
zu sehr verstandesmässig aufgefasst und hat vielfach mit der kindlichen Phantasie
nichts gemein. Auch ist der Lehrstoff nicht immer einwandfrei. Aehnlich liegen
die Verhältnisse an den höheren Schulen.
Dänemark. — Auch hier siegt zunächst der Verstand über das Gefühl.
Doch zeigt die Oberstufe bereits Anlehnung an die Natur, wenn auch ohne male-
rischen Zug.
Finnland ist zweifellos auf dem richtigen Wege angelangt. Für die dem
Volke innewohnende Energie legte die Ausstellung ein beredtes Zeugnis ab.
Schweden. — Die Zeichenausstellung berührt sehr sympathisch durch ein-
fache, aber gediegene Arbeiten. Alles sauber dargestellt und vom Schönheitsgefühl
durchdrungen. Es ist nur zu bedauern, dass gerade diese Ausstellung im Treppen-
haus untergebracht war, was aber die Gesamtleistung nicht beeinträchtigen konnte.
Schweiz. — Der Lehrgang der Volksschule Bern entspricht ungefähr
unserer Auffassung. Die Anordnung ist zwar fehlerhaft und erinnert an die Zeit
des Kompromisses. Der Fortschritt ist besser auf Mittel- und Oberstufe. Zu viel
Ornament und zu geometrische Unterweisung in der Perspektive. Auch die
S ekun d är s chulen werden fast nur mit Ornament beschäftigt. Im Gegensatz
zu dem nüchternen Körperzeichnen ist das technische Zeichnen gut. Das Gymna-
 
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