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Die dritte internationale Kunstausstellung in Wien. II.
400
Därmner eines Vorhanges getauchte schöne Kopf mit
den großen, sinnlichen Augen. Das Stoffliche ist
virtuos behandelt. — Emanuel Benner's „Grüne Grotte"
verdient wegen des eingehenden Studiums des weib-
lichen Aktes eine besondere Anerkennung.
Wir wenden uns nun den Porträts zu, die in
bedeutend geringerer Anzahl als in früheren Jahren
da sind. Leon Bonnat ließ sich durch ein großes
wirksames Bild »Idyll", Figuren in voller Größe,
tanzender Jüngling und Mädchen — den Platz für
ein lebensgroßes Damenporträt reserviren, das aber
von den Vorzügen, die seine männlichen und weib-
lichen alten Köpfe auszeichnen, nichts sehen lässt —
es scheint dies eben nicht Bonnat's Domäne. Für
einen andern wäre das Porträt — dem von der Feme
eine bedeutende plastische, mit allen Finessen her-
vorgebrachte Wirkung nicht abgesprochen werden
kann — eine sehr gute Arbeit, für einen Bonnat
nicht. Die schweren grauen Schatten, die sich im
Gesichte ebenso finden wie in den Falten des Atlas,
die starken, aufdringlichen Konturirangen, das un-
beobachtet wiedergegebene Lorgnon bilden keine be-
sonderen Lorbeeren für den Meister. Wohlthuend
durch ungesuchte Naturwiedergabe ist dagegen Al-
fred Pierre Agache's „Phantasie" — ein Mädchentrotz-
kopf mit schwarzer Haube, von rückwärts im Profil
gesehen. Theobald Chartran's Monsieur Loze mit den
lebensvollen Augen — das Fleisch ist etwas süß im
Sinne Cabanel's — ebenso das liebenswürdig aufge-
fasste und im Stofflichen bravouröse lebensgroße
Porträt Leo's XIII. (im Lehnstuhle sitzend) von der
Hand desselben Meisters; besonders aber die feine
aufrichtige Detailmalerei des Gustave Courtois „Mäd-
chen unter Haselsträuchern". Ein flottes Herrenporträt
— sitzend, Hände in der Tasche, Hut auf dem Kopf,
»zum Sprechen", — hat Jean Andre Rixens ausgestellt.
Illustrationenhaft, aber von gewinnendem Eindruck ist
das lebensgroße Damenporträt von Henri Gervex. Ein
kleiner Quattrocentist im modernen Kleide ist Virginia
Elodie Demont-Breton's „Giotto", ein Bild, das von echt
weiblicher Empfindung ohne alle Süßelei getragen ist.
Genre, Landschaft und Tierstück sind in nam-
haften Werken vertreten und oft alle drei Richtungen
in einer Hand glücklich vereinigt. Auch hier zeichnet
— wenn nicht noch mehr als auf den anderen Ge-
bieten — die französischen Maler feine Beobachtung,
treue Wiedergabe der Natur und großer Gedanken-
reichtum aus. Das edelste dieser Bilder scheint
uns Francois Flameng's „Er ist's! 1814", Napoleon
in einem Bauernhause im Lehnstuhle eingeschlum-
mert. Seine kleine Begleitung und einige neugierige
Hausbewohner beobachten in dem nur spärlich von
einer Kerze beleuchteten Kaum den großen Mann,
dessen Stern im vollen Niedergange ist. — Daneben
ist die fast dramatisch zugespitzte Scene mit den
Infanteriereserven von 1800 von Ed. J. B. Däaille
das wirksamste in Ausführung und Gedanke. Würdig
reiht sich Jules Adolphe Breton mit seinem »Chemin
du Pardon" an, in dem besonders die durch das Laub
einfallenden Sonnenblicke schwere, aber glücklich
gelöste Beleuchtungsprobleme bilden. — Eine derb-
kräftige, treffende Charakteristik, der nur noch etwas
mehr Wahrheit in der Farbe zu Hilfe kommen sollte,
zeichnet Jean Eugene Buland in seinen „Prozess-
leuten" aus. — Etwas skizzenhafter und hie und da
hart, aber doch von einheitlicher Wirkung ist Jean
Paul Laurens' »weißer Mönch", in der Zelle schrei-
bend; besonders die Transparenz des Habits ist mit
wenigen Mitteln vortrefflich wiedergegeben. Ferdi-
nand Rogbet ist ein tüchtiger Stoffmaler, der Meisso-
niermotive en miniature vergrößert, ohne aber dem
großen Meister an Wahrheit nahezukommen. — Ein
merkwürdiges dekoratives Genrebild (Mädchen unter
einem blühenden Baum) hat Puvis de Chavannes aus-
gestellt, das von einer erschreckenden Krankhaftig-
keit in der Farbe, in der Zeichnung und im Aus-
drucke ist. — Viel glücklicher ist da Leon Perrault in
seiner Sappho, an der der Adel der Figur und die
poetisch erdachte Abendbeleuchtung vorzüglich zum
Ausdrucke gebracht sind. Jose Julia de Sonza-Pinto
— ein Portugiese, der in Paris studirte — hat große
Ähnlichkeit mit modernen Italienern in seinem „Durch-
nässt bis auf die Knochen", in dem er viel gute
Beobachtung und Gestaltungskraft beweist.
Unter den Landschaften ragen Pierre Emanuel
Damoye mit seinem Frühjahrsbild und Adrien Louis
Demont mit seiner Landschaft bei Abendsturm mit
dem gewaltigen Wolkenberg hervor. Auch Jean
Charles Meissonier's Ansicht von Antibes mit dein
Netzfischer, der sich in dem unvergleichlich gemalten
Wasser spiegelt, ist eine vorzügliche Landschaft.
Hier müssen wir die gleichtüchtige, noch freier ge-
malte Marine von Frederic Montenard „Remorqueur
im Mittelmeer" erwähnen, ein Bild voll Sonne und
Bewegung. Jitlcs Alexis Mucniers Abend in der Pro-
vence, mit der träumerischen jungen Frau ist eines
der stimmungsvollsten, wahrsten und farbenkräftigsten
Bilder der ganzen Ausstellung. Nicht vergessen
dürfen wir Marie Francois Firmin-Girard's Chrysan-
themen, eine Spätherbstimpression von trefflicher
Wirkung. Gaston Guignard hat ein vorzügliches
Nebelherbstbild mit einer Kuhherde, /. B. Antoine
Die dritte internationale Kunstausstellung in Wien. II.
400
Därmner eines Vorhanges getauchte schöne Kopf mit
den großen, sinnlichen Augen. Das Stoffliche ist
virtuos behandelt. — Emanuel Benner's „Grüne Grotte"
verdient wegen des eingehenden Studiums des weib-
lichen Aktes eine besondere Anerkennung.
Wir wenden uns nun den Porträts zu, die in
bedeutend geringerer Anzahl als in früheren Jahren
da sind. Leon Bonnat ließ sich durch ein großes
wirksames Bild »Idyll", Figuren in voller Größe,
tanzender Jüngling und Mädchen — den Platz für
ein lebensgroßes Damenporträt reserviren, das aber
von den Vorzügen, die seine männlichen und weib-
lichen alten Köpfe auszeichnen, nichts sehen lässt —
es scheint dies eben nicht Bonnat's Domäne. Für
einen andern wäre das Porträt — dem von der Feme
eine bedeutende plastische, mit allen Finessen her-
vorgebrachte Wirkung nicht abgesprochen werden
kann — eine sehr gute Arbeit, für einen Bonnat
nicht. Die schweren grauen Schatten, die sich im
Gesichte ebenso finden wie in den Falten des Atlas,
die starken, aufdringlichen Konturirangen, das un-
beobachtet wiedergegebene Lorgnon bilden keine be-
sonderen Lorbeeren für den Meister. Wohlthuend
durch ungesuchte Naturwiedergabe ist dagegen Al-
fred Pierre Agache's „Phantasie" — ein Mädchentrotz-
kopf mit schwarzer Haube, von rückwärts im Profil
gesehen. Theobald Chartran's Monsieur Loze mit den
lebensvollen Augen — das Fleisch ist etwas süß im
Sinne Cabanel's — ebenso das liebenswürdig aufge-
fasste und im Stofflichen bravouröse lebensgroße
Porträt Leo's XIII. (im Lehnstuhle sitzend) von der
Hand desselben Meisters; besonders aber die feine
aufrichtige Detailmalerei des Gustave Courtois „Mäd-
chen unter Haselsträuchern". Ein flottes Herrenporträt
— sitzend, Hände in der Tasche, Hut auf dem Kopf,
»zum Sprechen", — hat Jean Andre Rixens ausgestellt.
Illustrationenhaft, aber von gewinnendem Eindruck ist
das lebensgroße Damenporträt von Henri Gervex. Ein
kleiner Quattrocentist im modernen Kleide ist Virginia
Elodie Demont-Breton's „Giotto", ein Bild, das von echt
weiblicher Empfindung ohne alle Süßelei getragen ist.
Genre, Landschaft und Tierstück sind in nam-
haften Werken vertreten und oft alle drei Richtungen
in einer Hand glücklich vereinigt. Auch hier zeichnet
— wenn nicht noch mehr als auf den anderen Ge-
bieten — die französischen Maler feine Beobachtung,
treue Wiedergabe der Natur und großer Gedanken-
reichtum aus. Das edelste dieser Bilder scheint
uns Francois Flameng's „Er ist's! 1814", Napoleon
in einem Bauernhause im Lehnstuhle eingeschlum-
mert. Seine kleine Begleitung und einige neugierige
Hausbewohner beobachten in dem nur spärlich von
einer Kerze beleuchteten Kaum den großen Mann,
dessen Stern im vollen Niedergange ist. — Daneben
ist die fast dramatisch zugespitzte Scene mit den
Infanteriereserven von 1800 von Ed. J. B. Däaille
das wirksamste in Ausführung und Gedanke. Würdig
reiht sich Jules Adolphe Breton mit seinem »Chemin
du Pardon" an, in dem besonders die durch das Laub
einfallenden Sonnenblicke schwere, aber glücklich
gelöste Beleuchtungsprobleme bilden. — Eine derb-
kräftige, treffende Charakteristik, der nur noch etwas
mehr Wahrheit in der Farbe zu Hilfe kommen sollte,
zeichnet Jean Eugene Buland in seinen „Prozess-
leuten" aus. — Etwas skizzenhafter und hie und da
hart, aber doch von einheitlicher Wirkung ist Jean
Paul Laurens' »weißer Mönch", in der Zelle schrei-
bend; besonders die Transparenz des Habits ist mit
wenigen Mitteln vortrefflich wiedergegeben. Ferdi-
nand Rogbet ist ein tüchtiger Stoffmaler, der Meisso-
niermotive en miniature vergrößert, ohne aber dem
großen Meister an Wahrheit nahezukommen. — Ein
merkwürdiges dekoratives Genrebild (Mädchen unter
einem blühenden Baum) hat Puvis de Chavannes aus-
gestellt, das von einer erschreckenden Krankhaftig-
keit in der Farbe, in der Zeichnung und im Aus-
drucke ist. — Viel glücklicher ist da Leon Perrault in
seiner Sappho, an der der Adel der Figur und die
poetisch erdachte Abendbeleuchtung vorzüglich zum
Ausdrucke gebracht sind. Jose Julia de Sonza-Pinto
— ein Portugiese, der in Paris studirte — hat große
Ähnlichkeit mit modernen Italienern in seinem „Durch-
nässt bis auf die Knochen", in dem er viel gute
Beobachtung und Gestaltungskraft beweist.
Unter den Landschaften ragen Pierre Emanuel
Damoye mit seinem Frühjahrsbild und Adrien Louis
Demont mit seiner Landschaft bei Abendsturm mit
dem gewaltigen Wolkenberg hervor. Auch Jean
Charles Meissonier's Ansicht von Antibes mit dein
Netzfischer, der sich in dem unvergleichlich gemalten
Wasser spiegelt, ist eine vorzügliche Landschaft.
Hier müssen wir die gleichtüchtige, noch freier ge-
malte Marine von Frederic Montenard „Remorqueur
im Mittelmeer" erwähnen, ein Bild voll Sonne und
Bewegung. Jitlcs Alexis Mucniers Abend in der Pro-
vence, mit der träumerischen jungen Frau ist eines
der stimmungsvollsten, wahrsten und farbenkräftigsten
Bilder der ganzen Ausstellung. Nicht vergessen
dürfen wir Marie Francois Firmin-Girard's Chrysan-
themen, eine Spätherbstimpression von trefflicher
Wirkung. Gaston Guignard hat ein vorzügliches
Nebelherbstbild mit einer Kuhherde, /. B. Antoine