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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0038

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59

Ausstellungen

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(die zwei Schwestern des Künstlers, ein anderes vorzüg-
liches Doppelbildnis zweier Damen im Zimmer, ein weib-
liches Einzelporträt in schwarzer Toilette, ein englischer
Maler Ridley), und die ganze Reihe von Fantins Litho-
graphien, diese feinsinnigen Huldigungen an Berlioz, an
Richard Wagner und andere deutsche Musiker, denen sich
noch eine Anzahl von Handzeichnungen anschließen.
Schließlich eine Gruppe neuerer Holländer, die aber ein
bischen bunt zusammengestellt ist; einige Israels' führen
dabei, ein Städteblick von J. Voermann, ein an Bosboom
erinnerndes Kircheninterieur von Jak. Snoeck, eine Herbst-
landschaft von A. M. Gorter, ein Mühlenbild von Mauve
fallen auf.

Bei Cassirer erschien zuerst Uhdes großes Abendmahl-
bild, das wie eine Zusammenfassung aller Sehnsucht und
alles Könnens des verehrten Münchner Meisters wirkte,
und eine Kollektion neuer Arbeiten von Ulrich Hübner,
der mit ihnen erkennen ließ, wie er zurzeit seinen
frischen, prächtigen malerischen Vortrag durch eine zartere
und mannigfaltigere Behandlung des Lichts bereichert.
Silbrig feine Töne, gelbliche Akzente, die an Slevogt er-
innern, gesellen sich seiner Farbenskala zu und erhöhen
ihre Ausdrucksfähigkeit. Soeben hat Cassirer eine neue
Ausstellung folgen lassen: eine ungemein interessante
Sammlung moderner Stilleben, die im Grunde alles vor-
bringt, was sich heute über dies Thema sagen läßt. An
einigen älteren Stücken von Renoir sieht man, wie sich
die Farbenanschauung der Impressionisten in der ersten
Zeit mit der »nature morte« auseinandersetzte. Noch ziehen
sich Fäden zu Vollori hinüber; aber die Altmeisterfarben
treten zurück, und der Gesamtton wird heller, kühler.
Auch ein paar Proben von Manet (»Fische«, eine kleine
Sinfonie in schwarz, grau, gelb; einige Pfirsiche von hol-
dester Samtweichheit) deuten in diese Periode. Dann aber
hellt sich die Farbe auf, und jubelnd üben sich die Maler
an diesem Vorwurf, dem malerischen Vorwurf par ex-
cellence — mit Recht hat Meier-Gräfe die gesamte moderne
Malerei im Grunde als »Stillebenmalerei« charakterisiert.
Alle beteiligen sich an diesen phantastischen Spielen mit
leuchtenden Früchten und Blumen, die zu Schalen und
Schüsseln, Tassen und Vasen, Tischdecken und Tapeten
abgestimmt werden, und jeder in seiner Art. Renoir, in-
dem er nun die modernisierte Rokokograzie seiner Frauen-
körper auf Melonen und Tomaten, Birnen und Wein-
trauben überträgt. Monet, indem er seine analytische
Kunst an diesen geduldigsten Objekten übt. Pissarro, der
auch hier der auflösenden Technik eine innere beruhigende
Synthese sichert (von ihm sieht man zwei besonders schöne
Stücke mit hell- und dunkelblauem Wandhintergrund).
Dann kommt Cezanne, um gerade an diesen Motiven seine
neue, lapidare Farbenanschauung zu erproben und zu
stützen; neu für uns sind seine Blumenaquarelle mit ihrer
geistreichen Konturenmalerei, originelle europäische Japo-
nismen. NebenCezanne: Gauguin und van Gogh. Hinter ihm
Manguin, der durchaus im Geist seines Meisters arbeitet.
Zuletzt die Jüngeren, die wieder mehr prickelnde Buntheit
zulassen: Albert Andre, Durenne (mit besonders delikaten
Stücken vertreten), d'Espagnat, Henri Matisse, Bonnard
und einige andere. Bei den Deutschen weist Charles
Schuch in die Leibiperiode zurück; Liebermann (mit einem
Interieur aus einem Schlächterladen in Rot und Braun)
hält auf Manetsche Toneinheit; Breyer, Kardorff, Pottner,
die jüngeren Berliner, halten sich an Impressionistenmuster;
E. R. Weiß lehnt sich an Cezanne; Slevogt geht auch
hier eigene^Wege und schickt zwei entzückende Farben-
spiele: ein Armband in blauem Etui und einige kleine
Bibelots, einmal auf hellem, dann auf dunklem Grunde.
Das Auge erlebt in dieser Ausstellung ein kleines Fest.

Zugleich findet man bei Cassirer die neueste Ernte
von Corinth. An der Spitze ein großes Bild mit mehreren
Figuren »Die Totenklage«, ein bischen schwer und schwärz-
lich in der Farbe, aber in dem modernisierten Akademismus
der Komposition und in der prachtvollen, diesmal nicht
mit Kraftmeiertum protzenden Formauffassung der Akte
von glänzender Wirkung. Dazu einige Aktstudien, Porträts
(das hübscheste das des Malers Paul Baum vor dörf-
lichem Landschaftshintergrund) und ein paar ganz zarte, ver-
träumte, völlig uncorinthische Waldinterieurs.

Stilleben gibt's zu gleicher Zeit bei Casper in der
Behrenstraße, elegante kleine Sächelchen von den hier
wenig bekannten Franzosen D. Bergeret, J. Choquet,
H. Montassier, M. Moisset, zarte, feine Bildchen von behut-
samen hellen oder gedämpften Akkorden, wie geschaffen
zum Schmuck eines Boudoirs oder eines Salons im Louis XVI.-
Stil. Stilleben findet man ferner zurzeit bei Gurlitt, wo
Ludwig Stutz ein paar schöne neue Blumenarrangements
zeigt. Die Hauptwände bei Gurlitt aber beherrschen
Theodor Hagen, der redliche Weimarer Landschafter, mit
seinen weiten Blicken über Wiesen und Felder, die an
Feinheit des Lichts und des Tons gewonnen haben, ohne
ihren gesunden Realismus und ihre deutsche Stimmung
aufzugeben, und der Dresdener Robert Sterl, der seine
breit gemalten Bilder und Studien neuerdings in so be-
merkenswerter Weise gelockert und farbig belebt hat. Die
Dresdener Ausstellung gab von dieser jüngsten Entwicklung
Sterls schöne Proben; hier haben wir jetzt ein famoses
Bild, das sie bestätigt: »Hoforchester in Peterhof«, eine
sehr frische und zugleich sehr noble Zusammenstellung
der roten Uniformröcke, der schwarzen Käppis und der
bläulich-weißen Notenständer. Den Hauptanziehungspunkt
der jetzigen Gurlitt-Ausstellung aber bildet eine große
Kollektion Aquarellzeichnungen von Constantin Guys, der
in Deutschland mehr bewundert als — gekannt ist, glänzend
hingetuschte Bildchen von Kokotten, Reitern, Equipagen,
Gesellschaftsszenen. Die pikante Flottheit dieser Blättchen,
die Grausamkeit, mit der das Laster festgenagelt wird,
und die wie ein Vorklang von Lautrec ist, die technische
Bravour der rasch hingeworfenen lebendigen Gruppen und
Gestalten, die geistreiche Art der abkürzenden Zeichnung
ergeben einen großen Genuß. Es steckt in diesen Moment-
bildchen aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eine
Modernität des Sehens, Auffassens und Wiedergebens, die
sie über alle zeitgenössischen Karikaturen hinaus (die wahr-
haftig auch nicht von schlechten Eltern waren) unmittelbar
in unsere Gegenwart rückt. — Vorher sah man bei Gurlitt
eine große Kollektivausstellung von Wilhelm Sieinhausen
(dessen Name sich seltsam nach dem des Constantin Guys
ausspricht), eine schöne Übersicht über seine altfrank-
furterisch-realistische Landschaftskunst, seine an Thoma
sich anschließende, vom Frankfurter Spätnazarenertum noch
beeinflußte religiöse Malerei und die tief empfundene
Stimmungskunst seiner Porträts und Familienbilder, in der
sich jene beiden Elemente miteinander mischen. Man
fand auch die entzückenden kleinen Landschaftsskizzen, die
Steinhausen »Tagebuchblätter« genannt hat, Erinnerungen
an frohe Reisetage, in denen sein inniges, dankbares Natur-
gefühl sich wie in weltlichen Gebeten äußert, und doch
zugleich mit reifstem sinnlichen Farbengefühl.

Bei Keller & Reinergab's zuerst eine Nachlaßausstellung
des Düsseldorfers Peter Janssen und dann eine Kollektion
von Skulpturen Otto Lessings, der zu den sichersten und
besten Könnern unserer älteren Bildhauergeneration gehört.

M. O.

Eine interessante Ausstellung wird mit Beginn des
nächsten Jahres in London abgehalten werden. Die seit
1841 bestehende satirische Wochenschrift »Punch« will ihre
 
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