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Sammlungen und Ausstellungen.
200
wenn der Konservator des Museums ein boshafter Mensch
wäre, so würde er — was übrigens alle Kunstfreunde
ausserordentlich interessieren müsste — die Erzeugnisse
unserer zeitgenössischen Kunsttöpfer neben den alten
Arbeiten der Japaner und Chinesen aufstellen. Geschähe
dies, so würde selbst dem unkundigsten Laien ein glänzendes
Licht über die Herkunft unseres »modernen« Kunsthand-
werkes aufgehen, und wir würden vielleicht einsehen, dass
es Thorheit ist, Völker »civilisieren« zu wollen, die vor
tausend Jahren schon Werke schufen, deren mehr oder
weniger gelungene Nachahmungen uns heute in Entzücken
versetzen. Um die durch die Ausstellung von Kunst-
werken bewirkte demonstratio ad oculos noch eindring-
licher zu machen und den Parisern die asiatische Kunst
noch näher zu bringen, veranstaltet die Leitung des treff-
lichen Museums sonntägliche Vorlesungen bei freiem Ein-
tritt, und diese Einrichtung benutzt der Konservator
Deshayes augenblicklich, um die neue Erwerbung zu be-
sprechen und über die Anfänge der japanischen Kunst zu
berichten.
Während in Japan selber die Kunstgelehrten nicht
minder eifrig ihrer Kulturgeschichte nachspüren wie wir
selber der unsrigen, sind wir in Europa eigentlich nur
sehr oberflächlich mit der japanischen Kunst vertraut.
Diese Beobachtung machte ich auf der Weltausstellung im
japanischen Pavillon, wo Arbeiten ausgestellt waren, deren
Entstehungszeit sich über zwölf Jahrhunderte erstreckte
und die trotzdem einem europäischen Auge kaum ein
sie voneinander unterscheidendes Merkmal zeigen. Daran
ist einzig unser Mangel an Vertrautheit mit der japanischen
Kunst schuld. Wir wissen sehr wohl einen Botticelli von
einem Burne-Jones, einen Rafael von einem Mengs und von
einem Bouguereau zu unterscheiden, aber ich bezweifle
sehr, dass dieser Unterschied ebenso deutlich für einen Japaner
oderChinesen ist, selbstwennderbetreffendeAsiateein gebil-
deter Mann und mit der Kunst seines eignen Landes innig
vertraut ist. Ebenso geht es uns mit der japanischen Kunst:
wo wir keinen Unterschied sehen, wissen die Japaner sehr
wohl zu unterscheiden, und sie haben ihre Kunst ebenso
hübsch in verschiedene Epochen eingeteilt, wie wir die
unsrige. Um aber diese Einteilungen zu kennen und zu
beherrschen, muss man mit der japanischen Kunst genauer
Bescheid wissen, als dies in Europa möglich ist, denn
selbst in unsern Museen, wie im Musee Guimet, ist auf
diese von den japanischen Kunstgelehrten aufgestellten
und gekennzeichneten Epochen keine Rücksicht genommen,
sondern gemeiniglich sind sie nach dem Gegenstand, dem
Material oder dem Orte der Herkunft geordnet.
Den japanischen Gelehrten zufolge haben wir es zu-
nächst mit einer einheimischen Kunst zu thun, die etwa
unserer germanischen Kunst entspricht. Dies ist die Kunst
der Ainos, aber einige Forscher gehen noch weiter zurück
bis zu dem sagenhaften Volke der Korobokurus, die man mit
den Eskimos in Verbindung bringt. Ob die in roter Farbe
auf die Sarkophage gemalten Ornamente, die das Musee
Guimet jetzt photographiert besitzt, von den Ainos oder
von ihren Vorgängern, den Korobokurus, herrühren,
mögen die japanischen Professoren, die darüber annoch
uneinig sind, unter sich ausmachen; sicher ist, dass wir
uns hier wie auch bei den aus der gleichen Zeit — dem
vierten Jahrhundert n. Chr. — stammenden Töpfereien im
Anfange aller Kunst befinden. Ganz ähnliche Gestalten
und Ornamente haben vor zweitausend Jahren unsere Vor-
fahren gezeichnet, geschnitten und gemeisselt und die
Kunst der Australneger ist heute noch identisch mit
dieser Ältermutter der japanischen Kunst, die sich in den
rohen, unbeholfenen und barbarischen Uranfängen bewegt.
Kreislinien,Spiralen, Dreiecke, schachbrettartig abwechselnde
Quadrate, symmetrisch nebeneinander stehende krumme Ha-
ken und ähnliche einfacheKompositionen bestreiten die Haupt-
kosten dieser Ornamentierung, und von der späteren uns
bekannten japanischen Kunst sind wir so weit entfernt
wie bei den isländischen Runen von Thorwaldsen und
Thaulow.
Die Japaner datieren ihre Kunstblüte von der Regierung
der Kaiserin Suiko, die von 593—628 regierte, den Budhis-
mus einführte und damit den vorher schon regen Ein-
flüssen des nahen Festlandes bleibende Einwirkung ver-
schaffte. Vorher schon hatte die japanische Kunst zunächst
von Korea, weiterhin von China und, wie einige der Ab-
bildungen lehren, auch von Indien Anregungen erhalten.
Mit einem Schlage hören die naiven, kindlichen Arbeiten
der Ainos und Korobokurus auf und werden durch weit
vollkommenere Kunstwerke ersetzt. Was uns die hierauf
bezüglichen Photographien des Musee Guimet sagen,
haben wir während der Ausstellung weit eindringlicher im
japanischen Pavillon gelernt, wo einige Statuen, Masken,
Bronzefigürchen und Lackarbeiten aus dem siebenten und
achten Jahrhundert den raffinierten Geschmack, die voll-
endete Meisterschaft der Technik und die religiöse Em-
pfindung der alten japanischen Künstler bewiesen. Diese
Arbeiten der Japaner gehören zu den grössten Meister-
werken aller Völker und Zeiten, und ich wüsste nicht, was
man ihnen an zarter Empfindung, rührender Innigkeit und
künstlerischer Vollendung an die Seite stellen könnte: es
seien denn unsere niederdeutschen Meister vom 14. und
15. Jahrhundert. Die Japaner rechnen denn auch die
Epochen Suiko, Teutschi und Schomu (724—748) — wie
die Franzosen bezeichnen sie die Kunststile nach den Namen
der Herrscher — als die höchste Blüte ihrer Kunst, die von da
an auf eigenen Füssen steht, die fremden Anregungen selb-
ständig verwertet und schnell zu höherer Vollendung gelangt,
als es ihre indischen, koreanischen und chinesischen Lehrer
je vermochten. Dieser Gang der japanischen Kunstgeschichte
hat mit unserer eigenen grosse Ähnlichkeit, denn auch wir
haben unsere eigentlich deutsche Volkskunst ganz auf-
gegeben und die fremde griechische und römische Kunst
angenommen und ausgebildet, genau wie die Japaner dies
mit der chinesischen thaten. Freilich hört damit der Ver-
gleich auf, denn die Japaner haben die Kunst der Chinesen
verfeinert und vervollkommet, und das ist uns mit der
griechischen wohl kaum so gut gelungen!
Karl Eugen Schmidt.
New York. Dem hiesigen Metropolitan - Museum hat
der Sammler Dun eine Gemäldesammlung vermacht, die
auf eine Million Mark geschätzt wird. Es sind Bilder der
Schule von Fontainebleau darunter, so eine »Ebene« von
Th. Rousseau, die s. Z. mit 150000 Frcs., ein Daubigny,
»Der Sumpf«, der mit 200000 Frcs., ein Corot, »Land-
schaft«, der mit 125000 Frcs. von Dun bezahlt worden
war. Für einen Troyon, »Hirt mit Schafen«, hatte er
67 500 Frcs., für eine andere Landschaft Daubigny's go 000
Frcs. gegeben. Gerome, Bouguereau, Rosa Bonheur,
ferner Joshua Reynolds und P. Potter sind in der gross-
artigen Sammlung gut vertreten. 00
Wien. Die Gutenberg- Ausstellung der Wiener Hof-
Bibliothek. Die Gutenberg - Ausstellung, welche durch
mehr als ein Vierteljahr in dem herrlichen Grossen Saale
der Wiener Hof - Bibliothek zu sehen war und einen so
schönen Erfolg erzielte, bedeutet für das Institut — nach
aussen und nach innen — eine Neuerung von allergrösster
Wichtigkeit. Die gegenwärtige Direktion begann so, einem
Zuge der Zeit folgend, dem grossen Publikum Einblick
in die Schätze zu gewähren, welche bisher beinahe nur
Fachleuten bekannt waren. Die erwähnte Veranstaltung
soll nicht die einzige ihrer Art bleiben. Schon im nächsten
Sammlungen und Ausstellungen.
200
wenn der Konservator des Museums ein boshafter Mensch
wäre, so würde er — was übrigens alle Kunstfreunde
ausserordentlich interessieren müsste — die Erzeugnisse
unserer zeitgenössischen Kunsttöpfer neben den alten
Arbeiten der Japaner und Chinesen aufstellen. Geschähe
dies, so würde selbst dem unkundigsten Laien ein glänzendes
Licht über die Herkunft unseres »modernen« Kunsthand-
werkes aufgehen, und wir würden vielleicht einsehen, dass
es Thorheit ist, Völker »civilisieren« zu wollen, die vor
tausend Jahren schon Werke schufen, deren mehr oder
weniger gelungene Nachahmungen uns heute in Entzücken
versetzen. Um die durch die Ausstellung von Kunst-
werken bewirkte demonstratio ad oculos noch eindring-
licher zu machen und den Parisern die asiatische Kunst
noch näher zu bringen, veranstaltet die Leitung des treff-
lichen Museums sonntägliche Vorlesungen bei freiem Ein-
tritt, und diese Einrichtung benutzt der Konservator
Deshayes augenblicklich, um die neue Erwerbung zu be-
sprechen und über die Anfänge der japanischen Kunst zu
berichten.
Während in Japan selber die Kunstgelehrten nicht
minder eifrig ihrer Kulturgeschichte nachspüren wie wir
selber der unsrigen, sind wir in Europa eigentlich nur
sehr oberflächlich mit der japanischen Kunst vertraut.
Diese Beobachtung machte ich auf der Weltausstellung im
japanischen Pavillon, wo Arbeiten ausgestellt waren, deren
Entstehungszeit sich über zwölf Jahrhunderte erstreckte
und die trotzdem einem europäischen Auge kaum ein
sie voneinander unterscheidendes Merkmal zeigen. Daran
ist einzig unser Mangel an Vertrautheit mit der japanischen
Kunst schuld. Wir wissen sehr wohl einen Botticelli von
einem Burne-Jones, einen Rafael von einem Mengs und von
einem Bouguereau zu unterscheiden, aber ich bezweifle
sehr, dass dieser Unterschied ebenso deutlich für einen Japaner
oderChinesen ist, selbstwennderbetreffendeAsiateein gebil-
deter Mann und mit der Kunst seines eignen Landes innig
vertraut ist. Ebenso geht es uns mit der japanischen Kunst:
wo wir keinen Unterschied sehen, wissen die Japaner sehr
wohl zu unterscheiden, und sie haben ihre Kunst ebenso
hübsch in verschiedene Epochen eingeteilt, wie wir die
unsrige. Um aber diese Einteilungen zu kennen und zu
beherrschen, muss man mit der japanischen Kunst genauer
Bescheid wissen, als dies in Europa möglich ist, denn
selbst in unsern Museen, wie im Musee Guimet, ist auf
diese von den japanischen Kunstgelehrten aufgestellten
und gekennzeichneten Epochen keine Rücksicht genommen,
sondern gemeiniglich sind sie nach dem Gegenstand, dem
Material oder dem Orte der Herkunft geordnet.
Den japanischen Gelehrten zufolge haben wir es zu-
nächst mit einer einheimischen Kunst zu thun, die etwa
unserer germanischen Kunst entspricht. Dies ist die Kunst
der Ainos, aber einige Forscher gehen noch weiter zurück
bis zu dem sagenhaften Volke der Korobokurus, die man mit
den Eskimos in Verbindung bringt. Ob die in roter Farbe
auf die Sarkophage gemalten Ornamente, die das Musee
Guimet jetzt photographiert besitzt, von den Ainos oder
von ihren Vorgängern, den Korobokurus, herrühren,
mögen die japanischen Professoren, die darüber annoch
uneinig sind, unter sich ausmachen; sicher ist, dass wir
uns hier wie auch bei den aus der gleichen Zeit — dem
vierten Jahrhundert n. Chr. — stammenden Töpfereien im
Anfange aller Kunst befinden. Ganz ähnliche Gestalten
und Ornamente haben vor zweitausend Jahren unsere Vor-
fahren gezeichnet, geschnitten und gemeisselt und die
Kunst der Australneger ist heute noch identisch mit
dieser Ältermutter der japanischen Kunst, die sich in den
rohen, unbeholfenen und barbarischen Uranfängen bewegt.
Kreislinien,Spiralen, Dreiecke, schachbrettartig abwechselnde
Quadrate, symmetrisch nebeneinander stehende krumme Ha-
ken und ähnliche einfacheKompositionen bestreiten die Haupt-
kosten dieser Ornamentierung, und von der späteren uns
bekannten japanischen Kunst sind wir so weit entfernt
wie bei den isländischen Runen von Thorwaldsen und
Thaulow.
Die Japaner datieren ihre Kunstblüte von der Regierung
der Kaiserin Suiko, die von 593—628 regierte, den Budhis-
mus einführte und damit den vorher schon regen Ein-
flüssen des nahen Festlandes bleibende Einwirkung ver-
schaffte. Vorher schon hatte die japanische Kunst zunächst
von Korea, weiterhin von China und, wie einige der Ab-
bildungen lehren, auch von Indien Anregungen erhalten.
Mit einem Schlage hören die naiven, kindlichen Arbeiten
der Ainos und Korobokurus auf und werden durch weit
vollkommenere Kunstwerke ersetzt. Was uns die hierauf
bezüglichen Photographien des Musee Guimet sagen,
haben wir während der Ausstellung weit eindringlicher im
japanischen Pavillon gelernt, wo einige Statuen, Masken,
Bronzefigürchen und Lackarbeiten aus dem siebenten und
achten Jahrhundert den raffinierten Geschmack, die voll-
endete Meisterschaft der Technik und die religiöse Em-
pfindung der alten japanischen Künstler bewiesen. Diese
Arbeiten der Japaner gehören zu den grössten Meister-
werken aller Völker und Zeiten, und ich wüsste nicht, was
man ihnen an zarter Empfindung, rührender Innigkeit und
künstlerischer Vollendung an die Seite stellen könnte: es
seien denn unsere niederdeutschen Meister vom 14. und
15. Jahrhundert. Die Japaner rechnen denn auch die
Epochen Suiko, Teutschi und Schomu (724—748) — wie
die Franzosen bezeichnen sie die Kunststile nach den Namen
der Herrscher — als die höchste Blüte ihrer Kunst, die von da
an auf eigenen Füssen steht, die fremden Anregungen selb-
ständig verwertet und schnell zu höherer Vollendung gelangt,
als es ihre indischen, koreanischen und chinesischen Lehrer
je vermochten. Dieser Gang der japanischen Kunstgeschichte
hat mit unserer eigenen grosse Ähnlichkeit, denn auch wir
haben unsere eigentlich deutsche Volkskunst ganz auf-
gegeben und die fremde griechische und römische Kunst
angenommen und ausgebildet, genau wie die Japaner dies
mit der chinesischen thaten. Freilich hört damit der Ver-
gleich auf, denn die Japaner haben die Kunst der Chinesen
verfeinert und vervollkommet, und das ist uns mit der
griechischen wohl kaum so gut gelungen!
Karl Eugen Schmidt.
New York. Dem hiesigen Metropolitan - Museum hat
der Sammler Dun eine Gemäldesammlung vermacht, die
auf eine Million Mark geschätzt wird. Es sind Bilder der
Schule von Fontainebleau darunter, so eine »Ebene« von
Th. Rousseau, die s. Z. mit 150000 Frcs., ein Daubigny,
»Der Sumpf«, der mit 200000 Frcs., ein Corot, »Land-
schaft«, der mit 125000 Frcs. von Dun bezahlt worden
war. Für einen Troyon, »Hirt mit Schafen«, hatte er
67 500 Frcs., für eine andere Landschaft Daubigny's go 000
Frcs. gegeben. Gerome, Bouguereau, Rosa Bonheur,
ferner Joshua Reynolds und P. Potter sind in der gross-
artigen Sammlung gut vertreten. 00
Wien. Die Gutenberg- Ausstellung der Wiener Hof-
Bibliothek. Die Gutenberg - Ausstellung, welche durch
mehr als ein Vierteljahr in dem herrlichen Grossen Saale
der Wiener Hof - Bibliothek zu sehen war und einen so
schönen Erfolg erzielte, bedeutet für das Institut — nach
aussen und nach innen — eine Neuerung von allergrösster
Wichtigkeit. Die gegenwärtige Direktion begann so, einem
Zuge der Zeit folgend, dem grossen Publikum Einblick
in die Schätze zu gewähren, welche bisher beinahe nur
Fachleuten bekannt waren. Die erwähnte Veranstaltung
soll nicht die einzige ihrer Art bleiben. Schon im nächsten