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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 5.1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.5781#0203

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Vereine und Gesellschaften.

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Die wenigen derartigen Werke versehwinden völlig unter
der Schar der gut konservativen Bilder; auch der gesinnungs-
tüchtigste Besucher könnte sich nicht über sie aufregen. Es
giebt sogar eine lange Galerie, mit der Vorzugsnuminer III
bedacht, in der sich kein einziges derartiges störende Ge-
mälde befindet, und man fühlt sielt hier in eine Kunsthand-
lung für bravbürgerliche Kreise versetzt. Die einheimischen
Künstler haben sich von der neuesten Malkultur noch nicht
belecken lassen, was uns eigentlich verwundern kann, weil
sich doch Prag sonst von dem frischen immer jungen Paris
ungezogen fühlt, liier malt aber, unter den verschiedent-
lichsten Namen, der Meister Kostüminski, Schüler des seligen
und doch nicht totzukriegenden Piloty, seine Viertenakt-
schlüsse unbeirrt weiter. „Nur zu billigen" ist es, dass die
Preise gleich im Katalog beigedruckt sind: das giebt Belehrung
und Überraschung. /''. Paminger bekommt 1400 II. für
seinen „starken Hirsch". Das ist viel für die wohl getreue,
aber doch nüchterne Wiedergabe des bekannten Landscor-
schen Bildes: doch er wird es bekommen im Lande, wo die
Malerei der Jägerreminiscenz, der Anekdotenerzählerei, über-
haupt vielem anderen eher als dem spezifischen Kunstgenuss
dient. Schon überraschender ist es, dass man ein weibliches
Bildnis Matejko's mit 10 000 11. ausgezeichnet hat. Man
möchte fast sagen, dass derjenige, der ein zehntausend-
ste] Gulden dafür ausgiebt, sich am guten Geschmack ver-
sündige. Bs bietet wie gewöhnlich den Farbenhexensabbath
eines Kurzsichtigen und ein Karnat, welches das Gesicht wie
bemalte Lederarbeit aussehen liisst. Sehr zahlreich sind
die „Palette-cusen" vertreten, von den malenden Gräfinnen
abwärts. Damit ist natürlich schon gesagt, dass es eine große
Schar Blumenstücke und Stillleben giebt, von vortrefflichen
— auch abwärts. Unter den Stilllebcn fällt als anspruchs-
vollstes und zugleich bestes eines auf, das Eugenie Sommer „Li-
sette" getauft hat. Früchte, Gemüse, die Straße sind her-
vorragend, die Lisette selbst aber dafür rocht fade gemalt.
Benedict Knüpfer, der in Rom weilt und „draußen" (wie's
hier heißt} nicht genügend bekannt ist, hat unter anderem
ein schönes Meerbild geschickt; dasjenige im Besitz des
Rudolfinums, von seiner Hand, ist aber doch noch schöner.
Von Courtens sind zwei wunderbare Landschaften mit Kühen
da. Das größere, Abondstimmung betitelt, ist besonders an der
Erdoberfläche, weniger am Himmel gelungen, die Tiere
erinnern fast an Segantini. Das kleinere ist sonnig und
zeugt von seiner rätselhaften Meisterschaft im Hinsetzen von
scheinbar planlosen Farbenstrichen, die, wenn man nur ein
wenig zurücktritt, Form und beben gewinnen. Ilaug's
„Sonntagmorgen", einige bekannte Mesdag, Skarbina u. s. w.
bilden hie und da Oasen an den Wänden. Von Netthaus
ist sowohl „Der verlorene Sohn" als auch „Der barmherzige
Samariter" da, worauf der Laternenlichtschein auf dem Schnee
so ausgezeichnet gemalt ist. Das letzte, kleinste und dunkel-
ste Zimmer oben ist eine Art Totenkammer, und da befindet
sich wie gewöhnlich gute Gesellschaft, mehrere Landschaften
von dem wunderbaren Macaltlay Stevenson in Glasgow, so-
wie von Parisern, v. Stetten, Demont, Courbet u. s. w. Ferner
ist dort ein kleines Werk vom Feinsten der Feinen zu sehen,
ein vom Fischfang über Wiesen zurückkehrender Junge, von
Stott of Oldham. So mögen die besten holländischen Meister
auggesehen haben, ehe sie die Jahrhunderte, das Firnissen und
die Übermalung entstellt haben. Die Landschaft bei trübem
Himmel bietet keine dunstige Atmosphäre und ist doch nicht
glatt und luftlos gemalt. Ob wohl die Münchener wissen,
wie sie um die zwei Meisterwerke dieses Malers in ihrer
Neuen Pinakothek zu beneiden sind? L. v. Hofmann hat sich
auch hergewagt, als einziger von den Modernsten. Er schickte

den schönen dekorativen Entwurf „Arkadien", rechts und links
von Traumesmeer begrenzt, und ist ferner unten, in der Abteilung
für Zeichnungen u. s. w , mit drei jener bezaubernden Farbcn-
harmonieen vertreten, deren er jetzt schon eine abwechslungs-
reiche, doch immer eine schöne Reihe geschaffen. Wer klug ist,
wird heute zugreifen, damit er nicht nach einigen Jahren bereut,
die Gelegenheit verpasst zu haben. Auch von Stott of Old-
ham befinden sieh unten zwei schöne Werke „Überschwem-
mung" und „Eiger", der Berg, bei Nachtbeleuehtung. Sonst
ist diese Abteilung nicht zu interessant. Oscar Rex drängt
sich mit der Folge von 30 Tusehzeiehnungen „Großstadtluft"
auf, die wie Aufrisse eines Architektargehilfen aussehen und
deren Langweiligkeit er aufzuheben glaubte, indem er mög-
lichst hochgeschürzte Frauenzimmer draufsetzte, während
ihm zur Benennung solche hochwitzige Einfälle wie „Über
allen Gipfeln ist Ruh', warte nur, balde kommest auch du,
zum Rendezvous" genügten. — Prag ist kein Kunstmarkt
und zur Zeit bestehen andere wichtige Ausstellungen. Da
ist es sehr verdienstlich, dass die Leitung immerhin so viel
des Guten zusammengebracht hat. Aber dieses Gute hätte
besser zur Geltung kommen sollen, indem es vorteilhafter,
namentlich nicht so verstreut und verborgen, gehängt wurde.

H. W. S.

VEREINE UND GESELLSCHAETEN.

In der Aprilsitzung der Archäologischen Gesellschaft in
Berlin wurde zunächst der mit Spannung erwartete Bericht
über die von den Königlichen Museen in Magnesia am
Mäander unternommenen Ausgrabungen fortgesetzt. Der an
den Aufdeckung8arbeiten beteiligte Architekt, Herr Heyne,
gab eine durch zahlreiche Pläne und Einzelaufnahmen ver-
anschaulicht« Darstellung des Artemisions, das durch seinen
Baumeister Hermogenes, wie durch seine Größe — nur dem
ephosischen Artemis- und dem milesischen Apollotempel
stand es hierin nach — zu den berühmtesten Bauwerken des
Altertums gehörte. Schon 1S42 hatte eine französische Ex-
pedition unter Texier's Leitung die Freilegung des merk-
würdigen Baues versucht, allein die schwierige Ausgrabung
nach vier Wochen aufgeben müssen, da alle Mitglieder vom
Fieber erfasst wurden. Auch die deutschen Ausgräber haben
von der Ungunst des Terrains stark zu leiden gehabt, aber
die Aufnahme des Tempels bis in alle Einzelheiten hinein
trotzdem zu stände gebracht. Erst jetzt ist die Beschreibung,
die Vitruv (111,2 p. 6Ü) von dem Artemision als Muster eines
Pseudodipteros giebt, vollkommen verständlich geworden.
Der Tempel ist nach Westen orientirt, hat acht Säulen an den
Front- und fünfzehn an den Langseiten. Die Cella, der einge-
räumiger Pronaos und ein halb so großes Posticum angefügt
sind, ist dreischiffig. Der ganze Tempel ruht auf einem neun-
stufigen Unterbau und ist erbaut mit Benutzung der Funda-
mente eines älteren Dipteros. Hierauf besprach Herr M.
Rubensohn eine Anzahl Epigramme der Anthologie, die sich
auf das in Magnesia befindliche Grabmal des Themistokles
bezichen. Herr Adler unterzog die Maßangaben des Pausa-
nias über den großen Aschenaltar des Zeus xu Olympia einer
eingehenden Untersuchung, die das Ergebnis hatte, dass diese
Angaben — mit Ausnahme des Höhenmaßes — unrichtig
sind. Der Vortragende kam bei seinen Wiederherstcllungs-
versuchen auf eine Höhe von 1,50 m für die Prothysis,
5,50 m für den Aschenaltar und 7 m Durchmesser für den
Brandplatz des letzteren. Zum Schluss berichtete Herr Herr-
lich auf Grund der Verhandlungen des Historikertages zu
Leipzig über die Frage der Stellung der Kunstwissenschaft
zum Geschichtsunterricht auf dem Gymnasium.
 
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