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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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Lier, Hermann Arthur: Dresdener Kunstausstellungen
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Dresdener Kunstausstellungen.

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Dresdener Kunstfreunde auch die Bekanntschaft mit
einer Anzahl plastischer Arbeiten des Leipziger Bild-
hauers Karl Seffher. Außer einigen Reliefs, unter denen
das Bildnis der Dresdener Hofschauspielerin Fräulein
Tullinger aus dem Jahre 1881 das älteste war, inter-
essirten am meisten die Marmorbüsten mehrerer Pro-
fessoren der Leipziger Universität, deren technische
Vollendung staunenswert genannt zu werden verdient.
Am vollendesten war jedenfalls die Büste des Chir-
urgen Thiersch, dessen männlicher schöner Kopf,
und dessen ernste, die geistige Bedeutung ihres Trägers
verratende Züge allerdings der Kunst des Bildhauers
die denkbar günstigste Aufgabe darbieten. Seffner
hat sie so glücklich gelöst, dass er im vorigen Jahre
in München auf der Jahresausstellung mit einer
Medaille ausgezeichnet worden ist. Dasselbe unein-
geschränkte Lob, wie der Büste Thiersch's, möchten
wir auch der des Anatomen Braune zollen; dagegen
können wir uns mit der Darstellung von Springer
und Zarncke nicht einverstanden erklären. Das, was
Springer's Erscheinung so fesselnd machte, das leben-
dige, geistsprühende Auge, das auch in seiner Leidens-
zeit noch hell aufleuchten konnte, wenn er vom
Katheder herab, von Begeisterung für seinen Stoff
erfasst, seine Zuhörer mächtig zu fesseln wusste, kann
ja überhaupt nur von einem Maler, nie aber von
einem Bildhauer wiedergegeben werden. Bleibt also
hier schon von vornherein eine Lücke in der Arbeit
Seffner's, so will uns ferner weder die erhobene Haltung
des Kopfes charakteristisch, noch die Kopfform richtig
erscheinen, eine Ausstellung, die wir auch auch an
der Zarncke-Büste machen müssen, die uns gleich-
falls nicht ähnlich vorkommt. Übrigens ist das bei
letzterer nicht auffallend, da uns mitgeteilt wird,
dass sie erst nach dem Tode, nicht nach dem Leben
gemacht ist. Wer beide Männer nicht näher gekannt
hat, wird auch gegen diese nichts einzuwenden haben;
es sind vorzüglich durchgeführte und fein indivi-
dualisirte Köpfe bedeutender Männer, aber ihre Er-
scheinung deckt sicli nach unserer persönlichen Er-
fahrung nicht mit den Bildern, die in unserer
Erinnerung von beiden Professoren zur näheren Be-
kanntschaft fortleben. Am wenigsten schließlich hat
uns die Büste Windscheid's gefallen, die nur in einem
Gipsabguß ausgestellt war. Auch Windscheid's
Kopf eignete sich nicht für die Wiedergabe durch
die Skulptur, denn dazu war er zu hässlich. Aber
ganz abgesehen davon, erscheint uns Seffner's Auf-
fassung zu manierirt. Er wollte offenbar alle Falten
und Kunzein dieses Gelehrtengesichtes wiedergeben
und glaubte selbst das Heraustreten der Adern an

dem dürren, abgemagerten Hals nicht übersehen zu
dürfen, erreicht aber damit, da das Leben des Auges
und die Farbe der Haut in Wirklichkeit dergleichen
Unschönheiten weniger hervortreten lassen, sei aller
Korrektheit nur einen unwahren Eindruck, wie er
auch der nur anatomisch richtigen Totenmaske eigen
zu sein pflegt.

Zu Anfang Februar öffneten sich dann die
Lichtenberg'schen Räume für die Aufnahme des künst-
lerischen Nachlasses Adolf von Meckel's, jenes Malers,
dessen plötzliches Ende am 24. Mai vorigen Jahres
so viel von sich reden machte, da eine Reihe
sensationeller Gerüchte auftauchten und als Grund
seines Todes angeführt wurden. Wir haben hier
nicht zu untersuchen, wie viel oder wie wenig Wahres
ihnen zu Grunde lag, und es nur mit den Leistungen
zu thun, die uns vorgeführt werden.

Indessen können wir im Hinblick auf sie und
in Erinnerungen an das, was wir bei früheren Ge-
legenheiten von Bildern Meckel's gesehen haben,
; nur der Meinung Ausdruck geben, dass der Künstler
; von seinen Freunden überschätzt wird. Ein großer
Künstler, wie Paul Dobcrt in der Vorrede zu dem
Verzeichnis der Nachlassbilder behauptet, war er
nicht. Dazu war er viel zu einseitig und sein ganzes
Schaffen, wie Muther sich ausdrücken würde, viel zu
„kunstgewerblich". Seine Vorliebe für den Orient
und die beinahe ausschließliche Wahl orientalischer
Motive hatte ihn dazu befähigt, ein virtuoser Schil-
derer der Wüste und ihrer Schrecken zu werden.
Aber dieser ewige Sand und dieser einförmige, graue
Silberton ermüden schließlich so, dass man, wenn
man eine Anzahl Meckel'scher Landschaften gesehen
hat, die übrigen gleichgültig an sich vorüber gehen
lässt. Es war daher auch vollständig gerechtfertigt,
dass sich die Leitung der vorjährigen Berliner akade-
mischen Ausstellung mit der Aufnahme von vier
seiner Bilder begnügte, zumal sich unter ihnen sein
letztes Bild und zugleich sein Hauptwerk: „Die Mär-
tyrer des Islam" befand, in der That eine bedeutende
Schöpfung von ergreifender 'Wirkung, der man
wohl einen Platz in einer öffentlichen Sammlung
gönnen möchte. Denn hier finden wir nicht nur
das beste, was Meckel als Landschaftsmaler zu
leisten vermochte, vereinigt, seine Kraft der Stimmung
und seine Feinheit in der Farbengebung, sondern
wir bewundern hier auch seine intime Kenntnis des
Charakters der Muhammedaner und die Fähigkeit, die
gewonnenen Eindrücke zu einer einheitlichen Schö-
pfung zu verarbeiten. Im übrigen aber bietet der
Nachlass nichts, was nicht von anderen Orientmalern
 
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