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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0079

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141

Sammlungen

142

des Alvise Vivarini, eine ferraresische Kreuzabnahme, eine
Madonna von Beccafumi, ein Jüngstes Gericht von Mar-
cello Venusti. Die Seicentisten waren mit einem male-
rischen Guercino (Elias erweckt den Sohn der Witwe von
Sarepta), mit Madonnen von Guido Reni und Sassoferrato
charakteristisch vertreten.

Viel bedeutender nach Quantität und Qualität wirkte
die nordische Reihe. Sie wurde eröffnet durch zwei aparte
Gegenstücke, Himmelfahrt und Höllenfahrt Christi, mit
feinen Landschaftsgründen, viel diskutierte Werke, in denen
man Beziehungen zur Buchmalerei, zum Donaustil, zu
Witz und zum frühen Stephan Lochner zu finden glaubte,
offenbar süddeutsch und wohl 1495 — 1500 entstanden
(V. Mayer). Das gute Niveau der einst in der Hirscherschen
Sammlung vereinigten Deutschen vertrat eine Maria mit
Helena und Barbara um 1510—20 (Stadtpfarrer Jung). Aus
städtischem Besitz war eine schöne hl. Elisabeth in der
Art der Dünwegge herangezogen, dann die berühmten
Stücke des Hausbuchmeisters (Kalvarienberg), Grünewalds
(Schneewunder), Hans Baidungs (Schmerzensmann). Ihnen
hatte man zwei Cranachs der Sammlung Vincent Mayer
beigesellt (hl. Magdalena und »Wirkung der Eifersucht«).
Das ergab eine Skala koloristischer Phänomene von über-
raschendem Eindruck. Der Ruhepunkt, zu dem man immer
wieder zurückkehrte, war die hl. Magdalena, rein malerisch
genommen vielleicht Lucas Cranachs feinstes Bild (ca.
1520—25). Holbein fehlte, ein tüchtiger Asper von 1569
(weibliches Porträt) mußte ihn ersetzen; an Dürer er-
innerten zwei Wiederholungen seines niederländischen
Hieronymus, die eine deutsch, mit Georg Pencz in Be-
ziehung gebracht, die andere niederländisch, aber spät. —
Die Niederländer des 17. Jahrhunderts präsentierten sich
mit ausgesucht guten Stücken von Adriaen v. Ostade, J.
M. Molenaer, J. Dusart, Wouwerman, van Goyen, S. Ruys-
dael, S. de Vlieger, J. Siberechts (Dr. Gäß), F. Mieris d. Ä.,
G. Dou (Sinner v. Landshut), Daniel Seghers, Jan Fyt
(Frau Dr. Eisenlohr), Jacob v. Es u. a. Unter den italieni-
sierenden Werken fesselten am meisten Landschaften von
Klas Berchem und Adam Pynacker und Helmbreckers dekora-
tive Kriegsbilder. Spanien war durch einen dem Ribera nahe-
stehenden Franz v. Assisi, England durch ein elegantes Por-
trät in Lelys Manier von Mary Beale vertreten. Während
Bildnisse in allen anderen Abteilungen nur spärlich oder gar
nicht vorkamen, wurde im Kabinett des 18. Jahrhunderts ein
Stück Porträtgeschichte gegeben. -Bemerkenswert: ein fran-
zösischer Marschall in der Art von Largilliere, ein Selbst-
bildnis des Freiburger Rokokomeisters Christian Wenzinger,
ein feines Künstlerporträt, A. Graff oder Friedr. Aug. Tisch-
bein zugeschrieben, eine Dame im Freien, in englischem
Geschmack, wahrscheinlich dem zuletzt Genannten zuge-
hörig. Interessant war der Vergleich zweier weiblicher
Akte, einer Venus in Bouchers Manier und einer Allegorie
von Pierre Prud'hon, »La Sagesse et la Verite« von 1799.
Prud'hons groß ausgeführtes »Tableau national« (Louvre)
hält nicht, was diese durch feine malerische Qualitäten aus-
gezeichnete Olskizze versprach. Die Freiburger Lokal-
kunst war, abgesehen von den Bildnissen und drei anmutig
erfundenen Puttenfriesen Wenzingers, durch eine Anzahl
Werke des problematischen Jos. Marcus Hermann vertreten.
Seine Fähigkeit, sich in die Ausdrucksweise der alten
Meister zu versetzen, feierte einen wahren Triumph in der
Apostelbegegnung von 1782.

Wer das Verhalten der Freiburger während dieser
retrospektiven Ausstellung beobachtet und gesehen hat,
welch lebhaftes Interesse ihr tatsächlich alle Kreise ent-
gegenbrachten, der darf daraus die Hoffnung schöpfen,
daß Freiburg nicht mehr allzu lange ein würdiges Kunst-
museum entbehren wird.

X Im Kaiser-Friedrich-Museum zu Magdeburg findet
zurzeit eine Sonderausstellung von Richard Kaiser statt,
der sich als Einheimischer dort großer Beliebtheit erfreut.
Die Kollektion ist reich an außerordentlich schönen Ar-
beiten, die prächtige dekorative Wirkungen mit einer neuen
Sorgfalt des Naturstudiums und einer freiklingenden Farben-
sprache vereinigen. Es gibt heute nicht viele Landschafter
in Deutschland, deren Werke, in solcher Fülle an den
Wänden eines stattlichen Saales vereinigt, nicht ermüden,
sondern sich im Eindruck so bedeutsam gegenseitig heben.

Mailand. Am 15. Februar 1909 wird eine Ausstellung
von Bildnissen aus dem 18. Jahrhundert eröffnet werden.
Ganz besonders interessant wird die Ausstellung ausfallen,
weil man vor hat, neben vielen englischen und französi-
schen Porträts aus jener Zeit eine ganze Anzahl italieni-
scher zum erstenmal als Gruppe dem Publikum zu präsen-
tieren. Darunter werden besonders Werke von Longhi,
Ghislandi, Camuccini, Appiani, Gandolfi interessant für
Kunsthistoriker und Laien sein.

SAMMLUNGEN

Dresden. Im zweiten Stock der Gemäldegalerie ist
soeben der östliche Flügel, der die eine Hälfte der Mo-
dernen Abteilung enthält, nach längeren Renovierungs-
arbeiten dem Publikum wieder zugänglich gemacht worden.
Seit Jahrzehnten jedenfalls haben sich die Bilder nie so
gut präsentiert wie jetzt. Geh. Rat Woermann ist von den
üblichen, sogenannten »neutralen« Hintergrundtönen, die
manche von unsern Museumstechnikern seit Jahren gepflegt
haben, abgekommen. Da hat es geheißen: Ja, die Werke
dieser Schule müssen auf eine neutrale graue Wand ge-
hängt werden; jene Gemälde verlieren ihre Farbwirkung,
wenn sie anders als auf einem diskreten Blau hängen, und
noch andere machen sich auf einem bräunlich-gelben Ton
am vorteilhaftesten. Das ist doch nicht so, wie Figura be-
weist, und es gibt kein Bild da oben, was nicht gewonnen
hätte durch die neue, volle, satte, geradezu leuchtende
Färbung der Räume. Gemälde, wie Kießlings Drei Schwe-
stern, die einem schon ganz verblaßt vorgekommen sind,
erwachen zu neuem Leben und wirklicher tiefer Farben-
wirkung. Selbst die Arbeiten der Freilichtmaler und Bilder
wie Uhdes und Munkacsys Historien haben gewonnen.
Die Wände sind leuchtend tiefrot gestrichen, daß sie wie
mit Velourstapeten behangen aussehen. Statt der häß-
lichen, verwaschenen creme-grauen Farbe zeigt das sämt-
liche Holzwerk sich in beinschwarzer Farbe gestrichen.
Der Akkord wird prächtig geschlossen mit dem vollen
Gold der Leisten, die alle Kanten und Türen der Räume
einfassen. Jetzt erst merkt man diese Leisten: Früher
gingen sie ganz in der verblasenen »neutralen« Farbaus-
stattung der Zimmer verloren. Die Abteilung wirkt im
ganzen jetzt festlich, wie eine vornehme, prächtige Privat-
galerie.

Gleichzeitig wurde der Katalog in neuen Auflagen aus-
gegeben. Die große Ausgabe erscheint in siebenter Auf-
lage, mit teilweise neuer Einleitung. Die englische Aus-
gabe ist neu übersetzt worden von Mr. Harry Virgin.
Als Neuheit erscheint ihr zur Seite, zum ersten Male, eine
kleine französische Ausgabe. l. Tyson.

Der Marien-Altar des Roger van der Weyden.
Im Oktoberheft der Gazette des Beaux-Arts hat ein spa-
nischer Forscher Gomez-Moreno einen reich illustrierten
Artikel über den Bilderschatz der Capilla Real des Doms
zu Granada veröffentlicht. Gomez-Moreno war der erste,
dem gestattet wurde, in der sonst fast unzugänglichen Ka-
pelle länger zu verweilen. Er hat die zum Teil hoch
hängenden Bilder sogar herabnehmen und photographieren
 
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