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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0231

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445

Vermischtes

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hier spielt ein lachendes, blondgelocktes, kleines Mädchen
Karten mit einem Knaben. Beide Werke waren auf der
rückblickenden Brüsseler Ausstellung von 1886 ver-
treten. Der König besaß dann aber noch einen herr-
lichen Van Dyck, und zwar dessen Bildnis des Brüsse-
ler Bildhauers Duquesnoy. Er hatte in seiner Samm-
lung ferner einen Fra Angelico »Jungfrau mit Kind« aus
der Galerie der Prinzessin Charlotte von Wales, ersten
Gemahlin Leopold I., stammend. Zwei Delacroix: den
einen hatte Leopold I. bei der Versteigerung Pereire im
Jahre 1852 für 18000 Francs erstanden; den zweiten Leo-
pold II. 1873 beim Verkauf Laurent Richard für 31000
Francs. Für den heiligen Benedictus von Rubens, den
Leopold II. 1881 in Lille für 177000 Francs gekauft, ver-
langte der König eine Million. Dieses Bild wurde von
der Familie Rubens nach dem Tode des Meisters dem
Brüsseler Maler De Crayer zum Geschenk gemacht, der
der damalige Schöffe der schönen Künste war. De Crayer
trat es später der Abtei von Afflighem ab. Weiter von
Rubens ein Bild, welches zwei junge Löwen darstellt.
Es wurde von Leopold I. dem Herzog von Bedfort für
8000 Guineen abgekauft. Schließlich eine Originalskizze,
vollständig von der Hand desselben Malers, für ein nicht
mehr auffindbares Bild »Christus triumphiert über den
Tod und die Sünde*.

Es scheint, daß in letzter Stunde die Kommission der
Königlichen Museen sich aufgerafft hat und durch den
Mund des Ministerpräsidenten den Monarchen ersuchen
ließ, wenigstens das Porträt des nationalen Bildhauers
Duquesnoy von Van Dyck in Belgien zu belassen. Leo-
pold scheint nicht abgeneigt, diesem berechtigten Wunsche
zu willfahren und selbst einen ganz billigen Preis für das
Bild zu fordern, nämlich 150000 Francs. Kenner allerdings
behaupten, daß diese Leinwand, die kaum 1 Meter breit
ist und gelitten hat, nur die Hälfte wert sein soll. Außer-
dem würde Leopold II. eventuell das Bild von Rubens
»Der Märtyrertod des h. Benedictus« dem Brüsseler Mu-
seum verkaufen. Was das Porträt von Duquesnoy be-
trifft, so bezeichnen die meisten diesen Francois Duques-
noy, den Van Dyck 1623 in Rom malte, als den Urheber
der Statuette des Manneken-Pis. Das ist eine Verwechs-
lung. Nicht dieser, sondern sein Vater Jerome wurde
1619 vom Brüsseler Magistrat beauftragt, diese Figur in
Bronze zu formen, um die Steinstatuette zu ersetzen,
welche den damaligen Brunnen des kleinen Julian schmückte.

Was den Verkauf der künstlerischen Besitztümer des
Königs betrifft, so nehmen die weiteren Aufnahmen
ihren ungestörten Fortgang. Die Porzellane sollen bereits
verkauft sein, die silbernen Bestände, darunter wertvolle
Stücke aus dem Besitz Leopolds I., werden von einem
Londoner Sachverständigen katalogisiert. Inzwischen sind
eingehendere Nachrichten über die ägyptische Sammlung
des Königs unter das Publikum gedrungen, welches bisher
keine Ahnung davon hatte, daß der belgische Monarch
einen wahren Schatz in dieser Beziehung besaß. Allerdings
hatte schon 1889 Professor Eisenlohr in Heidelberg sich
über diese Antiquitäten geäußert, von denen bereits
1875 ein amerikanischer Archäologe gesprochen hatte.
Der in den Jahrbüchern der Londoner Archäologischen
Gesellschaft erschienene Aufsatz war aber nur den Fach-
genossen bekannt und dann vergessen worden. Die
Besucher des Brüsseler Königspalastes kannten nur drei
Stücke der ägyptischen Sammlung des Königs, ahnten aber
schwerlich deren hohen Wert. Am Fuße der großen
Treppe stehen zwei Statuen aus schwarzem Granit. Sie
stellen die Göttin Sechmet dar und stammen aus dem
Tempel von Theben, woselbst sich noch mehrere gleiche
Statuen der Göttin mit dem Löwenkopfe vorfinden. In

einer der Galerien des Palais sieht man einen Sargdeckel
aus thebanischer Zeit. Das sind nur unbedeutende
Stücke einer Sammlung, die in den — Wagenremisen
der königlichen Stallung aufbewahrt wurde. So besitzt
dort König Leopold drei wertvolle Grabstelen, die eines
römischen Legionars, von welcher Art man nur noch
ein ähnliches Monument im Museum von Alexandrien
kennt; ferner die eines hohen Staatsbeamten und der
Priesterin der Hathor und einer königlichen Favoritin.
Ein einzig dastehendes Stück ist die Grabspenden-
tafel aus geschnitztem und bemaltem Holze, auf welcher
nicht weniger als 96 verschiedene Gerichte aufgeführt
werden, deren Auswahl dem Toten auf seinem letzten
Wege überlassen bleibt. Ein ebenso außerordentliches
Stück, wie man seinesgleichen kaum im Louvre oder
in Turin vorfindet, ist ein Sarkophag aus rotem Granit.
Die Figur des darin Begrabenen ist auf dem Deckel künst-
lerisch ausgemeißelt und von großer Schönheit der Be-
handlung. Und so fort. Diese sehr umfassende Sammlung
ägyptischer Altertümer wurde König Leopold, als er, noch
als Herzog von Brabant, im Jahre 1863 seine Orientreise
machte, vom damaligen Khedive Said zum Geschenk ge-
macht. Wir vermuten, daß auch deutsche Museen sich
bemühen werden, einiges von diesen Meisterwerken, sowohl
den Gemälden, wie den übrigen Schätzen, zu erwerben.

Rahemann.

Wiederauffindung der Madonna des Giovanni
Bellini. Wie durch ein Wunder ist die aus Madonna del orto
gestohlene Madonna ans Tageslicht gekommen. Während
man sie längst im Auslande vermutete, war sie in Venedig
bei einem Hehler versteckt, der, gedrängt von seinen Mit-
schuldigen, den Kopf verlor und einem Bekannten, einem
unbescholtenen Manne, sein Geheimnis mitteilte. Dieser
machte sofort seinem Vorgesetzten, dem Direktor der mo-
dernen Galerie im Palazzo Pesaro, Mitteilung, welcher
sogleich die Polizei in Kenntnis setzte. Das Gemälde ist
mit ganz leichten Beschädigungen aus der Affäre hervor-
gegangen. August Wolf.

X Die große neue Berliner Heerstraße, die sich als
Fortsetzung der Charlottenburger Chaussee von dem Punkt,
da diese nach Nordwesten abbiegt, also vom sogenannten
»Knie« an unter den Namen »Bismarckstraße« und »Kaiser-
damm« über Westend und die Spandauer Vorstadt hinzieht
und bis zum Truppenübungsplatz in Döberitz geführt wer-
den soll, beginnt allmählich Gestalt und Charakter anzu-
nehmen. Aber wie bei allen öffentlichen Dingen in Berlin
sieht man auch dem Werden dieser gewaltigen neuen An-
lage mit Sorgen und Zweifeln zu. Der Grundgedanke des
Planes ist ohne Frage ein glänzender gewesen. Es war
ein kühnes und großartiges Unternehmen, die Idee eines
repräsentativen städtischen Hauptverkehrsweges, die der
Große Kurfürst vor 250 Jahren durch die Anlage der Straße
Unter den Linden mit so imposanter Wirkung durchführte,
wie es bei dem geringen Umfang seiner Residenz denkbar
war, nun zu erweitern und auszubauen. Langgestreckte,
breite Verkehrsadern werden überdies in den Stadtbildern der
Zukunft bei der Bedeutung, die das Automobil als Fort-
bewegungsmittel gewinnt, noch eine ganz andere Rolle
spielen als bisher. Früher zog man sie mehr des Prunks
und Pomps wegen; heute verbinden sie mit diesem äußeren
Eindruck einen eminent praktischen Sinn. Aber mit der
Zweckmäßigkeit allein will man sich dennoch nicht zu-
frieden geben; man sucht mit Recht für die von der Natur
gegebenen Punkte nach einem Schmuck, der die Erschei-
nung des meilenlangen Straßenzuges durch Betonung
seiner Abschnitte gliedert und hebt, und strebt danach,
seiner Gestalt auch zwischen diesen Stellen Einheit und
Stil zu sichern. Das alles steckt in dem vorliegenden Berliner
 
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